Kinderreime und Kinderspiele

Kinderreim und Kinderspiel halten nach Form und Inhalt zähe an alter Überlieferung fest. Immer wieder gibt eine Generation der Kinder ihre Reime und Spiele der nächsten weiter. Was einst im kultischen Brauchtum und im täglichen Leben Wirklichkeit war, ist heute in kindertümlicher Überlieferung zu finden.

Diese Überlieferungen gehen heute auch zurück. Zu den Ursachen gehört leider manchmal die Wirkung von Schule und Kindergarten, die direkt oder über Sommerfrischenkinder an die Stelle der Überlieferungen oft unbedeutende Neuschöpfungen setzen und so Bodenständiges verdrängen.

Schulleiter Anton Haag hat am Wattenberg eine reiche Sammlung kindertümlicher Überlieferungen zusammengetragen und für spätere Zeiten festgehalten, und damit auch zu ihrer weiteren Pflege angeregt.

Zum Schlafengehen:

(1) In Gottes Namen giahn ma schlåfn,
sechs Engl tian ins bewåchn,
zwoa z'kopfnd, zwoa z'fuaßnd, zwoa nebn mein,
laß diar dös ganze Haus empfohln sein.

(2)Heia pumpeitschi,
du groaßkopfets Kind,
i koch diar a Pappal
und wirf diars zun Grind.

Zuchtreime:

(3) Heile, heile Segen,
morgen gibt es Regen,
übermorgen Schnee,
dann tut es nimmer weh.

(4) Buttermilch im Kübel
vertreibt alle Übel,
aber wenn sie z' lang steht,
paß auf, wie's dir geht.

(5) Geizkrågn, Hennamågn,
wårt, i wear's da Muetta sågn,
Muetta sågg's an Våta,
Våta sågg's an Schmied,
Schmied sågg's an Håmma,
Håmma schlågg di zsåmm.

(6) Wenn jemand etwas überhört hat und "Wås hast gsågt?" fragt, bekommt er zur Antwort:

A stupfeta Besn, a tscheckate Goaß,
daß d'aa öppes woaßt.

(7) Auf die neugierige Frage "Wo gehst denn hin ?":
Mit'n 0... an I(nn), mit'n Kopf ins Wåsser,
morgn kimm is plåtschnåsser.

Fingerspiele:

(8) Der ist an Wåld gångn,
der hat an Håsn gfångn,
der håt'n hoambråcht,
der håt'n bråtn,
und der Spitzbua håt'n gessn.

(9) "Wieviel Raben hocken auf dein Kopf?" Mit diesen Worten drückt Hans dem Sepp 3 Finger auf den Kopf. Sepp rät: "Vier". "Falsch geraten", lacht Hans und setzt alle 5 Finger an. Diesmal rät Sepp richtig und Hans fragt weiter: "Auffliagn oda hocknbleibn ?" Sepp entschließt sich für dieses. Da gräbt Hans seine Finger tief in Seppens Haarpelz. Denkt sich Sepp: Immer noch besser als "Auffliegen", denn da zieht er mich an den Haaren in die Höhe.

Kniereiterspruch:

(10) Hoppa hoppa Reita,
wenn a fållt, nå schreit a,
fållt a in den Gråbn,
fress'n ihn die Råbn,
fållt a in den Sumpf,
måcht da Seppl plumpf,
fållt a in das griane Grås,
måcht a si sei Hösl nåß.

Verschiedene Reime:

(11) Es regelet, es schneibelet,
es geaht a kålter Wind.
Mei Våter ist ins Oberlånd,
i woaß it, wånn a kimmt.
letz ist a hålt kemmen,
was hat a denn gebråcht?
A Kühlal im Stallal,
a Rossal im Wagal,
a Poppal im Wiagal,
a Schnapsal im Taschal,
a Buttal im Zeggal,
a Ringal am Fingal,
a Bussal auf d'Nåcht!


(12) Es ist amål gwesn
a stumpater Besn,
der ist voar vier Wochn
in Himml auikrochn.
Wie geaht's denn obn zue?
Die Muttergottes tuet spinnen,
die Engl tian singen,
die Hirtn tian blåsn,
die Schafl tian gråsn,
der Erzengl Michl
kocht a guets Mues,
und wenn a will schleckn,
når kriegg a an Steckn.

(13) Laf üba die Hos å,
leg diar die Stiagn u'n,
zindt die Kuah ån,
die Låtern ist bein Kälbern.

(14) Schneid nieder, hock dir a Brot å,
iß an Stuehl und nimm!

(15) Heint geah is nit hoam
und morgn a no nit gschwind,
da weard da Baua schimpfn,
wenn's Knechtl nit kimmp.

(16) Vater unser, der du bist,
der Vater ziecht Mist,
die Muetter, dö schiebt,
daß der Kittl au fliegt.

(17) Ein Huhn und ein Hahn,
die Geschichte geht an;
eine Kuh und ein Kalb,
die Geschichte ist halb;
eine Katz' und eine Maus,
die Geschichte ist aus.

Neckreime auf Namen:

(18) Luis,
nimm die Bix und schuiß!
Håt a någlnuie Bix
und treffn tuet er nix!

(19) Hannes, der Täufer,
der Buttermilchsäufer,
der Erdäpfelpantscher,
der Weiberleutlantscher.

(20) Sepp, Tepp, Hennadieb,
hat die Weiberleut no so lieb.

(21) Max und Moritz sein zwoa Lumpn,
tian an Lehrer an Bauch aupumpn.

(22) Michele, Machele,
br... ins Kachele,
's Kachele rinnt,
's Michele stinkt.

(23) Nikolaus, Nikolaus,
bring ins a toate Maus
und a långs Bandl dru,
daß der (Name) ziachn ku.

(24) Annamirl, Zuckerschnirl,
geah mit mir in Keller,
um a Weindl, um a Bratl,
um an Muskateller.

(25) Helene, widi wene,*
widi wuta katene,
widi wuta katutz,
ist d'Helene nix nutz.

* Wird je nach dem Namen abgewandelt, z. B.:
Karl, widi warl,
widi wuta katarl,
widi wuta katutz, ist der Karl nix nutz.

Schnellsprechreime:

(26) Müller-Michl, mahl mir meinen Metzen Mundmehl.

(27) Unser alter Ofentopfdeckel tröpfelt.

(28) Zwischen zwei Zwetschkenkern zwitschern zwei Schwalben.

Auszählreime:

(29) Eins, zwei, drei,
du bist frei; vier, fünf, sechs,
du bist weg;
siebm, acht, neun,
du mußt es sein!

(30) Eins, zwei, drei, vier,
auf dem Klavier
sitzt eine Maus,
und du bist draus!

(31) Auf der Stiege liegt ein Ei,
wer drauf tritt,
spielt nicht mit!

(32) Mein Våter ist a Rädermåcher.
Wieviel Räder måcht er in oan' Tag ?
Såg oder råt!

(Antwortet der Getroffene z. B. "acht", dann wird - auf allen zehn Fingern - weitergezählt und der achte Finger scheidet aus. Fänger ist, wer am Ende mit einem Finger übrigbleibt.)

(33) Unter Kolsaß ist Weer,
unter Weer ist Pill,
und du bist knill!

Quelle: Karl Horak, Volksüberlieferungen aus Wattens und dem Wattental, in: Wattener Buch - Beiträge zur Heimatkunde von Wattens, Wattenberg und Vögelsberg, Schlern-Schriften, Innsbruck 1958, S. 289 - 308.