Die Kröte.
Ein reicher Fürst hatte drei Söhne. Zwei waren klug und der
dritte dumm. Als sie groß geworden waren, wünschte der Vater,
daß sie sich verheiraten möchten. Er gab ihnen also Bogen und
Pfeile und redete sie folgendermaßen an:
"Ihr seid nun groß und stark geworden; bald wird es Zeit, Ihr
guten Burschen, an schmucke Weibchen auch zu denken, die Euch durch ihren
holden Reiz erheitern, damit ich noch vor meinem Tode die lieben Enkelchen
mag schaukeln. Hier habt Ihr jeder einen Bogen. Schießt weit hinweg
die schnellen Pfeile, und wo der Pfeil hinfällt, da suchet Euch die
holde Gattin."
Der Ältste spannte seinen Bogen, und zischend flog der Pfeil von
dannen. Erst hinterm Walde fiel er nieder, auf dem Balkon des Marmorhauses.
Da stand die goldgelockte Jungfrau, spann ihren Flachs mit weißen
Händen. Die Jungfrau war des Ritters Tochter, dem viele Schlösser
zugehörten. Der Ritter wählte ihn zum Eidam (zum Schwiegersohn).
Voll Freude war der alte Fürst nun, daß sich sein Sohn ein
Weib gewählet.
Der Jüngere spannte seinen Bogen, und zischend flog der Pfeil von
dannen. Erst hinterm Bache fiel er nieder, im Schatten einer großen
Linde. Dort saß die schwarzgelockte Jungfrau und sammelt' Honig
in die Töpfe. Die Jungfrau war des Landmanns Tochter. Zwei große
Häuser hatt' der Landmann: das eine Haus von Fichtenholz, das andere
von festen Steinen. Der Landmann wählte ihn zum Eidam. Voll Freude
war der alte Fürst nun bei seines zweiten Sohnes Hochzeit.
Der Jüngste ging noch immer weiter mit dem schönen Bogen. Als
die Reihe nun an ihn kam, - schwirrend flog der Pfeil von dannen, fiel
dann in den schlammigen Teich.
Der Jüngling fuhr im Kahne hin, suchte den Pfeil und fand neben ihm
- eine häßliche Kröte.
Und weil's sein Vater so haben wollte, nahm er sich die Kröte zur
Frau. Im Grunde aber war das keine Kröte, sondern eine verzauberte
Prinzessin. Er brachte sie nach Hause, setzte sie auf sein Bett und befahl
seinen Leuten, ihr zu dienen. Der alte Fürst aber war sehr traurig
darüber, daß sein Sohn eine Kröte heiraten mußte.
Da kam der Namenstag der alten Fürstin-Mutter heran. Die Schwiegertöchter
buken eifrig Brot, und das Brot wurde köstlich, groß und weiß
wie Milch.
Der Jüngste weinte heiße Tränen, daß seine Frau
nicht auch der Mutter ein Brot backen konnte. Die gute Kröte sah
ihn weinen und sprach zu ihm mit diesen Worten: "Sei nicht traurig,
mein liebes Männchen; auch ich versteh ein Brot zu backen."
Sogleich erschienen sieben Mägde und buken viel mehr Brot zusammen
als die beiden Schwiegertöchter. Der junge Fürst, voller Freude,
schickte es seiner Mutter - als Geschenk von seiner Frau. Und alle wunderten
sich über das schöne Brot.
Die beiden Schwägerinnen wurden neidisch und fingen an, Gürtel
zu sticken, der alten Fürstin zum Geschenk. Sie stickten sie mit
Gold, mit Silber, und alle waren entzückt über die herrliche
Arbeit. Der junge Fürst weinte bittere Tränen, daß seine
Frau nicht auch so sticken konnte. Die Kröte sah ihn weinen und sprach
zu ihm mit diesen Worten: "Sei nicht traurig, mein liebes Männchen;
auch ich stick einen schönen Gürtel, den bringst Du als Geschenk
der Mutter."
Und es erschienen sieben Mägde und stickten einen Gürtel aus
Gold, Silber, Perlen und blitzenden Diamanten. Der junge Fürst brachte
das Geschenk zur Mutter, und alle waren erstaunt, daß eine Kröte
einen so schönen Gürtel sticken konnte.
Der Namenstag der alten Fürstin war da. Die beiden Schwiegertöchter
saßen schön ausgeputzt neben ihr. Der junge Fürst war
traurig, daß er nicht auch bei dem Feste sein konnte.
"Wir werden auch hingehen," sagte die Kröte. "Geh
Du voran, und wenn es regnet, so sag, daß Deine Frau sich badet;
wenn es blitzt, so sag, daß sie sich putzt, und wenn es donnert,
daß sie schon angefahren kommt."
Voll Freude geht er hin und wünscht der Mutter Glück und Segen.
Man stellt die Tische auf, das Festmahl soll beginnen. Da fängt es
ganz leise an zu regnen. Der junge Fürst sieht zum Fenster hinaus
und sagt laut: "Jetzt badet sich mein liebes Weibchen!"
Alle sehen hin und denken: "Was spricht der Dummkopf doch für
Unsinn!"
Es blitzt am Himmel; - er spricht wieder: "Jetzt zieht sich mein
liebes Weibchen an!" Es donnert, - da ruft er mit Jauchzen: "Jetzt
kommt mein Weibchen angefahren!"
Voll Neugier blickt man nach der Tür. Aber es kommt keine Kröte
herein, sondern eine holde, wunderschöne Frau. Die Eltern sind entzückt,
und ebenso der junge Fürst. Schnell läuft er nach Hause, niemand
weiß, warum.
An der Tafel geht es lustig zu. Die junge Fürstin strahlt von Schönheit,
und die beiden Schwägerinnen sind wütend vor Neid.
Da kommt eilig der junge Fürst zurück und ruft seiner Frau zu:
"Die häßliche Krötenhaut, die Deine Schönheit
verdeckte, ich habe sie zu Hause gefunden und verbrannt!"
In demselben Augenblick war die junge Frau ganz in Flammen eingehüllt.
"Leb wohl!" rief sie; "bald sollte ich erlöst werden,
als Mensch unter Menschen leben. Nun bin ich für lange Zeit aufs
neue verzaubert."
Sie schwand dahin wie im Nebel, und man sah sie niemals wieder.
Quelle: Kasimir Wladislaw Woycicki, Polnische Volkssagen und Märchen. Friedrich Heinrich Lewestam, Berlin, 1839