Das Werden von Schwaz.


Von Dr. Ludwig Knapp, Schwaz.
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Es bleibt sich gleich: man mag sich vom Unterinntal Schwaz nähern oder von Innsbruck herunter kommen, jedesmal bietet sich dem Auge das gleiche typische Bild: aus der Häuserreihe ragt die alte Pfarrkirche, von der Höhe schaut die Frundsberg ins Tal und am Berghang des Falkensteins schimmern die Halden der aufgegebenen Bergbaue. Es sind die Wahrzeichen von Schwaz, die mit seiner Geschichte untrennbar verbunden sind.

Eine zusammenhängende Ortsgeschichte steht immer noch aus; die hindernden Lücken sind derzeit zu groß, um ein solches Werk schaffen zu können: in Schwaz selbst finden sich fast keine Archivalien. Einen erheblichen Teil des umfangreichen Schwazer Bergwerksarchivs brachten die Bayern bei der Invasion 1805 nach München, der übrige Teil verbrannte mit den anderen Schwazer Archiven im Unglücksjahr 1809. In den letzten Jahren wurden in München eine Reihe von Raitbüchern der Pfarrkirche Schwaz aufgefunden, die jetzt dem bekannten Historiographen des Pfarrkirchenbaues, Pfarrer Kneringer, sehr zugute kommen. Die verschleppten Archivalien des Schwazer Bergwerkdirektorates befinden sich noch in München auf dem Dachboden eines Ministerialgebäudes. Eine wichtige Fundgrube wäre auch das Fuggerarchiv in Augsburg, doch ist der Zutritt aus guten Gründen erschwert. So ist man auf die im Land verstreuten Archivalien angewiesen; die bekannte Schwazer Chronik ist unzuverlässig. - Die vorliegende Skizze will, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nur in großen Zügen den geschichtlichen Werdegang der Stadt Schwaz vorführen.

In einer freundlichen Ausweitung des Inntales an der alten Römerstraße liegt Schwaz; auf dem Schuttkegel des Lahnbaches ist mehr als die Hälfte des Ortes erbaut, der Inn teilt es in zwei ungleiche Stadtgebiete. Amphitheatralisch zieht es sich zu Füßen des Kellerjoches bis zum stadtbeherrschenden Hügel der Frundsberg hinauf. Von Nordwesten schauen die zerklüfteten Wände des Karwendels in die Straßen der Stadt; im Norden bietet das sanft profilierte Stanser Joch gerade keinen imposanten Anblick. — Klimatisch ist Schwaz nicht so günstig gestellt wie sein Nachbarort Vomp; man erkennt sofort, daß die Siedlung von Schwaz nur durch den Bergbau sich derart entwickeln konnte und Vomp überflügelte, das eigentlich den natürlichen Raum für eine Großsiedlung bietet.

Ob Schwaz in der jüngeren Steinzeit Siedlungen aufwies, ist bis jetzt unbekannt; es können noch keinerlei Funde aus der Steinzeit verzeichnet werden. In der Bronzezeit hat der Schuttkegel des Lahnbaches schon Siedlungen getragen, wie die Funde von St. Martin bezeugen. In dieser Zeit — etwa 1000 vor Christus — breitete sich in Tirol, in den Ostalpen, in Oberitalien und im nordwestlichen Teil der Balkanhalbinsel das Volk der Illyrer aus. Die Kelten sind nur an einzelnen Stellen ins Land gedrungen; ob sie den Boden von Schwaz vorübergehend besiedelten, ist nicht sicher anzunehmen. Die Illyrer, die auch im Raum von Schwaz sich ansiedelten, waren Bauern, die ihre Wohnsitze nicht in der Talsohle aufschlugen, sondern aus Gründen der Sicherheit auf Höhen und Hängen siedelten. Eine gewisse Kultur war den Siedlern von Schwaz eigen: die Funde von St. Martin bestehen aus Waffen, Gebrauchsgegenständen und Schmuck. Das Schicksal dieser ersten bekannten Siedlung aus der Bronzezeit ist uns nicht bekannt; eine große Lücke gähnt bis zur Römerzeit. Nachdem mehrere Strafexpeditionen der Römer gegen das „Land im Gebirge“ erfolglos gewesen waren, marschierte Drusus in Tirol ein und besiegte in hartnäckigen, verlustreichen Kämpfen die Rätier, wie die Bewohner Tirols von den Römern genannt wurden. Die prächtige Heerstraße, die von den Siegern in Tirol angelegt wurde, ist im Raume Schwaz im Zuge Ried — Haggasse — Berggasse gut zu verfolgen. Die günstige Lage an der Römerstraße läßt vermuten, daß der heutige Burghügel von Frundsberg ein römisches Kastell getragen hat: die Funde römischer Münzen am Hügelhang deuten auch darauf hin; die Grundmauern des Bergfrieds harren noch einer genauen fachmännischen Untersuchung.

Möglicherweise waren die „Heidenzechen" am Eiblschroffen (am nordwestlichen Abfall des Falkensteins) schon zu damaliger Zeit, wenn nicht schon früher, der erste Schauplatz bergmännischer Tätigkeit.

Im Sturm der Völkerwanderung, die auch vor dem Land im Gebirge nicht Halt machte, hat die römische Ansiedlung ihren Untergang gefunden; die Bajuvaren drangen von Norden her ins Land und besiedelten es bis zur Bozner Gegend.

Im zehnten Jahrhundert taucht zum erstenmal in einer Urkunde der Name des Ortes auf; es ist überhaupt die erste urkundliche Erwähnung von Schwaz. Im Salzburger Salbuch lesen wir, daß die Witwe und Nonne Himiltrud dem Erzbischof Odalbert (923 — 935) von Salzburg ihre Güter bei Mils, Vomp, Schwaz und Wiesing schenkt — ad Mulles st Vonapo atque Suates sive Vinsinga….. Germanisch ist der Name nicht, romanisch auch nicht; haben den Platz die Illyrer so getauft oder entstammt er früheren Zeiten? Die Frage bleibt noch offen. Bald hören wir mehr von Schwaz: aus den Schenkungsurkunden des Stiftes St. Georgenberg erfahren wir, daß schon zu Anfang des zwölften Jahrhunderts die beiden Ortschaften Vomp und Schwaz zu einer Pfarre vereinigt waren,- den Pfarrer, der in Vomp seinen Sitz hatte, stellte St. Georgenberg. Kirchlich war Schwaz bis 1645 Vomp unterstellt. Der Name Schwaz wechselte in diesen Zeiten zwischen Suates — Suazes — Suaz.

Zu Anfang des 14. Jahrhunderts erhielten die Frundsberger den Blutbann über Schwaz und Vomp und das Recht, alle 14 Tage in Schwaz einen Wochenmarkt abzuhalten; bald darauf — in der ersten Hälfte des Jahrhunderts — schenkte Heinrich von Rottenburg in seinem Testament 1337 u. a. auch der Frauenkirche von Schwaz 50 Pfund Berner. — Noch lebte Schwaz ein geruhsames Leben; ein kleines, unscheinbares Dörflein lag am Burghügel; die Brücke über den Inn war damals nicht so lebhaft frequentiert wie heute. Doch es sollte bald anders werden: zu Anfang des 15. Jahrhunderts öffnete das Gebirge südlich und östlich von Schwaz dem geldhungrigen Menschen seine Pforten und zeigte ihm die unermeßlichen Schätze an Fahlerz und Kupfer. Aus aller Herren Länder strömten Unternehmer und Knappen zusammen, um am Falkenstein Grubenanteile und Arbeit zu bekommen. Man hatte nicht Zeit, sich eine eigene Bergordnung zu schaffen. In der ersten Zeit galt die Bergordnung von Schladming in Stetermark; auch die uralten Bergrechte von Trient bekamen Einfluß; später wurden die Bergrechte von Gossensaß eingeführt. Der Landesfürst Herzog Friedrich förderte naturgemäß den Bergbau, da er klug die ungeheuren Vorteile erkannte, die ihm durch das Bergregal erwuchsen. Erst unter seinem Sohne Sigismund wurde nach einem Gutachten von Schwazer Gewerken im Jahre 1449 eine Bergordnung ausgearbeitet, die allerdings immer wieder ergänzt werden mußte. Inzwischen war die Erzförderung immer gesteigert, worden: einheimische und ausländische Gewerken bemühten sich nach Kräften, die Bergschätze zu heben. Aus der einfachen Form des Unternehmertums entwickelte sich bald die kapitalistische Vetriebsmethode, der sich bald der Frühmerkantilismus zugesellte. Infolge der wahnwitzigen Finanzpolitik des Innsbrucker Hofes bekamen die Gewerken Herzog Sigismund sehr bald unter ihren Einfluß. Es würde viel zu weit führen, wollte man alle die Anleihen behandeln, die auf Kosten des landesfürstlichen Anrechtes am Schwazer Bergbau gemacht wurden: die Summen wechseln von Hunderttausenden von rheinischen Gulden bis zwei Gulden: die unsinnig verschwenderische Hofhaltung, die außenpolitischen Pläne Sigismunds und nicht zuletzt seine vielen Amourschaften mit den daraus entspringenden Folgen brachten Sigismund in schwere Abhängigkeit von den Schwazer Gewerken. Zu Ende des 15. Jahrhunderts fanden sich auch die Fugger in Schwaz ein und gewannen bald eine dominierende Stellung.

In die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts fällt der Pfarrkirchenbau. Durch Blitzschlag wurde die erste Kirche im Jahre 1429 zerstört; die bald darauf gebaute Kirche wurde der rasch anwachsenden Einwohnerschaft zu klein, sie wurde im Jahre 1460 niedergerissen und der Grundstein zu einer neuen gelegt; doch auch diese erwies sich alsbald zu klein und man begann im Jahre 1489 mit der vierten Kirche, wie aus den Forschungen Pfarrer Kneringers ersichtlich ist. Die vierte Kirche ist uns erhalten geblieben; wir bewundern an ihr die Genialität des Bildhauers und Architekten Erasmus Grasser. Auch die neue vierschiffige Kirche wurde für das gläubige Volt zu klein und man begann im Jahre 1507 mit dem Bau der Franziskanerkirche.

Infolge der andauernden Streitigkeiten mit den Bergbauunternehmern verließen die Frundsberger zu Anfang der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Schwaz und übersiedelten nach Mindelheim. Schwaz war inzwischen zu einer ansehnlichen Ortschaft herangewachsen: nicht nur Knappen hatten sich in großer Zahl angesiedelt, auch Gewerbe und Handel blühten auf. Der Kirchenbau hatte Kunst und Kunsthandwerk nach Schwaz gezogen; Schulen wurden errichtet, und das mittelalterliche Volksschauspiel hielt seinen Einzug. Doch auch die ersten Knappenaufstände fallen in diese Zeit und beleuchten grell die sozialen Zustände; stetig nahm die Kluft zwischen Gewerken und Arbeitern zu, eine Folge des Eindringens des Großkapitals.

Als Maximilian I. die Regierung von Tirol übernahm, stand der Bergbau auf der Höhe und blieb es auch während der Zeit seiner Regierung. Nach dem Lehenbuch des Bergbaues (im Besitz des Verfassers) standen um diese Zeit gegen 140 Gruben am Falkenstein in Tätigkeit, die Förderung an Fahlerz und Kupfer war groß, und es ist nicht übertrieben, wenn man 20.000 Bergknappen zählt. Es ist nun eigentümlich, daß Schwaz ein Markt blieb und nicht zur Stadt erhoben wurde; den Gewerken wären wohl die Stadtprivilegien erwünscht gewesen, nicht aber die Pflichten und Kosten, die ihnen daraus entsprungen wären.

Als im Jahre 1525 der Bauernaufstand in Tirol losbrach, hielten die Bergknappen zum Landesfürsten, der sie gegen die aufrührerischen Bauernrotten ausspielte; ein merkwürdiger Umstand, wenn man bedenkt, daß zu damaliger Zeit schon ein erheblicher Teil der Knappenschaft der Lehre Martin Luthers anhing und mit den sozialen Umsturzideen recht intensiv sympathisierte. Begreiflich wird die Haltung dadurch, daß sich zwischen Bauernschaft und Bergknappen eine tiefe Kluft gebildet hatte, die nicht zuletzt auf die einseitigen Verordnungen Sigismunds zurückging, die die Gewerken und Bergarbeiter auf Unkosten des Bauern begünstigten.

Die Reformation hielt in Schwaz in zweifacher Gestalt ihren Einzug: die Lehre Martin Luthers bürgerte sich hauptsächlich bei den Gewerken und Bürgern ein, während die radikalen Sendboten des umstürzlerischen Wiedertäufertums mehr bei den Knappen gläubige Ohren fanden. Die Innsbrucker Regierung wandte sich besonders gegen den Anabaptismus und wütete gegen ihn mit Feuer und Schwert. Während dieser Zeit voll Kampf und Unruhe fand der Meistersang in Schwaz eine gute Heimstatt; Schwaz ist der erste Ort Österreichs, in dem der Meistergesang gepflegt wurde. Nach längerem Widerstreben gewährte die Regierung zu Anfang des dritten Jahrzehntes des 16. Jahrhunderts den Meistersingern von Schwaz einen Saal im Pflegegerichtsgebäude zu ihren Proben und Ausführungen; der Saal ist heute noch erhalten — allerdings, man frage nicht wie — und zeigt an seinen Wänden Sprüche von Hans Sachs und prächtige Renaissancegemälde.

Daneben blühte das Mysterienspiel: die Raitbücher der Pfarrkirche berichten davon und die Chroniken erzählen von gelungenen Aufführungen auf der „Pölzbühne“, die heute noch im Ostteil des Friedhofes zu sehen ist, Christgeburtspiele wechseln mit Auferstehungsspielen, Himmelfahrtsspiele finden sich neben den Spielen von Job u. a.

Seit dem Jahre 1525 ging es mit dem Bergbau — wenn auch zuerst ganz unmerklich — abwärts. Die Ursachen, die den Niedergang zur Folge hatten, sind verschiedener Natur; die bedeutendsten sind: der unrationelle Raubbau der Gewerken, die nur darauf bedacht waren, die erworbenen Grubenanteile ohne Rücksicht auf spätere Zeiten auszunutzen; die unzulänglichen Mittel der Wasserlosung, die das Arbeiten in den Horizonten unter der Inntalsohle auf die Dauer nicht ermöglichen konnten; die soziale Revolution, die das Knappenvolk immer wieder zu Ausständen, ja sogar zu bedenklichen Demonstrationen aufrief, und nicht zuletzt die Wirren der Reformation und des Wiedertäufertums. Die aufgereizten Knappen ließen sich soweit hinreißen, in Sabotageakten am Bergbau ihre Rachlust zu kühlen; nicht nur einmal ließen sie eine Reihe von Gruben ersäufen, so daß ungeheurer Schaden entstand. Fortwährend liefen bei der Innsbrucker Regierung Klagen und Beschwerden ein: die Gewerken verlangten ständig Nachlaß des Wechsels oder zum wenigsten eine ausgiebige Herabsetzung der Abgabe; die Bergarbeiterschaft führte seit dem Eindringen des Großkapitals einen erbitterten Kampf gegen das Trucksystem, das die Knappen schwer benachteiligte, die Forderungen nach Lohnerhöhung wurden immer häufiger und lauter. Das patriarchalische Verhältnis, das zu Anfang des Bergbaues bestand, war vollkommen verschwunden; dafür tat sich eine tiefe soziale Kluft auf. Diese Mißstände und den Niedergang des Bergwerkes zu beseitigen, trat 1556 eine große Bergwertssynode zusammen, die aber der bestehenden Verhältnisse nicht mehr Herr werden konnte. Anläßlich dieser Synode wurde ein Tiroler Bergbaubuch angefertigt, das wahrscheinlich den Bergbeamten Läßl zum Verfasser hat 1), von den Zeichnungen, die Schwaz betreffen, ist eine diesem Aufsatz beigegeben.

Schwaz, Tirol, im Jahr 1556, aus dem "Schwazer Bergbuch"

Schwaz im Jahre 1556
Aus dem "Schwazer Bergbuch"

Es ist das Mittelstück einer Schwazer Ansicht um das Jahr 1556: es zeigt uns das stadtähnliche Gepräge von Schwaz, das zu damaliger Zeit seine größte Ausdehnung aufwies; besonderes Interesse erweckt die gedeckte Innbrücke mit ihren Verkaufsständen in der Mitte der Brücke. Die Spitalkirche, die um die Mitte des Jahrhunderts schon erbaut war, ist allerdings etwas phantastisch ausgefallen.

Das bekannte Bild von 1630 2) zeigt Schwaz in seiner größten Erstreckung; es ist um vieles größer als das heutige: Haus an Haus reiht sich an den Ufern des Inns, die Knappei erstreckt sich enggedrängt auf dem Schuttkegel des Lahnbaches bis dicht an das Schloß Frundsberg; die Erz- und Getreidekästen finden sich in der Nähe des Flusses; an Stelle der heutigen Tabakfabrik stand das Bruderhaus, das Spital und Versorgungshaus für kranke und altersschwache Knappen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Gegend des Lahnbaches östlich von der Pfarrkirche: die heutige Aufschüttung, die wie eine Mauer die Stadt vom Dorf abschließt, ist nicht zu finden: ganz eben führt der Weg von der Pfarrkirche ins Dorf. Die folgenschwere Lahnbachkatastrophe des Jahres 1669, bei der zahlreiche Häuser zerstört und eine erhebliche Anzahl von Menschen getötet wurden, hat die Aufschüttung verursacht; seitdem müssen die Schwazer über den Lahnbachbühel ins Dorf wandern. Der Lahnbach ist ein launisches Rinnsal und hat des öfteren dem Orte Not und Verderben gebracht: eine Reihe von Katastrophen hat er verursacht.

Das 17. und 18. Jahrhundert stand im Zeichen des Niederganges des Bergbaues: eine große Abwanderung hatte begonnen; wenn auch inzwischen neue Erzgänge abgebaut werden konnten, so war doch die Zahl der Knappenschaft enorm gesunken. Immerhin erfreute sich aber Schwaz trotz alledem eines gewissen Wohlstandes und hatte als Sitz des Bergwerkdirektorates Ruf und Ansehen; wenn man die Chroniken und Aufzeichnungen aus diesen Zeiten liest, so wird einem die Kunde, daß das ansässige Bürgertum sich gar angenehm das Leben einzurichten wußte und des Jahres bunten Kreis mit allen möglichen Festlichkeiten und Spielen schmückte. Bei den Passionsspielen in der Karwoche kamen derartige Ausschreitungen vor, daß die Regierung mit einem Verbot einschreiten mußte.

Die Napoleonischen Kriege wurden das Schicksal für Schwaz. Drückte schon die Besetzung seit 1806 schwer auf die Schwazer, so brachte das Unglücksjahr 1809 die furchtbare Brandkatastrophe, die, begleitet von Mord und Plünderung, den Wohlstand von Schwaz mit einem Schlag vernichtete. Noch in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts standen die Brandruinen und erzählten von den Greueln der Schreckensnacht von 15. auf 16. Mai 1809. Um der verarmten Bevölkerung zu helfen, errichtete die Regierung in den Dreißigerjahren eine staatliche Tabakfabrik; der Bergbau war nicht mehr in der Lage, die traurigen Verhältnisse zu beseitigen; er war zu einem unscheinbaren Betrieb heruntergesunken, der mit der früheren Bergbauherrlichkeit keinen Vergleich aushalten konnte. Langsam — Schritt für Schritt — erholte sich der Marktort vom furchtbaren Unglück, das ihn getroffen. Doch Bürgerfleiß überwand alle Schwierigkeiten; bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts war Schwaz schon aus dem ärgsten heraus, so daß man sich nicht zu verwundern braucht, wenn sich Hermann v. Gilm in Schwaz wohl fühlte. Im Jahre 1899 wurde Schwaz zur Stadt erhoben.

Heute ist Schwaz ein gemütliches Landstädtchen, in dem sich ganz gut leben läßt; in den heimeligen Gassen und Straßen umwittert uns die „alte gute Zeit“, vorwitzige Erker und alte Wirtshausschilder laden zu feuchter Einkehr in Gaststätten, die schon dem allzeit durstigen Knappenvolk willkommene Labsal brachten. Handel und Gewerbe sind rührig dabei, Schwaz zu heben und Kunst und Wissenschaft sind in Schwaz keine Stiefkinder. Albert Jäger ist ein Kind unserer Stadt; leider hat ihn die Nachwelt etwas vergessen. Eine Reihe von Künstlern schafft unentwegt und unverdrossen und bringt der Heimat Ehre. So ist der schwergeprüfte Ort fleißig an der Arbeit und stiebt stetig in die Höhe.

Wenn der freundliche Leser mancherlei vermißt, so sei ihm zur Antwort, daß diese Skizze nichts anderes als eine anspruchslose Ferienplauderei ist, die örtlich fern von den Geschichtsquellen in der Sommerfrische aus dem Gedächtnis niedergeschrieben wurde. In späteren Folgen der Tiroler Heimatblätter soll mehr über Schwaz erscheinen, in der Hauptsache Aufsätze über einzelne Geschehnisse und Zeitabschnitte.

Kössen, am 8. Heumond 1929.

1) Das Bergbuch von Lätzl befindet sich im Museum Ferdinandeum zu Innsbruck.
2) Siehe: Pirkl-Graml „Schwaz in Tirol“ 1925.

Quelle: Ludwig Knapp, Das Werden von Schwaz, in: Tiroler Heimatblätter, 7. Jahrgang, Heft 7/8, Juli/August 1929, S. 202 - 208.
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