Heilende Quellen der Bäder Kärntens

In der nächsten Umgebung von Villach ist eine anmutige Örtlichkeit, die wenig von Gästen aufgesucht wird. Wenn die Sommerwolken bis tief über die Berghalden herab brodeln und das Tal in Hitze liegt, dann genießt der Wanderer Kühlung in der großen Weidenanlage am rechten Drauufer, abwärts von der Brücke. Die Baumwipfel verbreiten Dunkel und die graue Drau, die in großen Kreiseln und Flutungen an das Gras des Ufers schlägt, denn ihre Vorratskammern im Eis des Moll- und Iseltales sind durch die Hitze aufgesprengt worden, Kühlung.

Den Wassern steht hier die zopfige rot und weiß, gleich einem Bettüberzug angestrichene Kirche von Heiligkreuz in der Perau gegenüber.

Ein anderer anmutiger Ort ist eine Rastbank, nicht eine halbe Stunde von dieser Stätte entfernt. Die Bank ist mindestens einen Fuß hoch von klarem Wasser bedeckt. Silberige Blasen steigen vor ihr auf. Es ist ringsum Wallen einer blaugrünen durchsichtigen Flut über einen Grund von feinem Kies. Diese Bank steht im Becken des Villacher Bades, dessen Quellen lau aus dem Kies emporsprudeln. Es ist nicht ganz im Freien, denn über dem Becken steht ein Haus - es sind aber auch keine Stuben, denn der Blick dringt zu den Fichtenwipfeln, die gegen die Fensteröffnungen herragen.

Die Hut rinnt in der Mitternacht und im Schein der Sonne, deren Strahlen den Kies auf ihrem Boden zu phosphorigem Schimmer anglühen und sie selbst aus einem grünblauen Wasser zu einem himmelblauen machen. Dann bewegen sich die Glieder der Menschen in ihr, als ob sie von Gold wären.

Neben der Quelle lockt der Hain. Wäre die Mauer nicht, so ragten die Fichtenwurzeln über den Rand des Beckens. Am Wald her, in dem Erdbeeren duften, geht ein Weg nach dem Dorf St. Andrä. Oben ragen die Trümmer von Landskron, unten ist der helle Bach. Sein Ufer fassen Schilfschäfte ein, wie das aller Abflüsse von Seen, deren Ränder versumpft sind und deren heutige Oberfläche nur mehr einen Bruchteil darstellt von einem früheren Umfang.

Solches Wasser ist weich, mild und mit den Düften all der Pflanzen gewürzt, welche von seiner Flut an den gar nicht scharf abgegrenzten Ufern umwaschen und bespült werden.

Kalmus soll zu den zahllosen Stoffen treten, durch deren Einengung man sich die Wirkung des Wassers verändert oder gesteigert vorstellt. Hier soll die Heilkraft der Pflanze dem abfließenden Wasser des Sees sich mitteilen. Das jenseitige Schilfufer gibt ihm einen Hintergrund, wie wir ihn bei Teichen in Blumenausstellungen, bei Becken in Wintergärten oder bei Aquarien sehen. Es ist ein Dschungel von Röhricht, an dem der helle Bach vorüberfließt. Aber Kalmus vermochte ich unter dem vielen Schilf nicht zu entdecken. Mit oder ohne Kalmus, es ist ein lustiges Baden in dem ölglatten Bach.

Auch südlich von Klagenfurt, nicht ganz drei Kilometer entfernt, hat man bei der 'Papiermühle' in der 'Glanfurt', dem Ausfluß des Wörthersees, ein 'Kalmusbad' eingerichtet. Die Landschaft ist hier wie dort, aber die Glanfurt tritt stattlicher auf. Schilf, Birken, helle Flutung, durchwärmte Wasser - im Hintergrunde aber das Gebirge tiefblau im leuchtenden Gegensatz der schweren Sommerwolken, die seine Giebel zudecken.

So sind die Niederungen des tieferen Kärntner Landes eine Ergänzung der Eigenschaften des nachbarlichen Tirol. In den Hochgebirgen jener Alpen gibt es kein Kalmusbad. Das Schwimmbecken selbst des warmen Bozen muß durch Teichwasser erwärmt werden. Dafür baden die Gäste seiner Berge in unvergleichlichen Lüften.

Der anziehendste unter den näheren Ausflügen um Villach ist der nach den Thermen, dem Villacher 'Warmbad'. Das Warmbad befindet sich drei Kilometer südlich von der Stadt, am östlichen Rande der Vorstaffeln des Dobratsch, der Villacher Alp.

Über die Quellen ist ein Haus gebaut. Sie entspringen aus dem Konglomeratgestein der Diluvialbildung und bilden alsbald zwei geräumige Bassins, deren Boden mit seinen Kieseln belegt ist, zwischen denen das Wasser emporperlt wie die Kohlensäure in einem Glase Champagner. Es gibt keine hellere, glänzendere, einladendere Flut. Fast ausschließlich werden die Bassins von den Badegästen benutzt, nur wenige bedienen sich der Wannen. Man geht von reinlichen Kabinen aus auf Steintreppen unmittelbar in das Becken hinein, in welchem unter dem Wasserspiegel, dort, wo die Garben der Luftblasen mit den warmen Wassern emporsprudeln, Sitzbänke angebracht sind. Männer und Frauen in den entsprechenden Badegewändern pflegen das Bad gemeinschaftlich zu benutzen, obwohl für letztere bestimmte Stunden angesetzt sind. Die Quelle gehört zu den sogenannten indifferenten Thermen, wie Römerbad, Markt Tüffer, Pfäffers, Wildbad Gastein. Ihre Wirkung erstreckt sich auf alle jene körperlichen Gebrechen, wegen welcher die ebenerwähnten Badeorte aufgesucht werden. Den Zufluß bildet die Wassermenge eines Baches, wie man aus der Stärke des ständig abfließenden Wassers im Ableitungskanal wahrnimmt. Eine besondere Annehmlichkeit dieser Becken besteht darin, daß man sie zu jeder Jahreszeit als Schwimmbad benutzen kann, denn die Kabinen sind heizbar, und wenn auch im Winter sich keine Fremden sehen lassen, so bleibt doch die Anstalt das ganze Jahr hindurch geöffnet und wird auch in den rauhesten Monaten von Villachern fleißig benutzt. Es macht einen eigentümlichen Eindruck, in dem warmen, weichen, wohligen Wasser, das in mächtigem Schwall aufquellt, herumzuschwimmen und durch die Fenster des darübergestülpten Gebäudes nach dem verschneiten Fichtenwald, dessen Zweige bis nahe zum Glas heranreichen, auszulugen. Die Gaststätte bei dieser erquicklichen Therme (Hotel, Restaurant, Pension) verdient auch wegen der schattenreichen Spaziergänge, welche schon die nächste Umgebung bietet, unter den kleineren Ausflügen, welche von Villach aus unternommen werden, Berücksichtigung an erster Stelle.

Die Therme scheint nach den in ihrer Nähe gemachten Funden schon in den ältesten Zeiten bekannt gewesen zu sein.

Im sechzehnten Jahrhundert wird das Villacher Warmbad bereits von mehreren Naturforschern und Ärzten genannt. Teophrastus Paracelsus und der bekannte Martin Ruland erwähnen die Thermen in ihren Büchern.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 182 - 185.