Die zwei Schusterssöhne

Einmal ging ein Schuster fischen und fing drei Karpfen, jeden von zehn Pfund. Als er nach Hause ging, verlor er einen Fisch, und als dieser rief: »Halt an!«, so sagte der Schuster: »Dich mag ich nicht, weil du schreien kannst«, und ging weiter. Mit dem zweiten Fisch geschah dasselbe. Als er aber endlich den dritten verlor und wieder sagte, er wolle ihn nicht, da rief der Fisch: »Nimm mich mit nach Hause, es wird dein Glück sein.«

»Was kannst du mir nützen, armseliger Fisch?« antwortete der Schuster, aber jener erwiderte:

»Nimm mich nur mit nach Hause und tu, was ich dir jetzt sage: Schneide mir den Bauch auf, und du wirst auf der einen Seite einen Klumpen Gold, auf der anderen einen Stein finden; diesen grabe bei einem Baum ein. Das Gehirn gib deinem Weib, und sie wird dir zwei Knäblein mit goldenen Haaren schenken; den Kopf gib deinem Pferd, und es wird dir zwei Füllen mit goldenen Mähnen bringen, und den Schweif gib deinem Hund, und er wird dir zwei Hündlein mit goldenen Haaren geben.«

Der Schuster nahm nun den Fisch, tat, wie ihm dieser gebot, und erhielt wirklich jene Dinge. Da er nun durch den Klumpen Gold wohlhabend geworden war, so schickte er seine beiden Söhnlein in die Schule.

Da begegnete er einmal dem Schullehrer, und dieser fragte ihn, warum er seine beiden Söhne nicht in die Schule schicke. Darüber verwunderte er sich, und als er nach Hause kam, fragte er seine Kleinen, wohin sie in die Schule gingen. Diese antworteten, sie dürften es nicht sagen, bis sie zwölf Jahre alt wären. Sie lernten fortan sehr fleißig und gestanden ihrem Vater, als sie zwölf Jahre alt waren, dass sie zu dem Baum in die Schule gegangen seien, bei welchem er den Stein begraben habe.

Nun wollten die beiden Jungen in die weite Welt gehen und verlangten von ihrem Vater, dass er jedem ein Füllen und ein Hündlein mitgebe; allein davon wollte der Vater nichts wissen. Es dauerte aber nicht lange, so nahm sich jeder nachts sein Pferd mit den goldenen Mähnen und ein Hündlein, und sie ritten von dannen.

Als sie schon ziemlich weit geritten waren, sagte Hans: »Mein lieber Seppl, wir müssen uns jetzt trennen, denn wir sehen immer beide das gleiche, und das geht nicht. Ich werde auf diese hohe Eiche hinaufsteigen und zwei Wege ausfindig machen.« Er stieg hinauf und sah in der Ferne ein Licht, stieg dann gleich wieder herab und sagte: »Diesen Weg gehe ich, und jenen kannst du gehen; damit wir aber wissen, wie es einem jeden geht, so stecken wir jeder eine Rose auf diese Eiche. Kommt nun einer zurück, und es ist die andere Rose welk, so weiß er, dass der andere krank ist; ist sie aber ganz dürr, so ist dieser gestorben.« Nun trennten sich beide und schlugen ihre Wege ein.

Da kam Hans in ein Wirtshaus und fragte den Wirt, was es Neues gäbe.

»Was soll es geben?« antwortete dieser. »Nicht viel, nur dass nächstens unser König ein Fechtspiel gibt, wo jeder mit den Geliebten seiner Töchter kämpfen kann, und wer einen besiegt, bekommt sie zur Frau.«

Halt, dachte sich Hans, du kannst vielleicht auch fechten, daran nimmst du teil. Er ließ sein Pferd und sein Hündlein beim Wirt, zog vom Hausknecht ein zerlumptes Gewand an und begab sich in die Fechtschule.

Das Fechtspiel begann. Alle Anwesenden innerhalb der Schranken hatten schon mit dem Geliebten der älteren Tochter gekämpft, und keiner hatte ihn bezwungen, nur Hans war noch übrig. Da lachte der Höfling und sagte: »Nun, mit dem werde ich bald fertig sein«; allein Hans war geschickter als er und durchbohrte ihn.

Als die Königstochter sah, dass dieser zerlumpte Jüngling nun ihr Mann werden sollte, sagte sie ihrem Vater: »Den mag ich nicht«, und zu Hans sprach sie: »Bist du zufrieden mit fünfhundert Gulden?«

»O ja, warum denn nicht?« antwortete dieser, »sind ja noch andere hier«, und er strich das empfangene Geld ein.

Nun trat der Geliebte der zweiten Königstochter in die Schranken, wurde aber von keinem bezwungen. Auch der betrachtete den hervortretenden Hans verächtlich; aber zur Strafe dafür hieb ihm dieser den Arm ab. Weil auch diese Königstochter ihn nicht mochte, bekam er wieder seine fünfhundert Gulden, welche er froh einstrich mit den Worten: »Sind ja noch andere hier!«

Nun kam der Geliebte der jüngsten Königstochter, welchem sein letzter Gegner, der wieder unser Hans war, den Fuß abhieb.

Allein diesmal erging es Hans nicht so wie früher. Dieser Königstochter gefielen die goldenen Haare und das blühende Gesicht des Jünglings, und sie sagte zu Hans, er solle auf den Schlossplatz kommen, da werde sie vom Fenster herabsehen und ihm kundtun, ob er ihr Mann werde oder nicht.

Richtig erschien das Fräulein und kündigte ihm an, dass er König sei. Nun wollte man Hans schöne Kleider geben, er aber wies sie dankend zurück, bat um die Erlaubnis, sich auf kurze Zeit entfernen zu dürfen, begab sich in das Wirtshaus, zog wieder seine früheren schönen Kleider an und ritt mit seinem Pferdchen und dem Hündlein in das Schloss zurück. Da waren alle erstaunt, als sie den jungen König daher reiten sahen auf seinem Pferd mit den goldenen Mähnen und neben ihm das Hündlein mit goldenen Haaren, während auf seinem Nacken ebenfalls die goldenen Locken im Sonnenstrahl glänzten. Der Neid der beiden älteren Schwestern wuchs seitdem von Stunde zu Stunde.

Die Hochzeit wurde nun vollzogen, und das junge Ehepaar verlebte in Zufriedenheit die ersten Wochen der Ehe; allein nicht so ruhig war es in der Brust der ältesten Schwester, denn diese sann immer auf Mittel, den jungen König zu beseitigen. Sie ging daher zu einer Hexe, die in einem großen Wald außerhalb der Stadt wohnte, und fragte diese, ob sie nicht den jungen König wegschaffen wolle.

»Gib mir dreihundert Gulden«, sagte diese, »veranstalte eine Jagd, bei welcher er in diesen Wald kommen muss, so will ich ihn schon wegschaffen, dass ihn niemand mehr zu Gesicht bekommt.«

Der Vertrag mit der Hexe wurde geschlossen und die Jagd auf Verlangen der Königstochter veranstaltet.

Die Hexe setzte sich nun in einem entlegenen Teil des Waldes auf einen hohen Baum; da kam der junge König wirklich in die Nähe der Hexe, und als er sie in diesen luftigen Höhen sah, rief er ihr zu:

»Was tust du da oben? Steig herab!«

»Ach, mein Herr«, antwortete die listige Alte, »ich trau mich nicht, das Hündchen möchte mich beißen.«

»Steig nur herab«, erwiderte dieser, »das Hündchen tut dir nichts.«

»Ach nein, mein Herr«, wiederholte sie, »ich steige nicht herab, das Hündchen möchte mich beißen. Nehmt da diese Rute, die ich hinabwerfe, und schlagt um euch, damit das Hündchen davonlaufe.«

Der junge König nahm die herab geworfene Rute und schlug über sich zurück, aber in demselben Augenblick verschwand er samt seinem Pferd und seinem Hündlein. Das verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt, und groß war die Trauer um den jungen König.

Sehen wir nun aber, wie es dem Bruder Seppl ergangen ist. Der kam eines Tages zur hohen Eiche zurück, wo er sich von Hans getrennt hatte, und sah mit Schmerzen, dass die Rose von Hans verdorrt war. Armer Hans, dachte er sich, hast müssen auch sterben, aber wenigstens will ich mich erkundigen, wo du gestorben bist; und er schlug denselben Weg ein, den Hans bei ihrer Trennung gegangen war. Als er in die Stadt kam, waren alle Fenster schwarz verhängt, und alles war in Trauer. Da fragte er bei seiner Einkehr ins Wirtshaus, was das zu bedeuten habe.

»Hm«, sagte der Wirt, »wie könnt Ihr noch fragen? Wisst Ihr denn nicht, dass unser junger König verschwunden ist? Aber mir scheint, Ihr stellt Euch nur so, denn Ihr seid ja selber der König!«

Da wusste Seppl genug, denn er ahnte, dass der junge König sein Bruder sei, weil sie einander ähnlich sahen. Er ging daher ins Schloss und wurde dort mit großer Freude empfangen, allein er selbst war sehr traurig.

Als ihn nun die Gemahlin des jungen Königs fragte, warum er denn so traurig sei, denn sie erkannte ihn nicht und glaubte fest, es sei ihr Gemahl, da sagte Seppl, er sei nicht der junge König, sondern sein Bruder. Während dieser Zeit war aber schon die älteste Königstochter im Wald bei der Hexe und verlangte ihre dreihundert Gulden zurück, indem der junge König wiedergekommen sei.

»Geh, du Närrchen«, sagte ihr die Alte, »das ist ja sein Bruder; veranstalte nur eine Jagd, ich will schon auch diesen wegschaffen.«

Wirklich brachte es die neidische Schwester durch langes Bitten dahin, dass man wieder eine Jagd veranstaltete.

Als nun Seppl, der als König galt, an die Stelle kam, wo früher sein Bruder verschwunden war, rief er der auf dem Baum sitzenden Alten zu, sie solle herabsteigen.

Diese erwiderte: »Ach, mein Herr, ich trau mich nicht, das Hündlein möchte mich beißen.«

Aber diesmal antwortete ihr der junge König anders. »Wenn du nicht herabsteigst, alte Hexe«, rief er entrüstet, »so schieße ich dich herab, du hast meinen Bruder verzaubert, und wenn du diesen nicht augenblicklich wieder lebendig machst, so bist du des Todes.«

Da bekam die Alte Furcht und bat, er möge sie herabsteigen lassen, sie werde ihn dann gleich lebendig machen. Am Boden angekommen, schlug sie mit einer Rute dreimal auf die Erde, und vor ihr lagen der König, sein Pferd und sein Hündlein, aber tot. Nun berührte sie jeden einzeln mit der Rute, und alle drei wurden lebendig.

Mit Freude begrüßten sich nun beide Brüder, zerhieben zur Strafe die alte Hexe in Stücke und kehrten in die Stadt zurück. Unaussprechlich war da die Freude. Hans war wieder König, und Seppl wurde zum Vizekönig ernannt. Und wenn sie nimmer leben, so sind sie wahrscheinlich gestorben.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Hausmärchen in den Alpenländern, Wien 1863.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Sabine Strasser, Februar 2006.
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