BAD BRUNN

?, Brixental, Tirol

Wildbad

Legende:

Hintergrundinformation aus volkskundlicher Sicht:

Bad Brunn
Ein längst vergessenes Wildbad

Zur Haltestelle Lauterbach grüßt vom kultivierten Fuße des Nebelsberges Maria-Louisenbad herüber, dessen Name an die Zeiten gemahnt, als die einstige Gemahlin Napoleons das Brixental besuchte. Doch Tisch und Bank und kühler Schatten des Plätzleins bleibt rechter Hand liegen, zur Schottermulde des Brixnerbaches führt der Weg. Dicht umragt von stumpfgrauen Erlen zeigt er erst unmittelbare Nähe von dem Greuel der Verwüstung, welche dieser Talbote seit Jahren an Bauland und Wiese übt. Hoch auf der Mure läuft das unscheinbare Wässerlein in fester Dämmung und Gras und Geschiebe ringsum, das sich am Eingang des Tales gestaut. Aufwärts steigend in dem monotonen Erlengebüsch, das den Ausblick wehrt, ist die Schön erreicht, der ehemalige Bluembsuch des anliegenden Feiring. Häuschen treten auf, ehemals wohl Knappenwohnungen, und bald ist der Gaimpen, die stolze Pyramide, vor dem Auge. Grade drunter auf geringer Erhöhung ein Häuschen in der Wiese - Brunn, das Ziel der Wanderung.

Wasser rieseln und bereits im Heraufwandern belehrte ein Bäuerlein, daß da heroben ein fürtreffliches Wasser ausgehe, wie es weitum nicht zu finden. Beim Näherkommen an das Holzgebäude kein Laut, als ob kein Bewohner vorhanden. Die offene Haustüre verstattet den Eintritt und schwerer tritt der Fuß auf, sich hörbar zu machen. Endlich ein Geräusch auf dem Söller, ein Weiblein kommt hurtig die Stiege herab. Ob da das "Badhäusel", unsere Frage. Doch all das Interesse, das staubige Akten eingeflößt, es solle nicht weitere Nahrung finden. "Da heißt's an Brunn und nit anders, 's Badhäusl ist draust bei Lauterbach; ös seid's weit umgangen," meint die Alte und wies in der Richtung nach Maria-Louisenbad. Die Erwiderung, daß wir von dorther käm n und nach dem alten Wildbad suchen, begegnet ungläubiger Aufnahme. "Na, na, da is nie kein Bad g'wesen, da seid's irrgangen," behauptet hartnäckig das Weiblein. Unser nachhaltiger Eifer, recht zu behalten, die Berufung, daß noch alte Schriften von dem Bestande des Bades wissen und der Hinweis auf den Namen der Baulichkeit als Badhäusel finden allmählich Gehör. Auf der Bank vor dem Häuschen im Anblicke des prall sich auftürmenden Gaimpen sitzend, erzählt das rührige Weiblein, wie viele Leute auf der Wallfahrt nach Harlesanger an dem Hausbrunnen einen Trunk Wasser geholt, aber nie habe sie ein Sterbenswörtl noch von einem Bade an der Stelle gehört. - Erst über die Rede, daß das Bad seit mehr als hundert Jahren abgegangen, beruhigte sie sich, zeigte die Quellen, sechs an der Zahl, welche alle fast in unmittelbarer Nähe ausgehen und wohl in alter Zeit dem Orte den Namen und die Benützung schufen.

Rührend ist die bescheidene Rechtlichkeit, mit der diese Nymphe die Quellen hütet. Vom Geplätscher des Hausbrunnens, dessem Verkosten noch Worte des Lobes über die Güte des Wassers folgen läßt, umtönt, geht die Rede, daß das alte Bad wieder aufgerichtet werden könnte. "Ah, das darf man nit tun, das wär ein großer Schaden fürs Louisenbad," meint sie ganz aufgebracht von dem Gedanken einer derartigen Fürsorge für die leidende Menschheit.

Die betuliche Art und die verständige Rede läßt länger verweilen und im Laufe des Gesprächs zeigt sie auch des Hauses Einrichtung, die nimmer daran gemahnt, daß ehemals hier geplätschert wurde.

Die Erwähnung des Urbarbuches vom Jahre 1607 der Dörfer Lauterbach und Feiring "Wildpad und Herbrig drauf ob des dorffs Feuring auf ihrem Gmain Bluembsuech" zeigt eine kleine dörfliche Einrichtung aus dem Ausgange des Mittelalters, als noch Bäder für eine allgemeine Notwendigkeit galten, das Interesse um das vergessene Örtlein war einmal angeregt und ließ nicht Ruhe, warum dies Badl im Munde des Volkes so ganz vergessen wurde.

Ward noch Zachäus Khilsamber Bader in Brunn bei der Leichenbeschau des Betpruders auf der Galsen (1648) herangezogen und erscheint im Forstraitbuch der Pflege Itter in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts vorerst Christof Khilsamber, von 1671 - 74 Simon Gattinger Bader in Brunn, hierauf Simon und dann Martin Fröschl im Holzbezuge, so mag schon damals der Badebesuch zurückgegangen sein. War es doch die Zeit, in welcher religiöse Erweckung mit all den früheren Erinnerungen brechen ließ. Kapellen ringsum wurden erbaut, ein Stillbegnügen fand Aufnahme und die Bäder, die wegen mancherlei Freiheiten einen Anstoß boten, wurden verpönt. Auch das stille Örtlein mochte von der Zeitstimmung verspüren; wären doch sonst nicht die "Gmainpadtsgerechtigkeit" von der Behausung getrennt (1704) und Bestimmungen getroffen worden, die auf die Dauer jeden Besuch verleiden mußten: "Die Fray ledig aigene Padtsgerechtigkeit im Brunn, allwo zwar derselben Innhaber in der Behausung alldort sich in nichte anmaßen befuegt, dargögen aber den Khößl und die Padstuben, welcher alles zu solchen Endte der Besitzer des Hauses jederzeit paulich inenzuhalten und so offt mans vonethen, umb die durch den Padermeister Bezahlende drey Khreizer zu haizen schuldig, sowohlen im Baden, Schwizen und schröpfen, als auch für die iene Leith, welche sich der Brunnens Cur bedienen Ungehintert zu gebrauchen, Und hierinen sein Handtierung nach Belieben zu Exercieren berechtigt ist"
(Pflegittersches Grundbuch gegen Mitte des 17. Jahrhunderts, S. 653)

Die nachfolgenden Erwerber der Badegerechtigkeit mögen Erwähnung aus dem Grunde finden, um die Namen der ehemaligen Badinhaber, welche wohl kaum alle die Gerechtigkeit voll ausübten, um als Bader zu gelten, festzuhalten. Deren steigender Wert im Laufe eines Jahrhunderts ist aber kaum ein Zeichen, daß, mag auch ein Rückgang des Geldwertes hierauf Rücksicht genommen haben, die Umgebung von dem einmal gewohnten Plätzlein nicht lassen mochte, sondern wird eher damit in Zusammenhang gebracht werden müssen, daß wieder einzelne Grundstücke zu der Realität zugekauft wurden, somit die Wiedervereinigung der Badegerechtigkeit mit der Baulichkeit stattgefunden hatte. Da kommen vor: Johann Aschner 1717 [50 fl.], Franz Aeschner 1727 [90 fl.], Stefan Wolferstötter 1735 [200 fl.], Franz Aeschner durch "zuruggbriefung" 1736 [200 fl.], Paul Alois Graber 1768 [500 fl.], dessen Bruder Johann Karl Graber 1777 [500 fl.], Josef Zäggl 1784 [740 fl.], Franz Birnpacher 1795 [900 fl.] (Nach dem kurfürstlichen salzburgischen Gewerbekataster hatte Walter den Antritt dieses persönlichen Gewerbes, "dessen Ursprung nicht zu finden", laut Hofratsbefehl vom 26. Juli 1802 erhalten.) Dann übernahm es der Chirurg Anton Steiner 1827, der auch die Badgerechtigkeit zu Lauterbach erkaufte. Schon im Beginne des 19. Jahrhunderts mußte das Bad sehr zurückgegangen sein, selbst Bergrat Schroll erwähnt desselben nur vorübergehend, und als in den zwanziger Jahren das Maria-Louisenbad entdeckt wurde, war es um das alte Wildbad geschehen. Heute erinnert in der Bevölkerung nur mehr der Name "Brunn" daran, wie der Steuerkataster das Gebäude noch als "Badhäusel" festhält.

Quelle: Heimatblätter, Monatsschrift für Geschichte, Natur- und Volkskunde im Unterinntal, 1. Jahrgang, Heft 6, Dezember 1923, S. 3

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