2. Das Fest.

Wenn wir in Folgendem eine Bauernhochzeit in Tirol mit ansehen, so sprechen wir selbstverständlich nicht von einer sogenannten "stillen", bei der außer den Brautleuten nur zwei Zeugen und der Brautführer anwesend sind, sondern von einer echten und rechten Bauernhochzeit, wo roter Wein in Fülle fließt und getanzt wird, "daß die Fetzen davonfliegen". Der Bauer liebt es, diesen wichtigsten Tag seines Lebens mit allem möglichen Glanz zu feiern. Selbst das arme Oberinntal bleibt in dieser Beziehung nicht zurück. Im heiteren Zillertal steigt die Zahl der geladenen Gäste manchmal auf vier- bis fünfhundert. Freilich vermag das Brautpaar solche Kosten nicht zu tragen, welche selbst der blühendsten jungen Wirtschaft einen empfindlichen Stoß versetzen würden. Die Sitte hat daher weislich vorgesorgt. Jeder Gast zahlt sich das Essen selbst und muß noch dazu bei seinem Erscheinen fünf "Zwanziger" bis zehn Kronen "weisen". Es sitzen nämlich an einem Tische Braut, Bräutigam, Brautvater und ein Schreiber beisammen, welcher letztere eine Aufzeichnung führt und einschreibt, wer und wieviel jeder gezahlt hat. Der eintretende Gast geht zu ihm hin, nimmt erst das bereitstehende Glas Wein, trinkt mit den Worten: "Bring Dir's"! dem Brautpaar einen Schluck zu und "weist" dann die schickliche Summe. Heiratet der Betreffende nun selbst, so ladet er natürlich den andern ein und dieser ist es dem Hause "schuldig", zu kommen. Heiratet er nicht, so überträgt er seine Rechte auf Geschwister oder einen Verwandten, zu dem er sagt: "den und den kannst du einladen, der "schuldet" mir". Auf solche Weise kommen oft 300 bis 400, ja sogar 2000 Kronen zusammen, was für den zu gründenden Hausstand ein willkommenes Heiratsgut ausmacht. Dieselbe Sitte herrscht auch im Ötztale. In anderen Gegenden hält man das Brautpaar durch reiche Geschenke schadlos, z. B. in Defereggen, wo die Brautleute Geld, Stücke Leinwand und Säcke voll Getreide empfangen. Wo das Hochzeitsmahl ganz frei ist, wird es beim "Weisat", d. i. das Taufgeschenk bei der Geburt des ersten Kindes, vergolten.

Am Festmorgen, kaum daß der Tag heraufdämmert, weckt Böllerdonner das Brautpaar und das ganze Dorf mit ihm aus dem Schlafe und bald wird es in den Häusern lebendig. Beiläufig um acht Uhr beginnen die Festlichkeiten und zwar gewöhnlich mit der "Morgensuppe". Die Sitte schreibt da in jedem Tale etwas anderes vor. Im Unterinntale tun sich die Hochzeitsgäste im Hause der Braut bei Nudelsuppe und Würsten gütlich, während der Bräutigam beim Wirt seines Heimatsdorfes, sei es nun dasselbe oder nicht, auf den Hochzeitszug wartet. Häufig wird der Morgenimbiß auch im Wirtshaufe eingenommen und von dort zur Kirche gegangen. In Paznaun versammeln sich die "Spausa" und der "Späusling" (Braut und Bräutigam), erstere mit ihrer "Gspanin", letzterer mit seinem "Gspan" und alle Geladenen in einem bestimmten Hause, von wo sie den Auszug halten wollen. Man unterhält sich, bis die Braut angekleidet ist, worauf der Hochzeitszug in die Kirche geht. Im Pustertal sind bei der Braut die Weiber, bei dem Bräutigam die Männer zu Gaste. In Gröden und Proveis versammeln sich einerseits die Verwandten der Braut mit dem Brautführer und dem "Vorjüngling" (Bruder der Braut) im Hause derselben, andererseits die Verwandten des Bräutigams in seinem Hause. Da wird, versteht sich ohne die Brautleute, die in stiller Zurückgezogenheit auf die bedeutungsvolle Stunde sich vorbereiten, getrunken und geschmaust.

Die Braut hat unterdessen vollauf mit ihrem Putz zu tun, besonders an jenen Orten, wo sie noch in der alten Volkstracht erscheint, bei der jedes Bündchen und jede Falte vorschriftsmäßig geordnet sein muß. Wir wollen uns ein paar der originellsten Brautanzüge einmal näher besehen. Die malerischeste Tracht besitzt wohl die Grödnerin. Sie trägt an ihrem Ehrentage dasselbe scharlachrote Korsett mit schwarzem oder grünem Oberkleid und den breitkrämpigen grünen Hut wie beim Aufgebote. Dazu kommt um die Stirne ein breites schwarzes Samtband und um die Hüften ein großer lederner Riemen mit vielen Zierraten aus Zinn oder Kupfer und versilbert, woran zur linken Seite ein Messerbesteck über das seidene Fürtuch herabhängt. An beiden Seiten des Kleides flattern rote und grüne Bänder, die genau geordnet sein müssen und beileibe nicht verwechselt werden dürfen. Die weiblichen Gäste tragen ebenfalls die alte Tracht und zwar die Jungfrauen grüne die Weiber schwarze Hüte. Der Grödnerin reiht sich die Pustertalerin würdig an die Seite mit ihrem nicht minder reichen Schmuck und dem kleinen "Kranzl" auf den Flechten. Die Defereggerinnen, die ihre originelle, Jahrhunderte alte Tracht erst in neuester Zeit abzulegen beginnen, vervollständigen dieselbe am Hochzeitstage durch einen Rock von blauem Tuche, weisswollene Strümpfe und weiße "Nesteln" (Schuhbänder); die Zöpfe sind statt des sonst gebräuchlichen roten Wollengeflechtes mit vergoldeten Bändern geschmückt und hängen frei über den Nacken herab. In Paznaun trägt die "Spausa" ein "Krönl", das mit einer Nadel an den Haaren befestigt wird, und nebstdem ein "Kranz!". Das Ganze wird mit Bändern verziert. In der Hand hält sie zwei zusammengelegte Tücheln, auf deren oberem ein "Kranzl" aufgenäht ist. Im Ober- und Unterinntal und im Wipptal hat die Kleidung der Bräute schon mehr modernen Schnitt. Das Kranzl, das immer sehr klein ist, wird entweder, wie im Unterinntal, aus frischem Rosmarin geflochten, oder es besteht aus künstlichen Blumen mit Laub und Flitterwerk, Eine Braut aber, die bereits im ledigen Stande ein Kind geboren, oder eine Witwe darf keinen Kranz tragen, sondern erscheint mit gewöhnlicher Kopfbedeckung. Statt der weißen Strümpfe trägt sie blaue.

Schneller ist der Bräutigam mit seinem Anzug fertig, der sich in allen Tälern bis auf Weniges gleicht. Ein langer dunkler Tuchrock mit großmachtigen Metallknöpfen, kurze schwarze Hosen, weiße Strümpfe und ausgeschnittene Schuhe sind so ziemlich überall die Festtracht des Bräutigams, Um den Arm hat er den Kranz oder "Buschen" mit einem Band herumgebunden, den Hut ziert ebenfalls ein Blumenstrauß. Ein Witwer ist an den blauen Strümpfen kenntlich. Die Gäste, alt und jung, erscheinen in ihrem besten Staate, mit blühweißen Strümpfen. Meist werden kleine Sträußchen unter sie verteilt. In Paznaun erhalten die Ledigen solche, die Verheirateten bekommen kleine "Kranzeln". Im Unterinntal tragen die Gäste nebstdem noch die roten "Nesteln", welche ihnen, wie bereits erwähnt, schon bei der Einladung auf den Hut gesteckt werden.

Hat man sich nun an der Morgensuppe gelabt und ist die Braut zum Kirchgang bereit, was etwa um zehn Uhr vormittags der Fall ist, so erscheint mit mehr oder weniger Zeremonien der Brautführer, Brautvater oder eine vom Bräutigam abgesandte Abordnung und "begehrt" von den Eltern der Braut die Hand ihrer Tochter. In Gröden sind diese Gesandten vermummt und mit seltsamen Waffen, Prügeln, Keulen, Dreschflegeln, alten rostigen Äxten etc. ausgerüstet. Sie klopfen mit gewaltigen Schlägen an die geschlossene Haustüre. Ohne zu öffnen, frägt man von innen um ihr Begehren, worauf geantwortet wird, man habe erfahren, daß der Bräutigam hier einen Schatz besitze, welchen man sogleich ausliefern solle, widrigenfalls man denselben mit Gewalt holen werde. Darauf beginnt ein lebhafter Wortwechsel zwischen den Führern der beiden Parteien, der wohl eine Stunde dauert und um so drolliger ist, als man auf beiden Seiten die geschwätzigsten Witzköpfe wählt. Das Ende des vorgegebenen Streites wird durch einen Vertrag herbeigeführt, demgemäß den Gesandten ein großer Korb mit Kuchen, Weinflaschen, Torten usw. ausgeliefert werden muß. Dieser wird ihnen vom obersten Stockwerke des Hauses oder gar vom Dache heruntergeseilt. Darauf lagern sie sich auf einem naheliegenden Hügel und verzehren die Gaben. Unterdessen wird die Haustür geöffnet und der Brautvater führt die Braut, die weinend ihren Eltern die Hand küßt, heraus, während der ganze Zug der Gäste nachfolgt.

In Palù (Südtirol) geht der Bräutigam selbst mit Gästen am Hochzeitsmorgen zum Hause der Braut, um sie abzuholen. Vor dem Hause ist aber ein Zaun errichtet, bei dem zwei Männer stehen, die ein Handwerk treiben. Diese verweigern dem Bräutigam den Durchlaß und es entspinnt sich der übliche Wortwechsel. Nach beiläufig einer Stunde fordert endlich der Bräutigam seine Braut, da öffnet sich die Türe und man führt ihm ein altes Weib oder ein kleines Mädchen vor mit der schalkhaften Frage: "Ist es diese?" Schließlich bringt man ihm die rechte Braut und der Zug geht in die Kirche. - Weniger Spektakel macht das "Brautbegehren" im Pustertal, wo der Abgesandte mit höflicher Verbeugung vor die Braut und deren Eltern tritt und also anhebt: "Grüß Gott Vater, Mutter die Jungfrau Braut zusamm, der Gruß ist von ihrem herzliebsten Bräutigam; der Bräutigam hat mich abgesandt zu der Jungfrau Braut ins Haberland; er hat mir geb'n Roß und Wagen und laßt euch bitten, ihr wollt mir die Jungfrau Braut aufladen." Nun folgt ein langer gereimter Spruch, in dem mit Hinweis auf die Wichtigkeit und Heiligkeit der Ehe um Gunst und Segen der Eltern für das junge Paar und schließlich nochmals um Übergabe der Braut gebeten wird, was auch sofort geschieht.

Nun geht der Zug langsam und in regelrechter Ordnung zur Kirche. Die Gruppierung ist fast überall anders. Voran gehen meistens Spielleute oder die Kirchenmusik, einen lustigen Hopser spielend; ihnen folgen paarweise die "Hochzeitbuben", hierauf der Bräutigam mit seinem "Beistand" an der Seite, dann die beiderseitigen männlichen Verwandten, Vater, Großväter, Brüder, Vettern und der Schullehrer. An sie schließt sich der weibliche Teil des Zuges. Erst kommen die rosigen Kranzjungfern, dann die "Gothl", die "Baseln" der Braut, die Brautmutter und endlich sie selbst, geleitet vom Brautführer und gefolgt von der Schar der übrigen Festteilnehmer. Befindet sich der Bräutigam in einem weiter entfernten Orte, so wird für die Braut ein Wagen geschickt. Er ist hochzeitlich verziert; die Pferde haben die Mähnen in Zöpfe geflochten und sind um und um mit bunten Maschen herausstaffiert. An jenen Orten, wo das Frühstück geteilt eingenommen wird, bilden sich natürlich auch zwei Hochzeitszüge, die sich bei der Kirche vereinigen.

Um rechtzeitig zusammenzutreffen, werden von beiden Seiten Schüsse abgefeuert. Oft sind die Geistlichen schon beim Auszug dabei, so in Paznaun, wo der Pfarrer die Braut und der Frühmesser den Bräutigam führt. Beide Priester haben dabei Kränze am Arme. In der Umgegend von Imst holen die Seelsorgsgeistlichen, einen weißen Blumenkranz mit rotem Bande um den Arm geschlungen, alle Hochzeiter in ihrem eigenen Hause ab. Der Zug ordnet sich dort so: Voran die Jünglinge, dann die Männer, in der Mitte die Brautleute, von den Geistlichen geleitet, und schließlich die Jungfrauen und Weiber. Einen seltsamen Aufzug haben die Duxer. Die Braut wird vom Kooperator geführt, der Bräutigam vom Kuraten. Beide Brautleute haben ein Licht in der Hand und tragen lodene Mäntel, welche wie Rauchmäntel der Priester von den "Kranzbuben" emporgehoben werden. Urkomisch macht sich der Bräutigam, der einen Kranz um den Kopf gewunden hat.

Nachdem man erst im Wirtshause Schnaps getrunken, geht man von der Kirchenmusik begleitet vom Hause und holt jeden Einzelnen gesondert ab. In jedem Hause wird getrunken und getanzt, so daß es oft mehrere Stunden dauert, bis die Gesellschaft vollzählig zur Kirche kommt. Der Zug tritt durch das Haupttor ein, dessen Schwelle nach altem Glauben zuerst die Brautleute überschreiten müssen. Die Männer stellen sich rechts, die Weiber links auf, während Braut und Bräutigam, erstere vom Brautführer geleitet, zum "G'lander" (Kommuniongitter) hinaufgehen. Die Zeugen stellen sich dahinter. Der Pfarrer segnet nun das Paar ein, die Ringe werden gewechselt und laute Böllerschüsse unweit des Gotteshauses verkünden den feierlichen Augenblick.

Im Zwischentorentale wird ein Böller auf der Schwelle der Kirchtüre abgefeuert. Ist die Zeremonie vorbei, so beginnt das Amt. Nach dem Kyrie wird um den Altar herum zum Opfer gegangen, erst die Männer, dann die Weiber. Die Paznauner Braut läßt nebst dem Geldstück auch ihr zweites Sacktuch als Opfergabe auf dem Altare liegen. Nach der Wandlung bringt der Meßner in einem Kelch geweihten Wein, sogenannten St. Johannissegen, und reicht ihn zuerst dem Brautpaare, dann den Zeugen, dem Brautführer und den übrigen Anwesenden zum Trunke. Bis zum Schluß des Amtes kniet nun das neuverbundene Paar in stiller Andacht. Das Gebet während der Hochzeitsmesse hat nach der Volksmeinung eine besondere Kraft. Da mag das junge Weib wohl mit Hoffen und Bangen alle Vorzeichen überzählen, die ihr heute, Glück oder Unglück bedeutend, schon begegneten und noch begegnen werden. Die alten Mütterchen wissen deren eine Unzahl, sämtlich zweifelsohne.

Die Hochzeit muß an einem Dienstag, im Iseltal am Montag, in Palü an einem Samstag abgehalten werden, wenn die Ehe glücklich sein soll, beileibe an keinem Freitag! Der Mai ist in Palü zum Heiraten nicht beliebt, weil derselbe der "Eselmonat" ist. Die Braut darf ferner kein schwarzes Kleid, keine engen Schuhe tragen, sie muß in letztere etwas Geweihtes geben, sie darf nicht lachen, sonst wird sie als Weib viel weinen, sie soll bei der Trauung nicht auf der rechten Seite stehen, es sei denn, sie hätte die schlimme Absicht, ihren Mann unter den Pantoffel zu kriegen.

Das Gesagte ist indes noch alles leicht zu beobachten. Wer aber kann für Wind und Wetter und derlei Zufälligkeiten? Regen oder Schnee gilt als gut, denn es bedeutet großen Reichtum des Brautpaares, der Wind aber verweht den Segen. Wenn eine Kerze am Altare schlecht brennt oder gar auslöscht, wenn ein Grab am Friedhof offen steht, wenn ein Trauring zerbricht, bedeutet es den baldigen Tod eines der beiden Brautleute. Solche Zufälle sind für ein abergläubiges Herz bedenkliche Vorzeichen.

Endlich ist die kirchliche Feier vorüber und der Zug ordnet sich wieder, um ins Wirtshaus zum Hochzeitsmahle zu ziehen. Die ernste Stimmung schlägt mehr und mehr in Fröhlichkeit um, wozu die Aussicht auf den nun folgenden Schmaus das ihrige beiträgt. Man geht entweder zu Fuß, die Brautleute in Begleitung des Pfarrers, oder es stehen bei der Friedhofstüre Roß und Wagen bereit, welche die Gesellschaft im Galopp zum Gasthause bringen. Oft aber legen sich noch Hindernisse in den Weg durch das "Brautaufheben" oder "Brautauffangen", bei dem, ähnlich wie bei der Überführung des Gutes, durch eine Stange oder ein Seil den Ankommenden der Weg versperrt wird. Ein ergiebiges Trinkgeld hebt den Zoll auf. Im Leukental erwarten Nachbarn und Bekannte auf halbem Wege die Rückkehr des Brautzuges und stellen da verschiedene Szenen dar, die auf Stand, Lebensweise oder Eigenheiten des Brautpaares Bezug haben. Dieses muß oft zu sehr üblen Spässen gute Miene machen und sich durch ein Geldgeschenk loskaufen.

Nun gelangt man ins Wirtshaus. In Virgen stehen zu beiden Seiten der Haustüre zwei Spielleute, welche die Kommenden mit lustigen Fidelstrichen empfangen. Wirt und Wirtin eilen dem Brautpaar glückwünschend entgegen und führen es hinauf in den "Saal", wo längst alles zum Empfange der Gäste bereitet ist. Da stehen die sauber gedeckten Tische, auf denen zwischen riesigen "Buschen" die roten Weinflaschen funkeln. Die Brautleute, die Geistlichen, die nächsten Verwandten nehmen am "Brauttische" Platz, das ledige Volk hat einen eigenen Tisch, ebenso die Männer und Weiber. Nun wird aufgetragen, daß sich die Tische biegen. Nudelsuppe, Kraut und Fleisch, frisches und geräuchertes, Knödel, "schweinernes Brat'l" mit Salat, Eingemachtes "in der sauren Brüh", Küchel, Nudel, Krapfen erscheinen in verschiedener Reihenfolge in riesigen Schichten, denn der Wirt setzt seinen Stolz darein, den Gästen mit Gutem und Vielem aufzuwarten. Was von Fleisch und Mehlspeisen nicht gegessen wird, kommt als "Bescheidessen" auf einem besonderen Teller für jeden Einzelnen auf die Seite, der es dann mit nach Haufe nimmt.

Die Paznauner haben beim Hochzeitsmahle ihren Spaß mit einer Neckspeise, z. B. Schneeklöße in Wasser, die man sich lachend gegenseitig anbietet. Wenn die eigentliche Nationalspeise: Knödel mit Sauerkraut aufgetragen wird, so erdröhnen draußen die Böller, und geben das Zeichen zu einem inhaltsschweren Augenblick. Die Brautmutter "gluft" nämlich der Braut das "Kranzl" ab und heftet es dem Bräutigam, der ebenfalls seinen Armkranz wegnimmt, auf den Hut. In Proveis folgen auch die Kranzeljungfern diesem Beispiele der Braut und stecken ebenfalls ihr Kranzl auf den Hut eines beim Schießen abwesenden Burschen, Dabei herrscht gar keine Eifersucht, wenn etwa eine den Liebhaber der andern auf diese Weise auszeichnet, und mancher junge saubere Bursch bildet sich nicht wenig darauf ein, bei der Rückkehr seinen Hut über und über geschmückt zu finden. Im oberen Paznaun herrschte früher die Sitte, die Braut bei dieser "Kranzabnahme" unter allerlei Schimpfreden hin und her zu zerren.

Das junge Volk aber hat schon lange und ungeduldig auf diesen Augenblick gewartet. Jetzt setzen die Spielleute, die in einer Ecke Platz genommen, ihre Instrumente an und bald klingt ein verlockender Walzer durch den Raum. Den ersten Tanz machen nach altem Brauche Braut und Bräutigam. Dreimal drehen sie sich im Kreise, jedesmal von einem Tusch der Musikanten begleitet. Nun folgen die anderen Paare und gleich einem entfesselten Strome bricht jetzt erst die volle Jugendlust durch. Alles dreht sich im Dreischritt und während die Dirnen sittig forttanzen, machen die Tänzer die wildesten Sprünge, so daß sie nicht selten mit den Schuhen Splitter vom Getäfel des Oberbodens herabschlagen. Der eine patscht auf seine Knie, der andere schwingt mit der Zunge schnalzend sein Liebchen hoch in die Luft, der dritte tanzt mit seinem Liebchen, Wang' an Wange gedrückt, kurz, es ist ein Lärm, ein Jauchzen und ein Gedränge, von dem ein Städter, der es nie gesehen, keinen Begriff hat.

Während das Tanzgewühl am ärgsten ist, schleichen sich einige Burschen zur Braut und entführen sie schnell und heimlich "über's Gassel", d. h. in ein anderes Gasthaus, wo sie auf Kosten des Brautführers, der auf die Braut zu wenig acht gegeben hat, zechen. Das ist das sogenannte "Brautstehlen". Bald aber bemerkt letzterer den ihm gespielten Possen, macht sich auf zu Fuß oder zu Pferde, hält mit lautem Jauchzen vor dem Aufenthalt der Entführten und bringt sie wieder ins alte Wirtshaus zurück, wo nun mit erneuten Kräften das Tanzen, Schmausen und Trinken fortgesetzt wird.

Wenn das Fest sich allmählich dem Ende naht und der feurige Tirolerwein selbst den Blödesten in eine gewisse höhere Stimmung versetzt hat, so erhascht der Hochzeitlader einen passenden Zeitpunkt, erhebt sich und spricht, während alles ringsum verstummt und lauscht, den "Hochzeitsdank": "Das Hochzeitsfest ist nun zu Ende gebracht, die Uhr zeigt wirklich schon die Stund' der Nacht, darum, mein Bräutigam muß ich auf dieser Seiten bei deiner liebsten Braut dir einen Sitz bereiten" usw. Die weiteren Verse enthalten weise Lehren, sowie Glücks- und Segenswünsche für die geschlossene Ehe und schließen mit den Trinksprüchen: "Vivat sollen leben die Brautleute, vivat sollen leben die Zeugen, dann die Brautmutter, die Kranzljungfrauen, die Junggesellen usw."

Draußen knallen wieder die Böller, mit denen überhaupt nicht gespart wird. Je öfter es kracht und pufft, desto besser. Nun geht es an ein Anstoßen und nicht enden wollendes Gratulieren. Die Wirtin bringt der Braut eine Torte, lautes Gelächter erschallt und die Neuvermählte wird blutrot - oben auf dem süßen Gebäck prangt eine zierliche Wiege aus Lebkuchen und ein Kindlein darin. Zu noch größerem Spasse erscheinen plötzlich drei Masken, die eine Kindspfanne, einen Musbesen und eine Klapper tragen, welche sie der Braut präsentieren. Sie muß dafür mit allen dreien einen Tanz machen.

Unterdessen ist es Abend geworden oder gar schon dunkle Nacht und das Brautpaar schickt sich zum Heimgehen an. Im Pustertale wird es von allen Gästen begleitet. Voran ziehen wieder die Spielleute, die es im vollen Sinne des Wortes "heimgeigen". In enger Stube tanzt man den "Kehraus", worauf die Gäste auf eigene Faust ins Wirtshaus zurückkehren und die Lustbarkeit fortsetzen. Oft ist indes dieser Heimgang bloße Form und die Brautleute kommen in gewöhnlicher Kleidung nochmals ins Gasthaus. Ist die Heimat der Neuvermählten weiter entfernt, so werden sie von der Versammlung nur bis zum Wagen begleitet und fahren dann unter Musik, Jauchzen, Pfeifen und Schnalzen davon, wobei die Braut nach hergebrachter Weise in Tränen zerfließt. In Dux geht das Brautpaar schon um sechs Uhr nach Hause, begleitet vom Geistlichen, der das Brautbett einsegnet. Die Grödner Braut muß spät abends noch mit jedem Gast den sogenannten "Brauttanz" tanzen. Um Mitternacht geht sie mit ihrem Bräutigam nach Hause, unter Begleitung der Musik, welche eine eigene Melodie spielt.

Daheim erwartet das junge Paar nicht selten eine nicht gar angenehme Überraschung. Es ist nämlich ein wenigstens in der Umgegend von Innsbruck allgemein üblicher Gebrauch, den neugebackenen Eheleuten einen "Tuck" anzutun, besonders, wenn sich verschmähte Liebhaber vorfinden oder wenn Braut und Bräutigam nicht gerade allgemein beliebt sind oder auch nur, wenn lustige Burschen im Orte sind, die sich einen Spaß machen wollen. Es wird entweder das Brautbett zugenäht, verunziert oder gar zerstückt und in einzelne Stücke zerlegt auf's Hausdach gebracht oder es wird etwas Mißliebiges, z. B. Ameisen, Maikäfer etc. hineingeschmuggelt. Je mehr sich die Betroffenen ärgern, desto größer ist die boshafte Freude der Unheilstifter. Wenn daher die Brautleute klug sind, so lassen sie so wenig als möglich merken, daß ihnen "was Ungleiches" begegnet ist.

In manchen Orten geht es nach dem "offiziellen" Schluß des bäuerlichen Hochzeitsfestes noch sehr hoch her. So im Unterinntale, wo die "Werktagburschen", d. h. jene, die nicht eingeladen wurden, um acht Uhr abends, "nachzaggeln" gehen, und ebenso in Defereggen. In diesem Tale ziehen um neun Uhr Braut und Bräutigam fort, welcher letztere bisher die Musik - Geige, Zither und Hackbrett - bezahlt hat. Nun aber heißt es "in die Geige geben", d. h. jeden Tanz besonders bezahlen. Jeder Bursche hat sein Mädchen da, das er, wenn es auch nicht geladen war, nachmittags zum Tanz geholt hat, und will sich vor ihr sehen lassen. Weniger als einen "Guldenzettel" kann er für einen Tanz nicht geben, deshalb ist es gar keine Kunst, nebst Wein und Essen, das er ihr auftischt, an einem solchen Abend hundert bis hundertzwanzig Kronen zu verbrauchen. Dafür hat er freilich am folgenden Morgen physischen und moralischen Katzenjammer und Monate lang Schmalhans zum Kellermeister, aber was tut's? Kommt wieder ein solcher Ehren
tag, von dem es in einem Pustertaler Hochzeitsliede heißt:

"Heut sein Nachbachbarsleut'
Wieder all' voll Freud
Wie am Kirchtag z'nächst versammelt hier",

so wird wieder gezecht und "all' sein Geld verputzt", bis der Frau Wirtin ihr Gockelhahn die Beduselten krähend zur Heimkehr mahnt.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 365 - 377.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Isabella Richrath, Oktober 2005.
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