Die Drau aufwärts zum Millstätter See

Die Eisenbahn, welche von Villach ins Pustertal führt, schlägt zunächst, längs der Drau, bis Sachsenburg, wo die Wellen vom Großglockner im Möllfluß herabkommen, eine nordwestliche Richtung ein. Die Landschaft setzt sich da aus Wald- und Strombildern, als deren Hintergrund meist der Staffberg, zwischen Drau und dem Weißensee, mitunter aber auch die weißen Hochgebirge des Mölltals, aufragen, zusammen. Schlösser, alte Burgen, Kirchen sind an den Berghängen verstreut, während die Talsohle, soweit sich ihrer der Bergstrom nicht bemächtigt hat, ein Zeugnis regsamer Kultur der Einwohner bieten.

Jenseits Station Gummern öffnet sich gegen Norden das waldreiche Krass-Tal. Neben der Bahn steht das höchst bescheidene Weißensteiner Bad, eine jener ländlichen Anstalten, die von Tirol nach Kärnten hereingebracht worden sind und die einem Beobachter des Landes und der Menschen mancherlei interessanten Stoff liefern. Indem wir uns der Station Paternionfeistritz nähern, gedenken wir des Römerlagers, das sich einst an der Drau bei dem letztgenannten Ort (er ist jenseits des Flusses gelegen) ausdehnte und von dem sich bis heute auf einem Grunde, den man 'in der Görz' nennt, Spuren erhalten haben. Am rechten Drau-Ufer, bei Tragni, finden sich hier Spuren uralter Goldwäschereien in den mächtigen Geschieben der Alluvialbildung.

Jenseits Paternion erreicht man die Station Rothenthurn mit dem weißen gleichnamigen Schloß. Früher, als der Weg von Spital zum Millstätter See noch nicht so kurz und so bequem war wie heute, ist man wohl vielfach von dieser Station Rothenthurn ausgegangen, um über den niedrigen bewaldeten Rücken hinweg das Sommerhaus der Mönche am Millstätter See und mittels der dortigen Überfuhr den Markt Millstatt selbst zu erreichen.

Die Grafen von Ortenburg stehen im Mittelalter neben denen von Görz, Andechs und Tirol als Souveräne da, und die Geschichte von Ortenburg ist sozusagen die Geschichte von Oberkärnten.

Von dem Marktflecken Spital fällt zuerst die schöne Burg der Fürsten Porcia ins Auge, von welcher man wegen ihrer prachtvollen inneren Ausstattung gesagt hat, sie sei 'das schönste Haus Kärntens'. Eines der meistgenannten ist sie sicherlich. Sie und die jenseits der Drau auf dem südlichen Bergabhang gelegene Ortenburg erscheinen als verflochten mit den glanzvollsten Erinnerungen des Landes.

Spital verdankt seinen Namen, wie viele andere Orte am Fuße oder auf der Höhe der Alpenübergänge, einer wohltätigen Anstalt, in welcher im Mittelalter die Rompilgrime verpflegt wurden.

Über die neue Straße gelangt man zu Wagen längs der brausenden Lieser in einer Viertelstunde an das Ufer des Millstätter Sees, dem ein herrlicher Bach entquillt. Noch angenehmer ist ein Fußsteig, der auf dem rechten Ufer der Lieser, hoch über ihren Wellen, in einer halben Stunde durch den Wald dorthin führt. Er zweigt bei der ersten Brücke nördlich von Spital von der Straße ab.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 207 - 208.