Maria Lichtmeß

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

Maria Lichtmeß, eines der ältesten Marienfeste, zuerst in Jerusalem als "Quadragesimae de Epiphania" am 14. Februar mit feierlicher Prozession begangen, also 40 Tage nach Epiphanie (6. Januar), dem ursprünglichen Geburtsfest des Herrn, gefeiert, seit dessen Verlegung auf den 25. Dezember, den Tag des heutigen Weihnachtsfestes, am 2. Februar 1) gehalten. Zugrunde liegt Marias Befolgung des mosaischen Gesetzes (Lv. 12, 2-8), demzufolge sie sich am 40. Tage nach der Geburt Jesu im Tempel zu Jerusalem der Reinigungszeremonie unterzog und das vorgeschriebene Opfer darbrachte, daher auch Puri-ficatio B(eatae) Mariae Virginis, Maria Reinigung genannt, so vorzüglich in der Kirchensprache des Abendlandes, in der des Morgenlandes hingegen Hypapante (Begegnung), lateinisch Occursus Domini, d. i. des Jesuskindes mit dem greisen Simeon im Tempel, diesem Ausdruck nach in der Kirche des Morgenlandes in oerster Linie ein Fest des Herrn, in der des Abendlandes ein Muttergottesfest wie der abweichende Name Purificatio B. M. V. lehrt, von Jerusalem über Konstantinopel und das byzantinische Reich nach Rom übertragen und von hier überall in den abendländischen Kirchen verbreitet, in Rom angeblich durch den Papst Gelasius 2) an Stelle der am 15. Februar gefeierten heidnischen Amburbalienfeste (Luperkalien) Ende des 5. Jh.s eingeführt. Im Mittelalter galt es als feststehend, daß das Fest Maria Reinigung im Gegensatz zu der Februarlustration des antiken Roms gefeiert und die mit dem Feste verbundene Kerzenprozession an Stelle der heidnischen Fackelläufe an diesem Tage getreten sei. Im deutschen Mittelalter drangen mehr und mehr deutsche Bezeichnungen für das Fest ein, nachweisbar zuerst in Urkunden des 14. und 15. Jh.s, z. B. 1343 ,"Van nu bys zu unser vrowen lechtmisse" 3), auch Umschreibungen wie ,"up unser vrouwen avent, as man dey kerzen wyt" 4). Solche Bezeichnungen knüpfen an die am Festtage vorgeschriebene Lichter- oder Kerzenweihe und die Kerzenprozession an, weswegen auch allmählich einfachere Bezeichnungen wie Unser Frauen Lichtmesse oder Maria Lichtmeß oder im Volksmund ganz einfach Lichtmeß, Lichtfeier, Lichtweih, Kerzweihe oder -Messe, Kandelmesse (vgl. latein. Festum Candelarum zu candela = Kerze), Frauentag 5) und noch andere je nach der Landschaft verschiedene durchdrangen. In England heißt der Tag Candlemas, in Frankreich Chandeleur und in der Volkssprache Roms candelora, wie der Spruch zeigt "candelora, candelora, dell' inverno semo fora" (Lichtmeß, Lichtmeß, der Winter ist weg). Bei den Wenden 6) heißt das Fest Zymna Marja, Wintermarie. Die Tschechen 7) nannten den Tag anfangs "svicky" oder "den svicek", Lichttag, wie er in der Lausitz noch jetzt (heute?) Sveckovnica Maria oder Svjecek Maria, in Krain svecenica und bei den Kroaten svecna Marije heißt; später aber gaben die Tschechen dem Fest den Namen hromnice, Donnerfest, wegen der Verwendung der geweihten Lichtmeßkerzen gegen den "Donner". Das Fest erhielt seine Bedeutung innerhalb und außerhalb der Kirche durch die vor dem Hauptgottesdienst am Morgen des Festtages stattfindende Lichter- oder Kerzenweihe und die sich anschließende feierliche Kerzenprozession 8), die früher aus der Kirche herauszog und sich um diese bewegte, heute aber nur innerhalb der Kirche bis zur Kirchtür zieht, wobei Priester und Gläubige die vorhergeweihten Kerzen tragen. Diese kirchliche Kerzenprozession galt und gilt als ein Bittgang 9) zur Abwehr von Übeln, Krankheiten, Hungersnot und zur Erlangung des göttlichen Segens für Haus und Flur. Sie ist seit Ende des 7. Jh.s bezeugt 10), die Weihe der Kerzen durch Weiheformeln und Gebete seit dem 10. Jh. belegt 11). Zweifelsohne spiegeln sich in dem kirchlichen Umzug mit Kerzen die Fackelläufe wieder, die bei den römischen Amburbalien eine wichtige Rolle spielten. Dennoch wird die christliche Lichterprozession von der Kirche nicht als Umbildung der heidnischen Fackelläufe angesehen, kam vielmehr nach ihrer Ansicht als Gegensatz zu dem heidnischen Brauch der Lustrationsfeier des Februars (Luperkalien, Februatio, Amburbale) in Aufnahme. Infolge der Segnung wurden die Lichtmeßkerzen Sakramentalien und gewannen neben ihrer symbolischen Bedeutung, die sie in Hinsicht auf Christus, von Simeon nach Luk. 2, 32 "ein Licht zu erleuchten die Heiden" genannt, haben, durch die bei ihrer Weihe gesprochenen Gebete besondere apotropäische 12) Kraft. Deshalb sorgte und sorgt man vielfach auch noch heute dafür, daß in jedes Haus eine am Feste M. L. geweihte Kerze gelangt. Früher scheint die Kirche 13) selber solche Lichtmeßkerzen gegeben zu haben, so wie sie noch heute zu Ostern die gläubigen Familien mit geweihten Palmen und Weihwasser versorgt, während später, so noch heute in ländlichen Gegenden, die Gläubigen selber Wachskerzen zur Weihe in den Hauptgottesdienst mitbringen, vielfach insbesondere eine dicke Hauskerze 14). Über die Lichtmeßkerze im Volksleben sowie über die Bedeutung des Lichtmeßtages im Glauben und Brauch des Volkes s. oben 5, 1262- 1272 u. Lichtmeß.

1) Franz Benediktionen 1, 442f.; Kellner Heortotogie I32ff.; Lucius Heiligenkult 481Ö.; Michelsen Zur Entstehung und Geschichte des Lichtmeßfestes (Festgabe für Richard Haupt 1922) 1490.; Nork Festkalender 141 ff.; Eisenhof er Kathol. Liturgik 151; Freudenthal Das Feuer 9f.
2) Über die Literatur zu dieser Frage (Baronius, Pagi, Wissowa, Usener, Grisar) s. Kellner a.a.O. 134 (1).
3) La-comblet Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins 3, 317.
4) Ennen-Eckertz Quellen zur Geschichte der Stadt Köln 4, 183.
5) Z. B. Wrede Elfter Volksk? 206; ZfrwVk. 25 (1928), 80.
6) Schulenburg Wend. Volks-thum 140.
7) Reinsberg Böhmen 39.
8) Über Umzüge mit Lichtern allgemein s. Knuchel Umwandlung 100f.
9) Franz Benediktionen 1,445.
10) Liber Pontificalis. Ausgabe Duchesne I 376; Eisenhofer Kathol. Liturgik 152.
11) Franz Benediktionen 1, 445.
12) Franz Benediktionen 1, 456; Eisenhofer Kathol. Liturgik r.52.
13) Wrede Rhein. Volkskunde2 243: ein Kölner berichtet 1566, wie er in seiner Pfarrkirche am L.tage die Kerze empfängt, ein andermal, wie er im Verein mit andern Kirchmeistern die L.kerze bekommt.
l4) Z. B. Leoprechting Lechrain 158; Schlicht Altbayernland u. Altbayernvolk 61.


Wrede.