Ostereier und Ostereierspiele.

Der Gebrauch, sich gegenseitig mit Ostereiern zu beschenken, ist, wie bereits erwähnt, auch in Tirol allgemein üblich. In vielen Gegenden erhalten der Pfarrer, der Meßner und der Schullehrer Ostereier als Abgabe, entweder in wirklicher Gestalt oder in Geld unter obigem Namen. Meistens werden dieselben von Haus zu Haus eingesammelt. Von der Hochhaltung der "Gründonnerstagseier", also solcher, welche am "Weihenpfinstag" gelegt wurden, haben wir schon bei Beschreibung der "Karwoche" gehört. Ebenso werden am Gründonnerstage die Ostereier gefärbt und gesotten, mit denen sich dann die Hausgenossen beschenken. Gewöhnlich sind auf den roten Grund mit Scheidewasser Blumen, Osterlämmchen oder lehrreiche sowie komische Sprüche, meist in haarsträubender Rechtschreibung darauf gezeichnet. Größere Bedeutung gewinnt das gegenseitige Beschenken mit Ostereiern bei der reiferen Jugend, weil dabei die Liebe eine ausgezeichnete Rolle spielt und manches Herzensglück durch Ostereier und deren Verse geschaffen oder zertrümmert wird. Es beschenken sich sowohl Burschen und Diendlen, die bloß miteinander bekannt sind, als solche, zwischen denen ein "Dechtlmechtl" oder ein bereits erklärtes Liebesverhältnis besteht; die Ostereierverse sind daher eine willkommene Gelegenheit, die eigene Gesinnung dem andern merken zu lassen. Ich will nur eine kleine Blütenlese dieser bäuerlichen Verliebtheit hiehersetzen und zwar, um den Duft der Ursprünglichkeit nicht zu verwischen, wörtlich, wie ich sie mir abgeschrieben. Häufig ist es bloße Höflichkeit und Aufmerksamkeit, hinter der sich die erste schüchterne Annäherung verbirgt:


Ich wünsch' gute Ostern
Und viel der guten Zeiten,
Ein ring's (leichtes) Gemüth, ein frisch Geblüt
Und Glück von alten Seiten.


Rosen, Dulben, Nelken,
Und alle Blumen welken.
Nur dein Glieck alein
Soll stets blihend sein.


Ich gebe dir ein Ostereu,
Zu ein Angedenken,
Und wenn du es nicht willst,
So kannst du es verschenken.


Ich bin ein frischer Jeger
Beim Kaiser Regamend
Und hab mir mit schüsen
Mein Ratz'n verbrend.


Ich bin eine Kellerin vir jeder man,
Der Ist und Trinkt und zalen kann.


Wir wünschen dir zum Osterfest
Ein Dußend Eir im Vogelnest.


Hier geb ich dir ein Osterei,
Unser Henn hat zweierlei:
Ein solches für den guten Freund,
Eins dem, der es nicht redlich meint.

Bei einem anderen Paare ist das Verhältnis schon weiter vorgeschritten:


Freindschaft habe ich dir versprochen.
Und noch nie mein Wort gebrochen,
Zum Zeichen meiner Treu
Schenke ich dir ein Osterey.


Ich liebe den Wein,
Das Medchen Vor allen,
Weil sie mir alein
Zum besten Gefallen.


Was ich hab, das geb ich dir,
Vieles Hab ich nicht,
Nimm dies als kleine Gabe Hin,
Als ein Vergißmeinnicht.


Ein Hütchen, ein Stübchen,
Darinnen ein Liebchen,
Wäre der Platz auch noch so klein,
Für zwei Liebchen würde er groß genug sein.


Ein treues Herz das hab ich schon,
Das will ich dir auch schenken,
Schön und reich das bin ich nicht,
Das macht dir kein Bedenken.


Die Lieb' ist groß, die Gab' ist klein.
Damit sollst du zufrieden sein.


Mein Herz das brend wie eine Glud,
Möcht wissen, was das deine thut.


Du talgater Bua,
Kommst vor fragen nit dazu.
Wenn d' a Bußl willst haben,
Mußt mi nit so lang fragen.


Flig hin, du schönes Ey
Zu meinem Schatz ins Haus,
Frag, was er hat im Sinn,
Richte den Gruß fein aus.


Willst du mich herzlich lieben,
So stell es heimlich an,
Damit, was wir uns denken,
Niemand errathen kann.


Bleib heimlich du der Meine,
Genug, daß ich es weiß,
Ich bleibe stets die deine.
So war ich Rosa heiß.


Geh i oft a no schüßen,
Thu i öfter an Schuß,
Geh i öfter zum Dienal,
Krieg i öfter au Kuß.


Lieben und geliebt zu werden,
Ist die größte Freid auf Erden.


Lieben und nicht (nichts) haben,
Ist herter, als Stein graben.

Auf die Zärtlichkeit folgt Schmollen, Eifersucht, Klagen über Untreue; manche Anfrage wird gleich anfangs mit kühlen Worten oder mit herbem Spott zurückgewiesen:


Ja, ja und na, na
I möcht und i muß,
Ist oft dein ganzer verliebter Diskurs.


Ich hätte schon einen andern kriegt,
Wär ich ach! nicht in dich verliebt.


Mennertreu und Rosenbleter
Gleichen den Aprüll Weter.


Wenn ich deiner soll vergesen.
Soll mich gleich der Wauwau fresen.


Halbs Zinn und halbs Blei,
Und halbs lieb i di treu,
Und halbs lieb i di falsch
Und i sag dir nit alls.


Dein Liebe halte ich für gering,
Sie flattert ja herum wie Schmetterling.


Etwas hab ich auf dem Herzen,
Was ich vertraue diesem Ey:
Es macht mir gar so große Schmerzen,
Daß du liebest unser zwey.


Daß ich dich gern Hab,
Das ist kein Zweifel,
Das du oft andere hast,
Das ist der Deufel.


Ich liebe dich in der bestendigkeit,
Von 11 Ur bis es 12 Ur Leit.


Die Freundschaft ist ewig.
Die Liebe vergeht,
Darum las mich welen,
Was ewig bestet.


Einen Jüngling lieb ich, wenn ich muß.
Aber nicht einen alten Sindicus.


Ich liebe dich mit einer Treu,
So kugelrund wie dieses Ei.


Ich bin verliebt bis in den Tod,
Aber nicht in dir, du schwarze Krot.

Auch für fromme Seelen ist durch erbauliche Sprüche gesorgt, z. B.:


Willst du mit Jesu Rosen brechen.
So achte nicht das Dornen stechen.

Der Vorrat an solchen Ostereiversen ist unerschöpflich, und sollte er einmal ausgehen, so greift man zum nächsten passenden Schnadahüpfl, wie: A Büchserl zum Schießen etc. oder zu einer bekannten Liederstrophe, z. B.: A Busserl ist a g'spasigs Ding usw.

Die Ostereier geben auch Veranlassung zu mancherlei Belustigungen. Ein sehr beliebtes derartiges Spiel ist das "Eierklauben", wie es im Oberinntale nächst dem Dorfe Zams stattfindet. Die Dorfburschen betteln schon am Tage zuvor von allen Bäuerinnen eine tüchtige Anzahl Eier zusammen. Diese tragen sie am Osterdienstag, an dem gewöhnlich das Spiel abgehalten wird, in einem Korbe auf eine weite freie Wiese unfern des Dorfes. Dort werden auf einem runden, mit einer Schichte Sand bedeckten Platze die Eier, 170-175 an der Zahl, derart hingelegt, daß jedes fünf Schuh vom andern entfernt ist und auf je zehn ein gefärbtes kommt. Der Korb steht daneben. So lang als an diesem Tage dünkt wohl keinem je der Nachmittagsrosenkranz, denn beim letzten Segengeklingel ist schon die ganze Kirche leer und alles eilt, so schnell es die Füße erlauben, auf den Spielplatz, wo sich bereits eine unabsehbare Menge Zuschauer von allen umliegenden Ortschaften eingefunden hat.

Endlich kommt die Spielgesellschaft selbst, welche oft aus einigen achtzig Köpfen besteht. Sie ist in zwei Heerlager geteilt, an deren Spitzen sich einerseits zwei Schnellläufer, andererseits der "Eierklauber" befindet. Die Übrigen erscheinen in einem Aufzuge, als gälte es noch einmal Fastnacht zu halten. Türken, Mohren, Zigeuner, Dörcher, Hexen, wilde Männer usw. in den seltsamsten Verkleidungen, welche die bäuerliche Phantasie aufbieten konnte, sieht man da in rüderlicher [brüderlicher] Eintracht mitsammen verkehren. Den Hauptegenstand [Hauptgegenstand] der Aufmerksamkeit bilden jedoch die Schnellläufer und der Eierklauber. Alle drei sind sehr leicht gekleidet, mit Blumen und Bändern geschmückt und um die Mitte fest geschnürt, um sich, wie sie sagen, vor Rücken- und Seitenstechen zu bewahren.

Ist nun die ganze Spielgesellschaft auf dem Platze versammelt, so gibt der "Herold" zur bestimmten Stunde das Zeichen zum Anfange und der Wettkampf beginnt. Während der Eierklauber jedes Ei einzeln auflesen und in den Korb legen muß, wobei er nur drei Eier zerbrechen darf, eilen die Läufer über die Zamser Innbrücke nach Lötz, Perjen (Ortschaften im Oberinntale), über die Purschler Brücke nach Landeck und von da wieder nach Zams zurück zum Eierkorbe. Auf der Hälfte des Weges rasten sie einen Augenblick, um eine "Halbe" Wein zu trinken. Dieses angestrengte Laufen und schnelle Trinken ist begreiflicherweise sehr schädlich. So ereignete sich vor beiläufig 60 Jahren in Starkenbach der Fall, daß ein Läufer auf der Hälfte der Bahn beim Weintrinken wie tot umfiel und einige Wochen darauf starb. Langt ein Läufer eher, als das letzte Ei im Korbe liegt, auf dem Kampfplatze an, so hat seine Partie gewonnen und die andere muß die Kosten des Spieles und des darauf folgenden Festmahles bestreiten; wird aber der Eierklauber früher fertig, so tritt der entgegengesetzte Fall ein. Stürmischer Jubel und Beifall der Zuschauermenge begrüßt den Sieger. Auch werden auf den mutmaßlichen Ausgang des Spieles häufig Wetten gemacht. Obwohl der Weg nach Landeck über eine Stunde beträgt, gewinnt doch meistens einer der Läufer den Vorsprung, denn das Auflesen der 175 Eier, ohne sie zu zerbrechen, ist eine äußerst langsame Arbeit.

Damit ist aber das Schauspiel nicht zu Ende, sondern es fängt erst recht an. Unter den Türken befindet sich einer, der sich vermöge seines abenteuerlichen Anzuges als Sultan kennzeichnet. Dieser tritt nun mit majestätischem Schritte in die Mitte des Platzes und fragt die ihn umgebenden Masken mit erhobener Stimme: "Sagt an, was gibt es Neues in Zams, Landeck, Fließ, Grins, Stanz und Schönwies?" Auf diese Frage treten die "Spieler" einer nach dem andern vor und erzählen. Wer nun das Jahr hindurch einen dummen oder boshaften Streich gemacht, jemanden betrogen oder eine heimliche Liebschaft "angebandelt" hat, dem wird die Hölle heiß gemacht. Alles kommt da ans Licht, denn die Burschen haben sich schon lange die größte Mühe gegeben, es auszuspionieren. Es gibt arge Witze und nicht endenwollendes Gelächter. Schließlich marschiert die spielende Gesellschaft mit zahlreichem Gefolge ins Wirtshaus. Dort backt die Frau Wirtin aus den 175 Eiern einen riesigen Pfannkuchen, der gemeinschaftlich verzehrt wird. Bei Wein und Tanz vergnügt man sich dann, bis der helle Morgen durch die Fenster scheint. Beim sogenannten Tschallener, einem Bauernhause in Telfs, soll sich noch ein altes, ohne Zweifel auf diese Sitte bezügliches Gemälde befinden, das einen Mann darstellt, der auf einem Korbe sitzt und dem kritischen Geschäfte des Eierlegens obliegt.

Der meiste Schabernack aber wird beim "Ostereierfahren" verübt, einem Brauche, der fast in ganz Tirol, besonders im Ultner- und Wipptale, am Ostermontag nachts zur Ausführung gelangt. Wie er zu dem Namen kommt, durfte schwer zu ermitteln sein, da die Ostereier, wenigstens gegenwärtig, damit in gar keiner Verbindung stehen. Das "Ostereierfahren" hat keinen geringeren Zweck, als durch unerklärliches Verrücken und Verstellen von allen möglichen Gerätschaften und Gegenständen sämtliche Inwohnerschaft des Dorfes an der Verläßlichkeit ihrer fünf Sinne zweifeln zu machen. Die Ausführung dieses Possenspiels liegt den Burschen des Dorfes ob. Zu diesem Behufe versammeln sich dieselben schon tags vorher und durchforschen mit der Nase eines Geheimpolizisten unbemerkt alle Häuser und Stadel, um Wohnungs- und Ackergerätschaften u. dgl. ausfindig zu machen. Schon dieses ist keine Kleinigkeit, denn erstens verräumt und versperrt der Bauer, den der Schabernack der früheren Jahre klug gemacht hat, alles, was sich nur immer verbergen läßt, und dann wollte ich es keinem solchen Auskundschafter geraten haben, sich bei seinem heimlichen Geschäfte ertappen zu lassen. Trotzdem fällt die Inspizierung in der Regel gut aus, zum Glücke der Hausbewohner, da im entgegengesetzten Falle der Mutwille der Burschen sich am Niet- und Nagelfesten außerhalb des Hauses vergreift.

Nachts nun, wenn sich der Schlummer über das Dorf ausbreitet, geht in größter Stille die koboldartige Tätigkeit der Burschen an. Die einen schlüpfen gleich Katzen durch irgend eine Dachluke in das Haus oder in den Stadel und reichen ihren Kameraden ausgehängte Wagendeichseln, Eggen, Karren, Dreschflegel, Worfeln, Flachsbrechen und ähnliches heraus. Diese Gerätschaften werden dann eiligst auf die umliegenden Felder verschleppt und zerstreut, meistenteils noch in ihre Bestandteile zerlegt und untereinander in die widersinnigste Verbindung gebracht. Andere haben unterdessen einen großen Düngerwagen, den der Bauer im Vertrauen auf seine Schwere vor dem Stalle stehen ließ, im Nu abgeladen, in seine Teile zerlegt, diese auf das Dach geseilt, oben wieder zusammengefügt und neu beladen, sodaß der schlaftrunkene Besitzer am Osterdienstagmorgen das seltsame Vergnügen hat, seine gigantische Parfümdose hoch oben auf dem Dachfirst paradieren zu sehen. Daß der Gefoppte beim schwierigen Herunterschaffen der Last den Störenfrieden gerade kein "Herr verzeihe ihnen" betet, darf man ihm wahrlich nicht verübeln. Noch ärger wird gehaust, wenn es den Spitzbuben gelingt, in einen Viehstall sich einzuschmuggeln, zu welchem Zwecke sich oft schon Tags vorher ein Bursche unbemerkt in den Stall schleicht und nachts das Pförtchen öffnet. Da sucht umsonst am frühen Morgen die Dirne den dreibeinigen Melkstuhl und die Melkkübel, und die ungeduldigen Kühe mit den milchstrotzenden Eutern stampfen und brüllen, sodaß einer besorgten Melkerin das Herz brechen könnte. Was soll der Lärm? Im großen Dorfbrunnen stehen schon seit drei bis vier Stunden die Melkkübel unter den frischen Wasserröhren, daß sie gewiß im ganzen Jahr nie so sauber gewaschen waren. Und damit der doppelte Weg erspart sei, schwimmt auch das Butterfaß im Trog daneben, und sieh da, zu oberst auf der Brunnensäule hat St. Florian über dem Helm noch den großen Milchhafen als Überhaube.

Doch das sind nur Kleinigkeiten, nur der Spuk, der am meisten in die Augen springt. Erst nach und nach entlarvt sich die Tragweite der nächtlichen Frevelei. Vor der Kirche steht eine ganze Schanze, eine Riesenbarrikade von Wagen, Gartentüren, Heimgartbänken, kurz von allem nur erdenklichen Dorfhausrat. Noch nicht genug. Dem Mair Much (Michel) fehlt sein neuer Ulmerkopf, der Nazenbauer schnüffelt mit seiner Granatnase nach allen Himmelsgegenden um sein hochrotes Regendach - denn ein rechter Tiroler Bauer trägt auch beim schönsten Sonnenschein sein hochrotes Leinwand-"Amprell" unter dem Arm - und der Nachbar Josef flucht schon eine gute Weile in den Morgenwind, denn seine "Gscheckete" ist nicht mehr im Stall. Die Häuserin des Herrn Kuraten, die gute alte Margareth, geht noch vor der Frühmesse "auf ein Sprüngl" in den Gemüsegarten, um jungen Nesselsalat für Mittag auszuziehen und einzuwässern, denn das ist dem Hochwürdigen seine Leibspeise. "O du blutiger Heiland!" schreit sie auf und macht einen "Hupfer". Da ruht Nachbar Josefs "Gscheckete" wiederkäuend mitten in den zerstampften und zerfressenen Salatbeeten und schaut der Widdums-Potentatin dankbarfromm ins verzweifelte Antlitz.

Trotz dieser und anderer Streiche und Unbequemlichkeiten ist der Schwank beim Landvolke dennoch ziemlich wohl gelitten, vorzüglich deshalb, weil erheblicher Schaden selten zugefügt wird und sich der ganze Nachteil der ins Mitleid Gezogenen schließlich auf die Mühe beschränkt, die ihnen das Zusammensuchen und Zusammenfügen der verlegten und zerlegten Gegenstände verursacht.

Die folgenden Tage der Osterwoche weisen in kirchlicher und volkstümlicher Hinsicht nichts bemerkenswertes auf.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 67 - 76.
Frakur-OCR korrekturgelesen von Carsten Heinisch