Der Volksglaube in Küche und Haushalt.


Von Hans von der Trisanna.
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Das tägliche Leben ist reich an Beweisen, daß alter Volksglaube, wie er vor Jahrhunderten gang und gäbe war, noch nicht ausgestorben ist. Es ist interessant, wie das Volk seine sinnige Meinung, an diesen und jenen Gegenstand knüpfte. Törichtes und Kluges, Sinniges und Abgeschmacktes treffen sich da hart an der Grenze. Aber immerhin ist es notwendig, daß dieser Volksglaube, diese Volksmeinungen vor der Vergessenheit gerettet werden. So manche dieser Meinungen entspringen oft einem sehr tiefen Hintergedanken. Auch in der Küche bleibt der Volksglaube noch in Geltung und trägt reichliche Blüten. Hier ist der Machtbereich der Hausfrau, und Frauen halten zäher an den Überlieferungen als die Männer.

Von den gebräuchlichsten Gewürzen ist es besonders das Salz, welchem eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Salz verschütten ist nicht gut. Das bedeutet Zank und Streit im Hause und bei Hochzeiten gar eine unglückliche Ehe. Wer mutwillig Salz auf den Boden streut, muß für jedes Körnchen einen Tag warten, wenn er zur Himmelstür hinein will. Am Dreikönigtag läßt die Bäuerin in der Kirche Salz weihen, um schädliche Einflüsse fernzuhalten.

Irgendwo in Tirol soll der Brauch bestanden haben, am Christ- und Silvesterabend zwölf Nußschalen mit Salz gefüllt aufzustellen. Diese bedeuteten die zwölf Monate. Jene der Schalen, die um Mitternacht am meisten Feuchtigkeit aufwies, soll dem feuchtesten Monat im Jahr entsprochen haben. Die verliebte Köchin versalzt die Speisen. Salz bietet Schutz gegen Verletzung.

Speisereste geben die Leute gerne an Bettler, Handwerksleute und arme Leute des Ortes her, denn es kommt gutes Wetter, wenn nichts übrig bleibt. Am Weihnachtsabend ist aber das Gegenteil der Fall. Von all den Speisen, welche am Weihnachtsabend aufgetragen werden, muß etwas übriggelassen werden, dann wird man das ganze Jahr keinen Mangel an den notwendigsten Eßsachen im Hause haben. In manchen Gegenden schüttet man sogar eine Kleinigkeit unter die Obstbäume, damit sie reichlich Früchte tragen, und auch auf die Tenne, dann werden die Mäuse keinen Schaden mehr machen…

Das Brot, dieses so wichtige Nahrungsmittel im Hause des Menschen, findet im Volksglauben besondere Beachtung. Bezieht man eine neue Wohnung, so trägt man zuerst Brot in dieselbe. Das bringt Segen. Dem Kind in der Wiege legt man ein Stück Brot unter das Kissen, damit es vor Hexen gefeit sei. Mit dem Brot unachtsam umgehen, es wegwerfen u. dgl. ist nicht ratsam. Solche Leute werden noch einmal bitter Hunger zu leiden haben. Nicht einmal Brotkrümchen sollen auf dem Boden liegen. Findet man ein Stück Brot im Straßenkot, soll man es aufheben und mit nach Hause nehmen. Fährt ein Wagenrad über ein Stück Brot, so schreit der Wagen laut auf. Einen Brotlaib soll man nicht verkehrt auf den Tisch legen. Das Brot soll völlig wie ein gesegneter Gegenstand behandelt werden.

Das Ei ist das Symbol der Fruchtbarkeit, auch ein Schutzmittel gegen Zauber. Erbsen werden in den Rauhnächten nicht gegessen (sie sollen eine Festspeise der germanischen Gottheit Donar gewesen sein). Butter soll man nicht zu viel essen, sonst stoßen einem die Kühe. Wer viel Suppe ißt, lebt lange. Auch soll die Suppe ein gutes Mittel sein, widerspenstige Ehemänner zu zähmen. Vor dem Betläuten soll keine Milch aus dem Hause getragen werden. Die erste Milch von Kälberkühen („Biest“) soll man unter einen Holunderstrauch schütten, dann sind die Kühe vor Erkrankungen und Unfällen geschützt.

Eine gefährliche Bedeutung hat der Löffel. Man soll nicht mit einem fremden Löffel essen, so man seinen eigenen haben könnte. Muß es dennoch sein, so blase man vor der Benützung dreimal hinein, sonst könnte einem etwas angetan werden. Den Löffel während des Essens fallen zu lassen, ist nicht ratsam, da einem sonst ein Unheil widerfahren könnte. Auch das Messer berührt der Volksglaube. Liegt das Messer mit der Schneide nach oben, so haben die Hexen im Hause keine Gewalt, jedoch bedeutet dies, daß zwischen den einzelnen Hausgenossen bald ein Streit ausbrechen werde.

Mit dem Messer soll man kein Getränk umrühren, sonst bekommt man Leibschmerzen. Ein Messer zu verschenken, ist nicht gut, weil man damit eine Freundschaft abschneidet.

Läßt man den Kochtopf in der Nacht unbedeckt, so wird im Hause jemand nicht schlafen können.

Küche und Rauchfang ist in der Gewalt der Hexen. Auf der Ofengabel und dem Kehrbesen reiten die Hexen zum Rauchfang hinaus zur wilden Fahrt. Will man einen Wirbelwind beschwören, wirft man die Ofengabel zum Fenster hinaus. Will man den Hexen in der Nacht die Küche versperren, so stellt man zwei Besen kreuzweise oder einen Besen neben die Küchentür. Kreuzweise übereinandergelegte Späne am Küchenherd tun auch ihre Wirkung. Ins Feuer im Küchenherde zu spucken, ist nicht rätlich, da man einen bösen Mund bekommt. Es ließen sich die Beispiele für das Fortwirken des Volksglaubens in Küche und Haushalt noch fortsetzen.

Quelle: Hans von der Trisanna, Der Volksglaube in Küche und Haushalt, in: Tiroler Heimatblätter, 4. Jahrgang, Heft 12, Dezember 1926, S. 359 - 360.
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