Vom Mondsee zum Traunsee

Von den Berghängen am Mondsee, welche dem Süden zugekehrt liegen, müssen wir uns trennen und den Windungen des Pfades in eine schattige Schlucht folgen, welche Ober-Wang (der obere Weideplatz) genannt wird. Der Wandernde fühlt sich um mehrere Breitengrade nach Norden vorgerückt. Ein eisiger Hauch weht aus den Gründen, welche kein vorgestreckter Hügel gegen den Nordwind schützt, und wenn es uns oft im milden Kessel des Mondsees geschienen hat, als bewegten wir uns im Nizza oder Mentone des Salzkammergutes, so erhält unsere Meinung durch die Fühlung der Luft im benachbarten Grunde einen merklichen Grad von Nichtigkeit. Zudem sinkt der Abend und mit ihm ein leise rieselnder Niederschlag, den man nur in den Bergen 'Nebel' nennt; Bäume und Felsen verschwimmen in der großen Trübe, und wir treten in eine finstere Schenke am Wege, um unser Nachtquartier vorzubereiten und zugleich, wenn es der günstige Zufall an die Hand gibt, einen Blick in das Leben der Menschen zu tun, die sich vielleicht um die Kerze zusammenfinden.

Die Hügel zu beiden Seiten sind an vielen Stellen von Wäldern bedeckt, wenn man dünne Baumgruppen so nennen kann, in welchen man nur wenigen Stämmen von einiger Mächtigkeit und noch wenigerem Wild begegnet. In St. Georgen wird heute ein Markt abgehalten. Die Bauern stehen in dichten Scharen, meist lautlos beisammen und starren die Kaufbuden und die Vorübergehenden an. Mädchen wandeln mit niedergeschlagenen Augen an den Gaffenden vorüber, von denen manchmal eines einen Fuß nach dem andern aufhebt und sich in die hohlen Hände bläst. Lebkuchen, ein Würfelspiel, zu welchem eine auf das rote Brett gemalte unsinnige Fratze einladet, Leinwand, mit großen Blumen bedruckt, stechen am meisten in die Augen. Mehr aber noch als diese sind es die Buden, in welchen farbige Wachskerzen verkauft werden, wonach sich die Kauflust drängt. Die Feilschenden sind fast ausnahmslos Weiber; sie kaufen Kerzen und Wachsstöcke, um irgendein Gelübde zu erfüllen.

Eine kurze Strecke vor St. Georgen eröffnet sich wieder die blaue Fläche des Attersees. Ein breiter Fluß von Sonnenlicht durchsickert den Nebel und läßt das Wasser wie eine nie gesehene Flut flimmern, die aus Gold und Lasur zusammengeronnen sein mag.

Am Ufer standen die entblätterten Bäume lautlos in den Schwingungen des Glanzes.

Nah am Ufer noch zog sich der dunkle Streifen hin, welcher den jähen Abfall in unbekannte Tiefen andeutet, aber im Weiten draußen lag keine Dunkelheit mehr, sondern wunderbare Lichter verklärten die Oberfläche.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 130 - 131.