Von Salzburg zum Mondsee

Ich wandere dem Wasser nach und sehe, wie es dürre Blätter talwärts trägt. Zwischen den Erlen am blockübersähten Ufer hängen stahlblaue Früchte, der saure Schlehdorn und die giftige Einbeere. Vor einer Unglückstafel - ein Schneider, der auf die 'Stöhre' ging, stürzte, das Bügeleisen voran, in die nebenan ausgehöhlte Sandgrube - liegt ein Weib, das Gesicht mit einem roten Tuch verhüllt, und schnarcht den Schlaf des Müden; die Kühe, die, von einem Viehmarkt zurückgetrieben, vorüberkamen, blieben neugierig stehen. Es wird Abend, und die goldenen Farben der Dämmerung verbleichen. Mit den Lichtern dringen uns aus manchem Haus am Weg laut betende Stimmen entgegen - Fledermäuse schwirren in unstetem Fluge hin und her. Von der einen und anderen Alp, auf welcher morgen 'abgetrieben' wird, fangen Feuer an herabzuschimmern; aber sie lodern nicht mehr auf den längst verlassenen Spitzen, sondern brennen auf niederen Hängen, wo schon die Felder der hochgelegenen Bauernhäuser an die bald vereinsamten Matten grenzen. Mägde kehren vom Feld heim: sie haben den Tag über nach dem Flachsdreschen das 'Haar' auf den Gründen ausgestreut. Andere Dirnen stehen in einem offenen Gemäuer und 'brechen' den Flachs. Sie waren in der vergangenen Nacht zu ihrem mühsamen Tagwerk aufgestanden. Wenn sie einen Fremden sehen, ergreifen sie gern das hergebrachte Vorrecht ihrer Arbeit. Sie jubeln ihm zu und streuen ihm von dem wergartigen Gefaser auf den Weg. Die Ehre muß er mit einigen Gläsern Branntwein bezahlen, worauf ihm mit einem kleinen Feldblumenstrauß gedankt wird, den sie ihm unter lautem Geschrei mit einem rasch aus Werg gefertigten Band am rechten Arm befestigen.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë , München 1867, S. 20.