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Mesener Malerei (Malerei von Palaschtschelje) Wie viele andere Kunstgewerbe hat diese Malerei ihren Namen nach der Gegend bekommen, wo sie entstanden war. Der Fluss Mesen entspringt in der Republik Komi, fliesst über den Leschukonskij und Mesener Bezirke des Archangelsker Gebietes und mündet in das Weisse Meer ein. An Ufern der Mesen liegen unzählige malerische Dörfer, von denen viele für ihre Handwerke bekannt waren. So hat man im Dorf Timoschtschelje Tongeschirr gefertigt, im Dorf Kimsha hat man Glöckchen gegossen, in Kojnas wurde schönes Geschirr aus Holz geschnitzt. Die Siedlung Palaschtschelje am mittleren Flusslauf der Mesen war durch ihre bemalten Werke berühmt, die weit über die Grenzen des Archangelsker Gebietes hinaus bekannt waren. Als Zentrum der Malerei wurde Palaschtschelje zum ersten Mal 1904 erwähnt, aber das Kunstgewerbe war viel früher entstanden. Laut den letzten Untersuchungen entwickelte sich Mesener Malerei Ende des 18.Jh – Anfang des 19.Jh (nach anderen Quellen Anfang des 18.Jh) und war ursprünglich ein Kunstgewerbe für Anfertigung und Bemalung von Holzgeschirr. Mesener Malerei hat den Wissenschaftlern viele Rätsel aufgegeben, die sie bis jetzt zu lösen versuchen. Erstens, wurde diese Malerei nur in Palaschtschelje gemacht, in keinem anderen Dorf an der Mesen wurde dieses Kunstgewerbe ausgeübt. Mesener Malerei weist keine übliche Vielfarbigkeit und Buntheit der Volkskunst auf, ihre Ornamente haben eine primitive grafische Form. In heimischer Mundart wurde das Spinnbrett „Kornewucha“ genannt, vom Wort „Koren“ – Wurzel, denn es wurde meistens aus einem Baumstück mit Wurzel gemacht: So entsteht das Spinnbrett-Kornewucha. Museum der Holzarchitektur Malye Korely bei Archangelsk, 11.August 2007 Als besonders geeignetes Holz dafür galten Tannenholz und Birkenholz. Spinnbretter aus Birke haben mehr gekostet, die Männer haben sie für ihre Frauen und Bräute gemacht, und Spinnbretter aus Tanne wurden zum Verkauf angeboten. Das älteste datierte Spinnbrett mit Mesener Muster stammt aus dem Jahr 1815. Das Mesener Spinnbrett. Gehörte meiner Großmutter Anna Fedotowa. Lebskoje, Leschukonskij Bezirk des Archangelsker Gebietes, 08.Juli 2006 Die Mesener Meister benutzten nur zwei Farben beim Malen: rot – Ocker aus dem Uferton - und schwarz – Flammruß, gemischt mit aufgelöstem Teer. Das Muster wurde aufs Holz mit einer Auerhahnfeder, bespitztem Stäbchen oder kleiner oft aus eigenen Haaren gemachter Pinsel aufgebracht. Das fertige Muster bestrich man mit Ölfirnis, der dem Grund beim Trocknen goldene Farbe verlieh. So haben die Meister Spinnbretter mit Mesener Muster bemalt. Museum der Holzarchitektur Malye Korely bei Archangelsk, 11.August 2007 Mesener Muster ist durch Mehrschichtigkeit gekennzeichnet. Man unterscheidet drei Hauptschichten, die von einander durch Reihen mit geometrischen Ornamenten getrennt werden. Fragment des Mesener Musters am Spinnbrett, gefertigt 1900 von Egor Aksjonow in Palaschtschelje. Museum der bildenden Kunst, Archangelsk, 23.Juni 2007
In der oberen Schicht sind Vögel die Hauptfiguren, in der Mitte und im unteren Teil des Blattes herrschen Figuren der Pferde und Hirsche vor. Das lässt sich sehr einfach erklären. Pferde, Hirsche und Vögel waren im Landleben der Menschen sehr wichtig, Hirsche hat man früher an der Mesen genau so wie Pferde gezüchtet. Mesener Muster (Hirsche, Enten, Pferde) am Spinnbrett, gefertigt 1900 von Egor Aksjonow in Palaschtschelje. Museum der bildenden Kunst, Archangelsk, 23.Juni 2007
Auf der Innenseite des Blattes stellten die Handwerker Motive aus dem Alltagsleben dar, das waren:
Auf manchen Spinnbrettern könnte man noch Schenkungsaufschriften lesen. Der Handwerker hatte oft auch seinen Namen und das Datum an dem Spinnbrett geschrieben. Das Motiv mit Schiff am Blattbrett des Mesener Spinnbretts, gehörte Anna Fedotowa, Herkunft unbekannt. Lebskoje, Leschukonskij Bezirk des Archangelsker Gebietes, 08.Juli 2006
Das Motiv am Blattbrett des Mesener Spinnbretts, gefertigt 1909 in Palaschtschelje von D.Nowikow. Museum der bildenden Kunst, Archangelsk, 23.Juni 2007 Das Spinnen war ein mühsamer Prozeß. Das Spinnbrett mit Knäuel und Spindel. Museum der Holzarchitektur Malye Korely bei Archangelsk, 11.August 2007
Holzspindeln, gehörten Anna Fedotowa. Lebskoje, Leschukonskij Bezirk des Archangelsker Gebietes, 09.Juli 2006 Das Spinnbrett spielte im Leben der Frauen auf dem Lande eine sehr wichtige Rolle. An langen Winterabenden versammelten sich die Frauen in einem Haus, brachten ihre Spinnbretter mit und spinnten. Mädchen mussten das Spinnen auch von klein auf erlernen, für kleine Mädchen wurden kleinere Spinnbretter gefertigt und auch mit Muster geschmückt. Das große Spinnbrett und das Kinderspinnbrett, im Besitz der Familie Fedotowa. Das Spinnbrett galt als ein kostbares Geschenk: der Vater hat es seiner Tochter geschenkt, der Mann – seiner Frau, der Bräutigam – seiner Braut. In manchen Orten musste der Bräutigam nach dem Brauch selbst ein Spinnbrett für seine künftige Frau fertigen und das alte Elternspinnbrett wurde als Zeichen der Verlobung zergebrochen. Das Mesener Spinnbrett war am Ende des 19.Jh-Anfang des 20.Jh sehr populär und auf nördlichen Märkten bestand immer eine große Nachfrage nach diesem Artikel. Das Jagd-Motiv am Blattbrett des Mesener Spinnbretts, gefertigt 1921. Museum der Holzarchitektur Malye Korely bei Archangelsk, 11.August 2007
Dieses Kunstgewerbe war leider wie manche andere nördliche Kunstgewerbe an der Mesen in den 30-er Jahren des 20.Jh fast völlig verschwunden. Das Schiff-Motiv am Blattbrett des Mesener Spinnbretts, gefertigt 1926. Museum der Holzarchitektur Malye Korely bei Archangelsk, 11.August 2007 Text und Fotos © Oksana Fedotova Literatur:
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