Der Palmsonntag.

Der Palmsonntag, welcher die ernste und geheimnisreiche Karwoche einleitet, gehört zu den beliebtesten Tagen des bäuerlichen Festkalenders. Den Mittelpunkt der kirchlichen Feier bildet bekanntlich die Weihe der Palmen und die sich anschließende Prozession, welche den Einzug Christi in Jerusalem darstellen soll. Auf diesen Umzug freut sich besonders die männliche Jugend, denn was den Mädchen das Kranzaufsetzen am Fronleichnamstage, das ist den Buben das Palmtragen.

Die Palmen, welche von jung und alt getragen werden, sind nach den Gegenden verschieden, wie auch die Weihe derselben nicht überall mit der gleichen Feierlichkeit vor sich geht. Im tieferen Etschtal und im Burggrafenamte hat man meist nur einfache Ölzweige, sowie Zweige der Sal- oder Palmweide (Salix caprea) mit den silberweißen wolligen Blütenkätzchen. Erstere kauft man beim Krämer oder von den Welschen, welche sie um diese Zeit in ganzen Ladungen auf ihren zweiräderigen Karren vom Süden zuführen, letztere läßt man von den Kindern im nahen Rain oder Wald schneiden. Gewöhnlich aber befindet sich im Hausgarten des einen oder anderen Gehöftes ein veredelter Weidenstrauch oder "Palmstock" gepflanzt, von dem die Hausgenossen und Nachbarn ihren Bedarf holen. Macht man größere "Palmbüschel" oder "Palmbesen", wie es in Pustertal, Karnten und Steiermark der Fall ist, so werden zu den Palmkätzchen auch Kranewit- und Sävenbaumzweige gebunden; denn diese dürfen nach altem Glauben nicht fehlen. Alte Weibchen binden wohl auch noch allerlei vornehme Kräuter dazu, wie z. B. Wermut, Wohlgemut und Rauten, dann die altheilige Mistel und die Zweige der hochverehrten Haselstaude. In der Gegend von Salurn werden auch Stechpalmzweige, sogenannter "wilder Lorbeer", dazu gegeben. Im Eisaktale, auf dem Mittelgebirge von Kastelrutt besteht der "Palmschab" aus einem Weidenbäumchen, von dem man die unteren Äste weghackt und die oberen zu einem "Schab" (Schaup) zusammenbindet. Die schönsten Palmen hat man im Inntal, besonders im oberen, sowie in rein alamannischen Alpengebieten. Auch die in der Gegend von Sterzing sind reich geschmückt. Deshalb trägt auch die Feier der Palmweihe in diesen Bezirken einen äußerst heitern und malerischen Charakter.

Die Palmen bestehen hier aus einer langen mit einem Seidenband umwickelten oder blau oder rot spiralförmig bemalten Stange, nach ererbtem Brauche von entrindetem Haselholz. Der obere Teil ist mit Buchszweigen umwunden. Am abwärts gebogenen Wipfel bilden Weidenruten nebst den Zweigen des Sävenbaumes und der Stechpalme einen Büschel. Vom Grün bekommt man indes wenig zu sehen, denn Goldflitter und buntfarbige rauschende Seidenbänder und Schleifen bedecken es vom Gipfel bis zur Mitte. Meist baumeln auch kleine Vretzeln, die für diesen Zweck eigens gebacken weiden, rotbackige Äpfelchen, Skapuliere und Amulette zwischen dem flatternden Schmucke. Die größeren Burschen tragen "Palmlatten", sehr hohe Stangen, die an der oberen Hälfte mit Buchs und Efeugewinden verziert sind. Den Hauptprunk aber bildet das sogenannte "Zwift", das der Palmstange oder "Palmlatte" aufgesetzt wird und wie eine riesige Hahnenfeder herabnickt. Es ist dies eine möglichst lange und starke Gerte von der Weide, meist aber vom "Pfroslen"- oder Wildrosenstrauch, der besonders im Oberinntal häufig vorkommt. Diese Rute wird zuerst im Wasser erweicht, dann, oft mittels eines darangehängten Steines gebogen, so daß sie, wenn sie trocken ist, die krumme Form behält. Dann wird sie an beiden Enden mit Buchs und Palmkätzchenbüschen versehen und mittels schmaler gespaltener Weiden "Erdboom" (Efeu) mit einzelnen Blättchen umgebunden. Dieses tief herunterhängende schwankende "Zwift" verziert man dann mit Äpfeln, Bretzeln und bunten herabfallenden Bändern. "Wie schöner er hängt, desto mehr gilt er."

Die größte Sorgfalt wird jedoch auf den "Gemeindepalm" verwendet, welcher der Stolz der Burschen ist und wobei die Dörfer, die zur selben Gemeinde gehören, miteinander wetteifern, wer den größten Palm zur Weihe bringt. Schon einige Wochen vorher wird von den Burschen ein möglichst langer und dünner Föhren- oder Fichtenstamm im Walde ausgesucht, entästet und geschält und an der Sonne vorsichtig getrocknet, damit er sich nicht krümme. Oft werden sogar zwei oder drei solcher Stämme aneinander gefügt, um einen recht hohen Palm zu bekommen. Dann wird er unter Jubel ins heimatliche Dorf getragen und mit einem riesigen "Zwift" geschmückt.

Die Palmen überhaupt, und vor allem der "Gemeindepalm", haben eine bedeutende Höhe und das Tragen derselben erfordert eine große Stärke, besonders wenn es aufwärts geht oder der Wind das schwankende "Zwift" oder den Palmwipfel hin- und hertreibt. Deshalb wird zum Tragen desselben der stärkste Bursch ausgesucht und selbst diesem rinnt der Schweiß in hellen Tropfen herab. Es ist auch leicht begreiflich, wenn man bedenkt, daß manche dieser Palmen bis zur Decke der Kirche reichen, ja, der "Gemeindepalm" sich nicht selten über das Kirchendach biegt. Gewöhnlich gehen drei bis vier Kameraden nebenher, welche den Träger ablösen und unterstützen, damit der Palm nicht zum Gelächter der ganzen Gegend umkippe. Denn dies ist für ein Dorf die größte Schande und der unglückliche Träger bringt den Spottnamen "Palmesel" nicht mehr vom Halse.

Schon geraume Zeit vor dem Gottesdienste ist es in der Dorfgasse lebendig. Vom kleinsten Knirps in den ersten Höslein, der vom Göt (Pate) geführt zur Kirche trippelt, bis zum hochgewachsenen Burschen trägt jeder stolz seinen Palm zur Weihe. Das ist ein Gewühl der gaffenden und flüsternden Jugend, ein Streit und Wetteifer, wessen Stange hoher, wer den größten und schönsten Palm trage, also "Palm-robler" sei oder, wie es im Oberland heißt, den "Prost" habe. Um dies zu erproben, werden die Palmen nebeneinander an die Kirchenmauer oder an das Wirtshaus gelehnt, wohl auch auf die Erde gelegt, um zu messen, wer den ersten, zweiten, dritten bis sechsten "Prost" habe.

Endlich läutet die Glocke und alles drängt sich zur Kirchentüre hinein. Die großen Palmen hineinzutragen ist oft eine schwere Sache. Aber auch drinnen in der Kirche braucht es lange, bis Ruhe wird, denn der Wettstreit wird drinnen noch fortgesetzt, und nach alter Sitte schlagen die Burschen ihre Palmen mit den "Zwiften" zusammen, vorzüglich um die Bretzeln einander herabzuhacken. - Die gottesdienstliche Handlung beginnt, den Einzug in Jerusalem darstellend. Wie ein wandelnder Wald wogt die rauschende und schwankende Palmprozession durch und um die Kirche. Weit schöner noch ist dieser Vorgang dort, wo die Weihe, wie es früher fast überall üblich war, von der Kirche entfernt im Freien auf einem Hügel, meist dem Kalvarienberg, vorgenommen wird, wohin die Prozession in langem bunten Zuge wandelt. So ist es z. B. noch in Imst. wo die Palmprozession einen rührenden Eindruck macht. Alles zieht, die Weiber mit den Kindern auf den Armen, die Palmen und Ölzweige in den zarten Händchen tragen, hinauf aufs "Bergle" (Kalvarienberg), wo früher beim sogenannten Palmkappele die Weihe vorgenommen wurde. Da soll es sich auch einmal ereignet haben, daß ein riesiger Palm von der Reitermühle, also vom Tale aus, bis hinauf zur "Palmkapelle" gereicht und mit dem "Zwift" dem die Weihe vornehmenden Priester um den Kopf gebaumelt habe.

Bei dieser Prozession in Imst wurde auch noch vor nicht so langer Zeit auf einem ziehbaren Wagengestell ein Christusbild, auf einem geschnitzten Esel sitzend, in blauem Mantel mit dem Ölzweig in der Hand mitgeführt. Hiebei ereignete sich einmal in grauer Vorzeit ein Zwischenfall, der den Imstern den Spitznamen "Suppenburger" eintrug. Als sie nämlich am Palmsonntag den hölzernen Esel mit Christus "übers Bargle" hinaufzogen, während Bürgermeister und Magistrat voll Würde hinterher schritten, geschah es, daß der Palmesel "derletzget" (beschädigt) wurde, d. h. daß ihm ein Fuß auskegelte und in tollen Sätzen "übers Bargle" hinabkollerte. Unten stehen ein paar Häuser und da wollte es der Zufall, daß der Fuß durch einen Schornstein herab gerade in einen Suppentopf fiel. Die Kunde von diesem Ereignis verbreitete sich blitzschnell in Imst, und bald kam die ganze Stadt, um von der "geweihten" Suppe zu holen. Seit dieser Zeit heißen die Bürger von Imst die "Suppenburger". Nun, die wackern Imster haben in Kunst und Wissenschaft so Erkleckliches geleistet - es sei hier nur auf die Bildhauer Xaver und Franz Xaver Renn, auf des letzteren Schüler Professor Herm. Klotz, auf Grissemann und Christ. Plattner, auf die Maler Mages, Wittwer, Stadler und Thomas Walch, von Gelehrten und Schriftstellern auf den Germanisten, Universitätsprofessor Josef Schatz, den verdienstvollen Erforscher der Tiroler Mundarten, auf den Volksgeschichtenschreiber Karl Deutsch etc. verwiesen - daß sie das ihnen aufgedichtete Schildbürgerstückchen, wie es in anderer Form fast jeder tirolischen Ortschaft anklebt, leicht verschmerzen können.

Diese Sitte des Palmeselumzuges war früher allgemein verbreitet wie sich aus der Überlieferung feststellen läßt. So wird dieser Umzug in Bregenz schon 1445 erwähnt; ebenso kommt der Palmesel in Hall schon im 16. Jahrhundert vor und wurde noch in den fünfziger Jahren in feierlicher Prozession um die Kirche geführt. Auch in Brixen, Sterzina und Schlanders war er im Schwange. Mit besonders lebhafter Darstellung wurde der Umzug des Palmesels bis in die dreißiger Jahre zu Lienz im Pustertale gefeiert. Da zog nach der Palmenweihe Christus, auf dem Palmesel sitzend, vom Meßner und acht Ministranten begleitet, durch die Gassen der Stadt, umwogt von der Menge jubelnder Kinder und andächtiger Weiber, die den blauen Rock Christi küßten. In jedes Haus kehrte er ein. Dort wurde ein Lied angestimmt und dann flossen die reichlichen Gaben an Lebensmitteln, Brot, Flachs etc. in den Sack des glücklichen Meßners, für den dieser Umzug eine Art Zufallsgebühr bildete. Der Umstand, daß bei dieser Art von Palmprozession viel Unfug einriß, mag mit dem Entschwinden des naiven Sinnes für derlei bildlich dramatische Darstellungen biblischer Vorgänge das Fallenlassen dieses schönen Brauches veranlaßt und beschleunigt haben 1).

Gegenwärtig wird der Umzug mit dem Palmesel in den Alpenländern meines Wissens nur mehr im Dorfe Taur bei Hall gehalten, wo man vom genannten Orte zum Taurer Schloß hinaufzieht, von dort zum Dorfe Rum absteigt und dann wieder nach Taur zurückkehrt. Wir wollen den Vorgang näher besichtigen. Nachdem am Palmsonntag vormittags die Palmweihe stattgefunden hat, setzt sich der Palmesel mittags Punkt zwölf Uhr in Begleitung einer großen Volksmenge unter Glockengeläute von der Pfarrkirche in Taur aus in Bewegung. Der Zug sieht merkwürdig genug aus. Zuerst erscheint, gezogen von 26-30 Kindern, die wie an einer Strickleiter paarweise hinter einander angespannt sind, auf vierräderigem niederen Wagengestelle Christus, auf dem Esel sitzend, fast in Lebensgröße aus Holz geschnitzt. Er ist mit einem wirklichen braunroten Rocke bekleidet, der Mantel darüber ist hochrot. Seine Linke trägt einen Palmzweig, die Rechte hält er segnend erhoben. Hinter dem Palmesel folgen Knaben mit buntgeschmückten Palmen und blühenden Palmweidenzweigen (Salix caprea), dahinter kommen die ernsten Männer, darauf der Priester mit dem Kreuzpartikel in der Hand. Dieser bunte Zug der Palmträger und Beter, der die frischgrünen Hügel hinanwallt, während ringsum das erneute Leben aus tausend und tausend Knospen bricht und oben im Blau die ersten Lerchen trillern, hat für den Beschauer etwas ungemein Anregendes und Poetisches. Oben unweit des Taurer Schlosses wird der Palmesel im einsamen St. Romedikirchlein eingestellt und der Meßner singt mit den zwei Ministranten das Salve regina. Hierauf erteilt der Priester den Segen und der Zug bewegt sich wieder in der gleichen Ordnung unter lautem Beten der Menge gegen das Dorf Rum hinab. Unten ist schon alles in freudiger Erwartung. Die Hügel und Raine am Wege, woher die Prozession kommt, sind mit Gruppen von Leuten, Burschen und Mädchen im Sonntagsschmuck, malerisch besetzt. Sobald man den Zug erblickt, geht man ihm mit wehenden Palmen in Begleitung des Priesters von Rum entgegen; unter Glockengeläute hält die Prozession in Rum ihren Einzug. Während nun in der Kirche ein deutsches geistliches Lied gesungen und der Segen erteilt wird, geht es vor dem Schulhause kunterbunt zu. Darin stehen nämlich zwei große Säcke mit Bretzen, welche nach der Andacht unter die "Zieher" und andere Kinder im Schulzimmer zur Verteilung kommen sollen. Endlich öffnet sich die Tür und wie ein entfesselter Strom drängt sich der Haufen der "Eselzieher" und der übrigen Dorfrangen in die große Schulstube, wo die Abfütterung vor sich geht. Nach diesem äußerst possierlichen Zwischenspiel ordnet sich der Zug aufs neue und kehrt in der gleichen Weise nach Taur zurück.

Ich habe mir Mühe gegeben, etwas über den Ursprung dieser Bretzenspende zu erfahren, da dieselbe auch an anderen Orten so z. B. im schwäbischen Altenrieth, vorkommt, hörte aber bloß, daß sie seit Menschengedenken bestehe und in früheren Zeiten durch Baron Sternbach, der das Pfandgericht Taur besaß, durch den Bauer Faistenberger und durch die Gemeinde Rum infolge eines "Onus", das auf ihrem Zehentbezuge gelastet habe, geleistet worden sei. Wirklich erzählte mir ein alter Taurer, daß er sich noch gut erinnere, wie der Knecht des Faistenberger an der sogenannten Klause unterhalb des Schlosses mit einem Bretzensack gestanden sei, um die "Palmzieher" zu stärken; auch habe der Lehrer damals als Organist und als Lehrer ebenfalls je 12 Bretzen bekommen, überdies 24 Kreuzer Reichswährung für jede dieser Prozessionen. Von dieser löblichen Sitte ist man jetzt leider abgekommen und der Bretzen, deren Verteilung gegenwärtig nur mehr eine milde Gabe für die Kinder ist, werden auch immer weniger. Ebenso hat die Beteiligung der Mädchen an der Zugtätigkeit, was sich allerliebst ausnahm, angeblich wegen Streitigkeiten zwischen den beiden Geschlechtern aufgehört. So bröckelt Steinchen um Steinchen von diesem schönen Brauche, bis er endlich ganz verschwindet, wie es an den anderen Orten, wo früher derartige Umzüge stattfanden, der Fall war.

Dieser Palmumgang von Taur ist übrigens auch noch in anderer Hinsicht interessant, weil wir darin noch eine alte christianisierte "Flurbegehung" oder Flurprozession haben, bei welcher durch Umzug um die Felder und Palmung der Segen des Himmels herabgefleht wurde. An allen übrigen Orten begnügt man sich mit der einfachen Einsegnung der Palmen, die oft erst nach Evangelium und Predigt stattfindet. Nebst den Knaben und Burschen bringen aber auch die Erwachsenen Weiden- und Ölzweige oder auch Palmbüschel, jedoch ohne Schmuck mit zur Kirche. Auf diese geweihten Palmbüschel setzt man großes Vertrauen und glaubt sich durch sie gegen alle möglichen Unglücksfälle, gegen Viehseuchen, Feuer und besonders Gewitterschäden gefeit. Zieht im Hochsommer drohendes Wettergewölk am Himmel auf, so wirft die gläubige Hausmutter etwas vom "Hauspalm" in die Herdflamme, dazu Taubnesseln, damit der Rauch letzterer den bösen Wetterhexen in die Nase steige und jedes derartige Unheil abwende. Daher "palmt" man auch alles, Haus, Dachboden, Stall und Tenne, Garten und Felder, d. h. es werden überall solche Zweiglein nach bestimmter Vorschrift aufgesteckt und eingegraben. Damit aber die Weihe wirksam sei, müssen auch Karsamstagskohlen dazu kommen. Das Geschäft des "Palmens" wird daher erst in den zwei Osterfeiertagen vorgenommen.

Im Eisaktal wird der Öl- oder Palmzweig hinter die Füße des Christusbildes in der Eßstube gesteckt, wo er bis zum andern Jahr bleibt; im Pustertal hängt man ihn in den Hausgang. Im Unterinntal wird der "Palmwedel" am Dreikönigstag an den Stall genagelt. Überhaupt bleibt der "Palm" wenigstens eine Woche im Hause. Der große Palm aber, den der Sohn des Hauses getragen, wird zuerst des Blätterschmuckes entledigt und dann durch ein Loch in der Tenne wagrecht hinausgesteckt. Geht man um die Osterzeit durch eine unter- oder oberinntalische Dorfgasse, so sieht man überall an den Tennen die Palmen heraushängen. Dort bleibt er das ganze Jahr, bis Wind und Regen zuletzt nur die nackte Stange übrig lassen. Die wird dann wohl auch für die künftige Palmweihe aufbewahrt. Der Gemeindepalm aber wird, wenn er den "Prost" hat, stolz auf dem Dorfplatz aufgepflanzt und bleibt da einige Zeit lang stehen.

Daß sich an den Palmsonntag allerlei abergläubische Bedeutung knüpft und den geweihten Palmen Kräfte zugemutet werden, die über den Machtbereich des Segens hinausgehen, darf beim Alpenvolke, selbst gegenwärtiger Geschlechtsfolge, nicht befremden. So bewirkt Weizen, den man in einem Säckchen in den Palm steckt und dann den Hennen zu fressen gibt, daß sie weder der Geier verträgt, noch der Fuchs frißt. Dasselbe vermag ein Palmzweiglein, das man ins Loch steckt, durch das die Hennen ein- und ausspazieren, oder wenn man mit einem solchen Zweiglein dreimal ums Haus läuft. Mit einer geweihten Palmrute kann man, wie der Wipptaler sagt, auch Diebe "stellen" und das gestohlene Gut wiederbringen machen. Allgemein ist der Glaube, daß das Verschlucken von drei Palmkätzchen - wünsche guten Appetit! - den an Halsweh Leidenden zeitlebens von seinem Übel befreie. Wirklich ist diese ganz unsinnige Sitte nicht nur in Tirol, sondern besonders in Kärnten sehr verbreitet und es wird daselbst, wie Lexer berichtet, wenn auch nicht drei so doch "wenigstens ein Palmkätzchen von jeder Person verschluckt". Von großer Wichtigkeit ist den Bauern ferner das Wetter am Palmsonntag, denn eine alte Bauernregel sagt:

Schneit's am Palmsonntag in die Palmen,
Schneit's später in die Garben

und:


Wenn's schneit in die Palm',
Schneit's die Küh' von der Alm,

d. h. dann muß das Alpenvieh oft schon während des Sommers in die tiefer gelegene "Schneeflucht" getrieben werden.

1) Über den "Palmesel" vergleiche man den gediegenen Aufsatz von Richard v. Strele in der Zeitschrift des D. und Ö. Alpenvereins vom Jahre 1897, S. 135 ff.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 44 - 53.
Frakur-OCR korrekturgelesen von Carsten Heinisch