Das Feigenblatt.

Wem gehört denn das wundernette Häusel da droben bei der Bachklamm, wo's Wildwasser auf die ersten roten Almrosen spritzt? Die roten Nagelen am Fenster und die brennende Lieb' und der blaue Spicket und die goldgelben Ewigkeitsblümeln an Fenster und Sölder. Und im Garten erst: da blüht Kapuzinerkraut und Lilien und Rosen, und Buchsbäume stehen drein, daß es eine Freude ist.

Ein Stadl und ein Stall ist auch angebaut, der ist aber noch ganz neu hergezimmert. Unten im großen Stadltor sind zwei verschieden große viereckige Ausschnitte, die ihre blutige Geschichte haben.

Die erzähl' ich aber erst später, ich red' jetzt von den Blumen, und Ihr vermutet gewiß, daß da ein Weib dahintersteckt, so eine Vroni oder Moni, die am Sonntag die Rosmarin- und Nagelstöcke plündert, um Blüten und Zweige den Burschen an die Hutschnur zu stecken.

„Die Blumen sein nix Böses, also steckt auch kein Weib dahinter", würde der Bachgartenhansjosepp sagen, der eben mit einem schwarz-gelb-weiß-gefleckten Katzl am Schoß neben der Haustür sitzt und aus einem schwarzen, kurzen Nagel einen noch schwärzeren Tabak schmaucht ... Denn es hat schon Feierabend geläutet, und die Sonne ist am Untergehen.

Ja, was hat denn der Bachgartenhansjosepp da dreinzureden? Der hat fein viel dreinzureden, denn dem gehört das alles: die Blumen, das Gartel, das Häusel, der Stadel, der Stall — sogar die zwei Ausschnitte am Stadeltor mit ihrer blutigen Geschichte sind sein Werk, wenigstens sein Gedanke.

Aber diese blutige Geschichte ist bös, drum steckt sicher ein Weib dahinter.

Wenn's wahr ist, daß die Weiber Katzen sind, dann ja ... Der Großvater hat zwar oft erzählt, daß die Hex, die alte Rosenbäuerin, in der Nacht als Katz' mit feurigen Augen umgeschlichen sei. Er habe dem schwarzen Vieh einmal eins mit dem

Stecken auf die rechte Pratzen geben . . . und die alte Rosenbäuerin habe dann eine ganze Woche einen fürchterlichen Wehtoan in der rechten Hand gehabt.

Aber das glaubte der Bachgartenhansjosepp nicht und die Katzen würden sich auch bedanken, wenn es hieße: Die Katzen sein Weiber.

„Gelt, Muinele, gelt", sagte der Bauer und streichelte das Katzl. Er mochte nämlich die Weiber nicht ausstehen und hatte die Katzen gern.

Drum hießen ihn die Bauern auch den „Katzen-Hannes".

Oder den „Weiberjoses" mit unzweideutigen Anspielungen auf die Mantelgeschichte mit der Frau Putiphar.

Also stellen wir einmal vor: Johann Josef Schranz, Besitzer des Bachgartenhofes, vulgo Bachgartenhansjosepp, vulgo Katzenhannes, vulgo Weiberjosef, ledig, katholisch . . .

Mancher Graf könnte den Junggesellen um seine Titel beneiden! Er hatte es da heroben in seinem netten Gütel mit seinen Blumen und Katzeln auch wie ein Graf, und das beste war — im ganzen Häusel wirtschaftete kein Weib herum, also war Frieden im Haus. Und in der Besorgung aller häuslichen Angelegenheiten hatte er sich eine Sauberkeit und Fertigkeit angeeignet, daß er es mit jeder Widdumhäuserin aufnehmen konnte.

O, er war kein Tepp — aber ein Weiberfeind oder vielleicht deshalb ein Weiberfeind.

Eine Ähnlichkeit zwischen den lieben Katzeln und den verhaßten Weibern mußte jedoch auch er zugeben. Beide putzten sich den ganzen Tag.

Aber bei den Katzen war das ja nur Reinlichkeitsgefühl — wenn die Weiber alleweil zwag'nen und kampeln (Waschen und Kämmen) täten, so war' ja alles noch recht, aber der verfluchte andere Putz! „Der Putz ist an allem schuld ..."

Und so ein Katzl schnurrt höchstens, wenn's fein dunkt, aber die Weiber haben alleweil 's Maul offen, und wenn's wirklich fein war', haben's sie's so lang offen, bis es mit der Feinigkeit aus und vorbei ist.

In Innsbruck in der Hofgassen bei der Burg steht ein alter, eiserner Ries', der Hofries' von einem Landesfürsten, fragt man den, was er am Charfreitag gegessen hat, so sagt er — nix. Fragst aber die Hueberlene so heißt's: a Brennsuppen, an plenten Wirler mit Zwetschben, Hasenohrn (Krapfen), an Kaffee, auf d' Nacht an Schmarrn und a g'stockte Milch dazue. Also, da hat man den Schiedunter!

Der Hauptspruch des Weiberjosef aber ist: „Der Putz ist an allem schuld."

Warum, das mag vielleicht die putzsüchtige Schellunterbäuerin wissen, die den krumphaxeten reichen Wirt geheiratet hat und von ihm alleweil prügelt wird.

Aber das erzähl' ich nur Euch, davon dürft Ihr dem Weiberjosef nichts sagen, daß ihr's wüßt, denn da wird er fuchtig, geht in's Haus und sperrt die Tür zu und erzählt Euch die Geschichte vom Feigenblatt, die Ihr doch wissen wollt, überhaupt nicht.

Die Schellunterbäuerin hieß, vor sie den Schellunter geheiratet hatte, das Brunellenmonele, weil die Monica gar so schwarzbraune Augen hatte. Und der Hansjosepp hat sie gern geseh'n und sie ihn auch .... Aber der krumpe Schellunter hat ihr von der Stadt oder vom Markt bald an seidenen Schurz, in zwei Farben schillernd, bald an ausg'franstes Busentuch, bald a goldenes Broschel und einmal gar lederne Handschuh mitbracht. Das hat dem putzsüchtigen Dianl paßt, und beim nächsten Kirchtag laßt sie am Tanzplatz den Hansjosepp steh'n und tanzt gar nit und setzt sich den ganzen Abend zum krumpen Schellunter, der nit tanzen hat können, trinkt mit ihm Gliadmein (Glühwein), ißt Turtenzuig (Torte) und vier Wochen später war die Hochzeit,

An dem Tag hat der Weiberjosef 's erstemal gesagt: „Der Putz ist an allem schuld."

Und an dem Abend ist er allein vor der Haustür auf der Bank gesessen, derweil die Abendsonne ihre Vergolderarbeit angefangen hat und hat sein Katzl gestreichelt und gesagt: „Oes Katz'ln seid's nit a so."

Und damit hört die Geschichte vom Weiberjosef vorläufig auf und beginnt die vom Katzelhannes.

Der hatte einen neuen Stadel bauen lassen, weil der alte schon arg baufällig geworden war, und heute wurde das neue Stadeltor eingehängt. Der Hansjosepp besichtigte es und drehte sich plötzlich nach dem Zimmerer, dem Hieseljörg, um und fuhr ihn unwillig an:

„Warum hast Du mir nit g'folgt?"

„Wie?"

„Mit die zwoa Löcher!"

„Bauer, i kann Dir nit helfen, Du bist an Esel."

„Was bin i?"

„Ja, wann Du dös nit einsiehst, nacher bist a Rindvieh."

„Was? I bin g'scheidter als ös alle! Oes denkt's eh nur auf die Weiberleut!"

„Ja, anieder macht's nit wie der Josef bei der Putiphar."

„Dös geht Di' gar nix an Du Heuochs - tue Du, was man Dir schafft!"

„O mei, den narrischen Weiberjosef kennt man ja."

„Was hast g'sagt?"

„Den narrischen Weiberjosef."

„Dös sagst mir nimmer!"

Mit diesen Worten war der Hansjosepp auf den Hieseljörg losgestürzt, und der Hieseljörg mutzte bald nachgeben, er lag am Boden, und aus der Nase fühlte er es warm über die Wangen rinnen.

„So, iez hascht's für'n Weiberjosef", keuchte der Hansjosepp, als er aufstand.

Einige Augenblicke später wusch sich der Hieseljörg das Blut vom Gesicht. Das kalte Brunnenwasser hatte wohl auch seine Hitze gedämpft, und er sagte:

„Warum hamm denn mir iez g'rafft? Wenn D' willst, sag' i Dir das kloane Loch no in die Tür eini."

Und bald war neben dem großen viereckigen Ausschnitt ein kleinerer.

„So und iez zoagst's Deinen Katzeln."

Der Hansjosepp kam mit zwei Katzen — Mutter und Tochter — am Arm aus dem Hause.

Und er stellte die beiden vor der Scheunentüre nieder. Die große ging gleich daran, das neue Gebäude zu inspizieren. Sie schloff durch das große Loch in das Innere und ihr nach schwänzelte — auch durch das große - das kleine Katzl.

„Wer hat denn recht g'habt?" meinte der Hieseljörg. „Und i hab' deswegen a derschlag'ne Nasen,"

„Zweg'n dem nit — zweg'n n'm Weiberjosef", brummte der Hansjosepp und ging in's Haus. Als der andere über den Rain abstieg, murmelte er: „Dös werd woll a Esel sein!"

Der Auftrag hatte nämlich gelautet: „Mach' mir in's Scheunentor zwoa Löcher, a großes und a kloans; oans für's große Katzl und oans für's kloane. Mei, der Hansjosepp hat gmant, dös müaßt so sein, wie's bei die Bauern an an andern Ort oft ist. Aber das ist bei an Junggesell'n a dort nit notwendig."

An dieser blutigen Geschichte waren also die Katzeln schuld und nit die Weiber. Oha — das hat der Hieseljörg dem Katzenhannes erst später gesagt, daß ihm das gar nicht eing'fallen war, sondern daß die Hieseljörgin erklärt hatte: „Esel, 's kloanere Katzl schlieft a durch's große Loch!"

„I hab' mir's glei denkt, daß an der Rafferei a die Weiber schuld sein", antwortete der Katzelhannes, „und wie die Weiber allweil Recht b'halten, b'sonders, wenn sie unrecht haben, schlieft richtig 's kloane Katzl a durch's große Loch." Das kleine Katzl hat der Katzelhannes bald verschenkt, sah er ja doch, daß die große, alte, treue, mit der er an jenem Abend vor der Haustür gesessen war, schon bedeutend für Nachwuchs gesorgt hatte.

Und das war recht so. Denn in einem ordentlichen Bauernhof müssen Katzeln sein. Mausfallen tut sich der Katzelhaunes keine ein, denn er mußte an den Spruch denken:

Und a Weibes is a Mausfall,
Und die Lieb is da Speck,
Und wenn d' da a bois zuwischmeckst,
Kimmst glei nimma weck.

Drum halt sich der Katzenhannes a Katzl als lebendige Mausfall, damit keine größere, lebendige in's Haus kommt. Sell möcht er nit!

„Ja — bist denn Du gar nit weiberleutisch? Hansjosepp?"

„Koa Bißl."

„Ja, warum dös?"

„Weil's an allem schuld sein, schon von allem Anfang an, mit ihren Putz."

„Ja, wie dös?"

Der alte Junggesell klopft sein Pfeifel aus und fragt:

„Ja, war'n mir nit allsamt no in Paradies, wenn d' Eva nit g'wesen war?"

„Woll, woll!"

„Also, da hast es! Weil d' Weiberleut alm eppes Extrigs haben müssen, hat's grad den Bam aus-g'sucht, der verboten gewesen ist; weil d' Weiberleut oan koan Glab'n schenk'n, hat's dem Adam nit glabt, daß 's Paradies verloren ist, wenn's 'n Apfel frißt; weil bei die Weiberleut an andrer allweil mehr z'sagen hat, als der Mann, hat's 'n Tuifel mehrer glabt, als 'n Adam; weil d' Weiberleut, wenn's fein ist, so lang 's Maul offen haben, bis es nimmer fein ist, hat's so lang 'n Adam vorgsumst, bis er nachgeb'n hat.

Und wie fein ist's g'wesen: ohne G'wand sein d' Leut spazieren gangen in der warmen Sunnen und die Viecher sein a fein g'wesen, alle, und koan Arbet hat's geb'n und koa Not, und was Sterben ist, ham d' Leut a no nit g'wißt. Alm hätten sie's so fein haben können. Und da kimmt dös Weibes .... Hab' i nit recht?

Und warum hat's den Apfel wölln? Weil d' Weiberleut überall d' Nasen drein hamm, was sie nix angeht und was sie nit versteh'n, weil sie all's wissen, wenn a koa Mensch woaß, woher sie's wissen und warum sie's wissen, und weil die Weiberleut all's wissen müessen, hat die Eva richtig ihr Nasen in göttlichen Schöpfungsplan ah schon drein g'habt und löst da eppes von an Feigenblatt.

Dös müaßt schön sein, denkt si' d' Eva und schüttelt ihre langen Haar und bringt ihren kurzen Verstand untereinander. Jez hat sie 'n Apfel haben müss'n und 's Feigenblatt, und jez ist all's unteranander kommen, den Herrgott hat's Weibes der-wildet, die Engel hat's derwildet, die Viecher hat's derwildet und 's Paradies ist zug'sperrt wor'n. Und i sag's ja, der Putz ist an allen schuld."

„Ja, wie dös?"

„Verstehst denn nit — dös Feigenblatt ist's erste G'wand g'wesen, und dös hat die Eva haben müessen, und wenn ah 's Paradies hin g'wesen ist! Und heut' is no a so. Und schaug, was sie aus den Feigenblatt für a Gezurf (Hadern) g'macht haben. Was sie für Hudern anhab'n hinten und vorn, und dö Schlampen müessen sie haben und wenn ihnen für anieds Schnupftüechel a Paradies zug'schlagen werd' .... Drum bleib i ledig und sein mir meine Katzeln lieber als die Weiber", sagte der Katzenhannes und stopfte seine Pfeife neu.

Einmal hatte er seine seltsame Geschichte einem fremden Touristen erzählt, und der fragte ihn, ob er denn ein Weib ohne Feigenblatt auch nicht ausstehen könne.

„Ist all's gleich", erwiderte der Katzelhannes, „ist decht all's für die Katz."

Quelle: Anton Renk, Kraut und Ruebn. Kleine Geschichten aus Tirol. Linz 1904, S. 125 - 136
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, September 2005.
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