Nikolausbrauchtum in Baden und anderswo

Elard Hugo Meyer (1900)

Das größte Kinderfest ist noch immer wohl der Mehrzahl der badischen Jugend das St. Nikolausfest, an dem die Paten so freundlichen Anteil nehmen. Der Heilige stellt sich in Rottweil, Grunern und Krozingen, wenn auch nicht in jedem Haus, als Bischof dar. In Wolf ach schnitzen sich die Kinder schon 2-3 Wochen vorher ein vierkantiges Stäbchen, das "Klausenhölzle", das Kerbholz, worauf sie täglich die Zahl der gebeteten Vaterunser getreulich einschneiden. Am Vorabend des Klaustages wird das Hölzle vor die Haustür gelegt. Nikolaus riecht dann daran und erfährt dadurch, ob die Kinder auch wirklich so viele Vaterunser gebetet haben, als Einschnitte gemacht sind. Dann tritt er oft selbst mit seiner Bischofsmütze und Rute oder seinem Stabe ein, prüft in Religion, legt je nach dem Ausfall der Prüfung Geschenke ein und scheidet mit der Mahnung zum Gehorsam. Auch in Klein-Laufenburg erscheint er in weißem Gewande und mit weißem Barte, eine Krone auf dem Haupt. Ihn begleitet manchmal der schwarze "Rubelz" mit einer langen eisernen Kette, an die er die bösen Buben anketten soll. In Unterlenzkirch, wo er gleichfalls weißbärtig mit einer Glocke, einem Sack voll Äpfel usw. und einer Rute ins Haus kommt, teilt er nach der Prüfung Geschenke oder Schläge aus. Das Klausenholz wird vor dem Zubettgehen neben eine Schüssel, in die er nachts seine Gaben trägt, auf den Tisch gelegt. Hat das Kind mehr Schnitte gemacht als Vaterunser gebetet, so macht der Heilige das Holz in der Nacht schwarz. Ähnlich bei Überlingen. Überhaupt kehrt das Klausen- oder Betholz (in Grunern und Menzingen), das Sametklaushölzl (in Unteralpfen) durch das ganze Land wieder. Weil St. Nikolaus oft mit einem Esel, der die Gaben trägt, kommt, wie in Holland auf einem Pferd, so wird in Buchholz (Waldkirch) Hafer und Roßmist vors Haus gebracht, damit der abhanden gekommene Hafer und der zurückgebliebene Mist beweisen, daß der Esel wirklich vor der Tür war. In Achdorf (Bonndorf) setzen sie sogar zum Heu Branntwein vors Fenster, in Berau (Bonndorf) zu einem Becken ein Gläschen "Hung" (Honig) und ein Gläschen Schnaps. Nach dem Glauben in Unteralpfen (Waldshut) hat er einen Glaspalast im Bodensee und spricht mit den Eltern auf dem Markt in Waldshut, wo die Marktleute in seine "Wanne" Geld werfen. In Hugstetten (Freiburg) wohnt St. Nikolaus auf dem Kirchturm und reitet, durch den Hausvater dargestellt, in Aschentuch eingehüllt auf dem Knecht herein, der auf allen Vieren kriechend den Esel macht. Der Pickesel in Mietersheim (Lahr) aber ist ein schwarzer, vermummter Mann, der zum Nikolaustage mit dem gekrönten oder bekränzten Christkind umgeht.

In Öflingen begleitete vor dem Siege des Christbaums den Heiligen außer dem Esel noch ein Büttel. Gewöhnlich hat sich aber der Heilige in einen oft schellenrasselnden Pelznickel oder Pelzbuob (Boizebue) oder Benzenickel d. h. in einen vermummten wilden Mann verwandelt, von Tegernau im Kleinen Wiesental über Hornberg bis ins Unterland und fränkische Bauland hinein, oder in einen Rupelz, z.B. im Kaiserstuhl, im Unter-Bühlertal, in Ober-Harmersbach, oder in einen Knecht Ruprecht in Todtmoos, in Bernau (St. Blasien), oder in einen ebenso weit, von Konstanz und Villingen über Gutach bis ins Unterland verbreiteten Pelzmärte oder Belzmörde (d. h. Pelzmartin), wie denn überhaupt das Martins- und das Nikolausgabenfest an manchen Orten Deutschlands verschmolzen und beide dem Christfest unterlegen sind. So erging es auch den Martins- und Nikolausschmäusen und andern Bräuchen, die auf Weihnachten, bzw. den Stephanstag verlegt wurden.

Nur an einigen Orten hat sich länger eine über das Kindesalter hinausgreifende Bedeutung des Nikolausfestes erhalten, wie in Reichenbach (Gengenbach), wo man auch die Dienstboten am "Klaustag" mit Kleidern beschenkte. In den meisten Orten, namentlich in den protestantischen, ist der volkstümliche Heilige vor dem Christkindle in stetem Rückzuge. […]

Weitverbreitet ist der Brauch, daß ein weißgekleidetes verschleiertes Mädchen als Christkindle, oft vom Pelznickel in furchtbarer Vermummung begleitet, am Christabend die Geschenke der Eltern in die Küche oder eine Nebenstube legt oder selber den Kindern überreicht, oder es kommt mit einem Mädchen oder Burschen, die, mit einem Aschen- oder Leintuch über einer Heugabel bedeckt, einen Esel, in Fußbach (Offenburg), "Eselsbock" genannt, darstellen sollen, oder es hat wenigstens eine Rute bei sich. Die Weißgekleidete läßt die Kleinen beten und singen, auf den Esel müssen die bösen sitzen und bekommen die Rute, so in Tiefenbach (Eppingen). In Unzhurst (Bühl) reitet sie auf einem Esel und kommt, wie man sagt, vom Gebirge und vom Himmel her. In Häg im Wiesental hat das Christkindle sogar ein eselbespanntes Wägelchen, dem man vielfach abends vor dem Haus den Weg bahnt, eine Stiege zum Fenster, hinter dem der Gabenteller steht, erbaut und Futter richtet. In der Bruchsaler und Brettener Gegend legt man abends vor die Haustür oder häufiger auf den Mist ein Bündel Heu, das am Christmorgen dem Vieh zum Fressen gegeben wird.

Um Bamberg kam um 1850 vor Weihnachten die eiserne Bertha und nach Weihnachten der Hel-Niclos, ein in Erbsenstroh gehülltes Schreckbild, das aber Äpfel spendete. In Untersteiermark läßt zu Weihnachten die Pudelmutter oder Perchte die Kinder beten und schlägt sie mit der Rute oder schenkt ihnen Nüsse, Äpfel, auch kleines Geld. In den 60er Jahren ging am Weihnachtsvorabend in den Straßen und Häusern der auch in Thüringen bekannte Erbsenbär mit Schellen verziert herum.

Quelle: Elard Hugo Meyer, Nikolausbrauchtum in Baden und anderswo, 1900.
zitiert nach: Diethard H. Klein, Wetterregeln, Bauernweisheiten und alte Bräuche, Augsburg 1998, S. 281 - 284.
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