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Der Lübecker Totentanz Unter dem "Lübecker Totentanz" wird in der Regel das mittelalterliche Werk von Bernt Notke (ca. 1435-1509) verstanden, ein norddeutscher Meister der Spätgotik. Das Monumentalwerk mit einer Länge von 30 Metern und einer Höhe von 1,93 Meter war für die Lübecker Marienkirche geschaffen und ist mit der Jahreszahl 1463 - M CCCC LXIII - signiert. Da die Pestepidemie erst 1464 auftrat, dürfte der gemalte Lübecker Totentanz erst 1466 entstanden sein. Am unteren Rand des Zyklus wurde die schriftliche Version vom Totentanz in mittelniederdeutschen Versen geschrieben, der bereits vor der Malerei gedichtet sein dürfte und dessen Meister nicht bekannt ist. Dieses komplexe Werk aus Literatur und Kunst hat wiederum Nachklang gefunden in "Des dodes danz" mit fast 1700 Versen, gedruckt in den Jahren 1489 und 1496. 1475 wurde an der Ostwand eine Totentanzorgel eingebaut (1547/48 vergrößert), wobei ein Teil des Totentanzes für die Zugänglichkeit zur Orgel abgenommen wurde. Der Kirchenmaler Silvester van Swolle wurde 1588 damit betraut den Beschädigten Leinwandfries auszubessern, wofür mehrere Ellen Leinwand angekauft wurden. Die Szenen "vom Prediger bis zum Bürgermeister" dürften hierbei wohl zum Opfer gefallen sein und durch eine Kopie ersetzt worden sein. Genau dieses Teilstück tauchte wenig später in Reval (heute Talinn, Estland) auf, nachweislich seit 1603. Ursprünglich waren auf Notkes Totentanz 24 Paare aus jeweils einem Toten und einem Mensche dargestellt sowie drei Gestalten am Anfang (Prediger, Dudelsackspieler, Sargträger) und einem nichtbelegten Prediger am Ende des Bildes. Wie gehen heute von 52 Figuren aus, 11 an der Westwand der Kapelle, 18 an der Nordwand, 11 an der Ostwand und 12 am Pfeiler. Das Werk war jedoch in so schlechtem Zustand, dass die Stadt Lübeck um 1700 eine vollständige Kopie bei dem Maler Anton Wortmann in Auftrag gab und die bereits ein Jahr später abgeschlossen war. Der Lübecker Totentanz von 1701 unterscheidet sich jedoch von dem Totentanz in Reval, wenn wir weiter daran festhalten, dass der Totentanz aus Reval das schadhafte Teilstück aus Lübeck ist, dann wurde vom Kopisten Wortmann und seinen Vorgängern einiges verändert. Der Totentanz wird nun von einem musizierenden Toten (Querflöte) angeführt, der über eine Sanduhr steigt und einen federgeschmückten Hut des Barock trägt. Im Hintergrund sind ab nun Stadtansichten aus Lübeck zu sehen und zwei Personen wurden verschoben. Hier wurde wohl die soziale Hierarchie der Zeit angeglichen: der Bürgermeister hat den Edelmann verdrängt und der als Handwerker dargestellte "amtmann" wird 1701 zum Beamten und läßt den Kaufmann hinter sich. Der literarische Totentanz des Mittelalters wurde durch einen neuhochdeutschen Text von Nathanael Schlott, Präzeptor vom St. Annenkloster in Lübeck. Dieser war in barocken Alexandrinern verfaßt - je vier Verse pro Figur in achtzeiliger Schreibung, die ehemals wörtliche Rede wurde in Spruchtafeln gestellt und die Standesangaben über die Personen geschrieben. Nach dieser Fassung von 1701 wurde 1783 eine Folge von Kupferstichen als Buch gedruckt und in Umlauf gebracht. Der Lübecker Totentanz wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. März 1942 bei einem Fliegerangriff zerstört, zu diesem Zeitpunkt war er übrigens nur mehr 26 Meter lang. Heute befinden sich in der Lübecker Marienkirche zwei Totentanzfenster, die von dem Kunstprofessor Alfred Mahlau 1956 geschaffen wurden. Alfred Mahlauf schuf auch das Titelbild zu Hans Henny Jahnns "Neuer Lübecker Totentanz" 1954, inspiriert von dem flötespielenden Tod des Barock auf Wortmanns Fassung von 1701. Der eigentliche Lübecker Todestanz wurde im Zweiten Weltkrieg (1942) zerstört.
Quelle: Vgl. Michael Walitschke, Hans Henny Jahnns Neuer Lübecker Totentanz, 1994, S. 44ff
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