II. Abstufung und Verschiedenheit

Die Sagen, welche die Elfen als vom Himmel verstoßene, der Hölle halb verfallene Engel, eben deshalb als halb teuflische Wesen schildern*, haben einen Gegensatz, der schon vorhanden war, in christlicher Ansicht erklärt, schwerlich aber erst geschaffen. Die Edda unterscheidet weiße, leuchtende Elfen des Lichts und schwarze Elfen der Finsternis, nicht als gute und böse, sondern um sie als Geister der verschiedenen Regionen des leuchtenden Himmels und der dunkelen Erde zu bezeichnen. Deutlich wird dies daraus, daß sie die schwarzen Elfen zugleich Zwerge nennt (so wie auch ein Zwerg in den Kenningar den Namen âlfr führt), denn dies ist der besondere Ausdruck für die in den dunkelen Berghöhlen wohnenden und hausenden Unterirdischen. Die Lichtelfen von reiner Farbe erscheinen fast durchsichtig, ganz ätherisch, mit weißen, silberschimmernden Kleidern, wie in den irischen Märchen. In deutschen Sagen (Nr. 10 und 11.) sitzen sie als schneeweiße Jungfrauen im Sonnenschein, zeigen sich um Mittag (Nr. 12.) und dürfen nur solange als die Sonne am Himmel ist verweilen. Diese heißt daher in der Edda (Säm. I. 70. u. 231.) âlfrödull, die Elfen anstrahlend. Die Erdelfen dagegen sind körperlich und von dunkler Farbe, darum sind sie in Norwegen blau, in dem Sinne, in welchem die nordische Sprache einen Neger blâmadr nennt; der schottische Brownie ist braun und zottig, wie die wilde Berta in der deutschen Sage (Nr. 268.) und brauner Zwerge in Northumberland gedenkt eine Anmerkung in Walter Scotts Lady of the Lake. Die Erdelfen tragen auch dunkelfarbige Kleider. Sie treiben ihr Wesen in der Nacht und fliehen im Gegensatz zu den Lichtelfen die Sonne, die daher auch in der Edda (Hamdismâl Str. I.) die Sorge der Elfen (graeti âlfa) heißt. Überrascht sie der Tag, so werden sie von dem Strahl der Sonne in Stein verwandelt. (Vgl. Edda Säm. I. 274. II. 44.)

* S. unten das irische Märchen Nr. 4. die Mahlzeit des Geistlichen und die Anmerkung dazu, wo die übereinstimmende dänische und schottische Sage angeführt ist. Auch in Schweden ist sie allerorten bekannt, nur, und das ist merkenswert, mit entgegengesetzter Auflösung (Schwedische Volkslieder III. 128). Zwei Kinder spielen an einem Fluß, da sitzt ein Nix auf dem Wasser und läßt seine Harfe ertönen. Die Kinder rufen ihm zu: "Was hilft, daß du da sitzest und spielst, du wirst doch nicht selig!" Der Nix weint bitterlich, wirft seine Harfe hin und sinkt in die Tiefe. Als die Kinder heim zu ihrem Vater kommen, erzählen sie ihm, was sich zugetragen hat. Der Vater heißt sie zurückgehen, den Nix trösten und ihm die Versicherung der Erlösung geben. Als sie bei dem Fluß anlangen, sitzt der Nix auf dem Wasser und weint. "Nix, traure nicht", rufen sie ihm zu, "der Vater hat gesagt, daß auch dein Erlöser lebe." Da nimmt der Nix seine Harfe wieder und spielt fröhlich. (Vgl. auch das. III. 158.)

Natürlich bestand diese Unterscheidung nicht länger, sobald man sie auf sittliche Eigenschaften bezog und die Elfen beider Art wurden verwechselt. Daß aber in Deutschland der Begriff der Lichtelfen vorhanden, ja vielleicht gerade im Gegensatz zu der spätem Zeit der allgemeinere war, zeigt nicht bloß die vorhin auseinander gesetzte Verwandtschaft des Worts mit dem lateinischen albus, sondern auch der Umstand, daß seit der Bekehrung das christliche engil ebenso wie früherhin alp zu Namenbildungen gebraucht wurde und insoweit an seine Stelle trat, z. B. Engilrîch, Engilhart, Engilgêr u. s. w. Bei den Angelsachsen zeugt die Zusammensetzung älfscîne, d. h. leuchtend wie ein Elfe.

Für die Mischung beider Arten gibt Elberich das beste Beispiel ab. Sein Name verrät schon seine Abkunft, er heißt in den Nibelungen (1985) wie im Otnit (Str. 127 bei Mone) ein wildez getwerc, schmiedet und haust in Berghöhlen, und gleichwohl erscheint er geistig überlegen und äußerlich glänzend, wo er in letzterm Gedicht, dessen Hauptperson er eigentlich ist, auftritt. In Norwegischen Sagen wird es noch ausgedrückt, daß der Zwerg körperlicher und weniger geistig ist, als der Elfe; je genauer er aber in Verbindung mit dem Menschen kommt, desto menschlicher werden auch seine Bedürfnisse. Als Hausgeist dient er um Speise und Kleider, während er wunderbare Dinge verrichten kann und ist beides, ein hilfsbedürftiges und ein übermächtiges Wesen.

Die Ausdrücke Wichte, Schrate, Schretlein bezeichnen gleichfalls nichts anders, als die Kleinen, Unterirdischen oder Zwerge, wiewohl sich leicht an jede besondere Benennung eine besondere, oft schwer zu bestimmende leise Nebenbedeutung hängt. Wir teilen die Stellen mit, wo wir diese Namen gefunden haben:

Glossae lindenbrog. 995a fauni, silvestres homines: waltscrechel, die im Wald herumspringen. - 996b larvae, lares mali: screza. - gl. vindob. larvae: screzzol scraito. - gl. trev. screiz, larvae, von späterer Hand dabei geschrieben: klein herchin (Herrchin) - Barlaam 251, 11. ein wilder waltschrate und Alt. Wälder III. 225. wo es für Faun steht. Schretel im Cod. palat. Nr. 341. f. 371. - Titurel 190. sie (die Minne) ist villîhte ein schrat' ein geist von helle. - Hans Vintlers Tugendbuch vom Jahr 1411 (nach der gotha. Handschr.):

- etliche die jehent,
daz schretlîn daz si ein kleinez kint
unde sî als ringe als der wint
unde si ein verzwîvelôter geist. (d. h. gefallener Engel)

Bei Scherz Vocab. 1482. schretlîn, penates.

Dem deutschen und angelsächsischen wiht entspricht das nordische vaettur; hollar vaettir, holdgesinnte Geister, werden in der Edda (Oddrûnar grâtr VIII.) angerufen, wihtel im Cod. palat. Nr. 341. - Wolfdieterich Str. 789. 799. kleinez wihtelîn - Liedersaal I. 378. 380. kleinez wihtelîn, ez moht kûme elnlanc sîn. - Vocab. 1482. wihtelîn, penates, vgl. gl. blas. 87a wihsilstein (penas) vielleicht wihtilstein? doch haben gl. trev. 36b wihilstein.

Auch das Wasser wird von Elfen bewohnt und da das Element glänzend und durchsichtig ist, so scheinen sie zu den Lichtelfen gerechnet zu werden. Sie heißen Nixen, Nökken (althochd. nihhus, Pl. nihhussâ, bei Conrad von Würzburg Man. Samml. II. 200b die vertanen wazzer-nixen.), Wassermänner und Wasserfrauen, Schwanen-Jungfrauen und da diese Schwanengewänder tragen und wie Vögel über dem Wasser schweben, so folgt schon daraus, daß sie nicht zu den schwarzen Elfen gehören.

Jene christliche Ansicht vieler, vorzüglich schottischer und dänischer Sagen, welche die Elfen als Heiden und Genossen des Teufels schildern, wenn sie gleich auch bei den Dichtern des Mittelalters Eingang gefunden hat, wie mehrere der bisher angeführten Stellen beweisen, ist doch nicht überall durchgedrungen. Dem Zwerg, der bei Ottokar von Horneck dem Scherfenberger erscheint, wohnt christlicher Glaube bei (Deutsche S. Nr. 29.). Elberich selbst ist ein Christ (Otnit, Strophe 283.) und hilft sogar die Heiden bekehren und taufen (Str. 351. u. 504). In den noch umgehenden deutschen Sagen werden.sie häufig als gute, wohlwollende Geister und namentlich als Christen betrachtet, sie beten, ermahnen die Menschen zur Frömmigkeit, hassen Fluchen und Gotteslästerung und zürnen heftig, wenn man sie für teuflischen Spuk hält. Ein Hausgeist sagt das Gebet des Herrn und den Glauben her (Deutsche Sagen I. S. 113), doch nicht ganz vollständig, indem er einiges undeutlich murmelt, während der schottische Elfe, der sich mit dem Geistlichen unterhält, einiges ändert (Vgl. unten die Anmerkung zu Nr. 4.).