DIE HAUSSCHLANGE

Ein kleines Mädchen bekam bisweilen von seiner Mutter zur Jause ein Schälchen Milch und ein Kipfel.

Damit setzte es sich einmal in den Hof hinaus, und wie es da so saß, kam die Hausschlange, vom Geruch der Milch angelockt, und schmarotzte mit. Darüber freute sich das Mädchen. Von nun an lockte es immer, wenn es etwas zu naschen hatte, die Schlange herbei:

"Schlangerl, tschi, tschi,
das Mäderl ruft di,
mögst firikemma
und a Bröckerl nehma!"

Und die Schlange blieb nie aus und aß sich jedesmal ordentlich satt. Aber sie zeigte sich auch dankbar und brachte aus ihrem Schatz ein schönes buntes Steinchen nach dem anderen, Perlen und Goldsachen. Und das Mädchen wurde von Stund an groß und schön.

Eines Tages bemerkte die Mutter die Schlange, und weil sie fürchtete, das Tier könne dem Mädchen etwas antun, nahm sie einen Prügel und schlug die arme Schlange tot.

Seit der Zeit aber begann das Mädchen zu kränkeln, seine Wangen wurden bleich und bleicher. Bald danach hüb der Totenvogel in einer Nacht gar kläglich zu schreien an, und das Rotkehlchen suchte emsig Zweige zu einem Totenkränzlein.

Wie die Mutter nach dem Mädchen hinschaute, hatte es schon der Knochenmann geholt.

Quelle: Österreichische Volksmärchen, gesammelt von Josef Pöttinger, Wien 1957