Einiges vom Bergbau im oberen Vinschgau


Josef Pardeller
© digitale Version: www.SAGEN.at

Mit dem Erlöschen des Schmelzwerkes in Prad um 1800 kam auch die Bergbautätigkeit im oberen Vinschgau zum Stillstand, die in den vergangenen Jahrhunderten den Besitzern von Bergwerken, wenn nicht immer reiche Erträgnisse, so doch mitunter brauchbare Tausch- und Pfandobjekte abwarf.

Heute weiß sich das Volk noch von Erzvorkommen, hauptsächlich von Silber und Gold, zu erzählen, die im Innern der Berge jetzt noch vorhanden sein sollen und in früherer Zeit aus den unendlich tiefen „Knappenlöchern“ zu Tage gefördert wurden. Damit ist meist schon die Kenntnis vom Bergbau, der vielen Menschen dauernd Arbeit und Brot schuf, erschöpft. Obwohl sich der verstorbene Schulleiter Heinrich Waschgler sehr bemühte, für seine Chronik von Stilfs möglichst viele diesbezügliche Notizen zu sammeln, ist ihm das nur in geringem Maße gelungen. Einerseits mögen ihm handschriftliche Aufzeichnungen nicht zugänglich gewesen sein, anderseits ist anzunehmen, daß eine Menge davon verlorengegangen ist, u. a. auch die Akten über Belegschaften, Erträgnisse und sonstige bergmännische Belange im oberen Vinschgau, die in Schwaz hinterlegt waren und bei den Befreiungskämpfen im Jahre 1809 zu Grunde gegangen sein sollen.

Die Schlacken- und Metallfunde auf den vorgeschichtlichen Siedlungsplätzen geben die Gewißheit, daß schon lange vor unserer Zeitrechnung in gewissem Umfange Bergbau betrieben wurde und daß es die Urbevölkerung verstanden hat, Kupfer und später auch Eisen zu verarbeiten.

Unvermutet stößt man in der Nähe von Schurfstätten oft auf Schlacken, die eine Verhüttung an Ort und Stelle, wahrscheinlich im ersten nachchristlichen Jahrtausend, andeuten.

Den eigentlichen Beginn des gewerbsmäßigen Abbaues verschiedener Erze, wenigstens in der weiteren Umgebung, nimmt man um das Jahr 800, unter Karl d. Gr., an, der anfänglich den Bergbau im Scarltale (Unterengadin) gefördert haben soll. Um das Jahr 1200 erscheinen die Vögte von Matsch als Inhaber von Gruben in Poschlav im Veltlin und 1347 verliehen die Vögte Ulrich und seine Vettern Hans und Hartwig v. Matsch dem Ritter Ulrich v. Planta und seinen männlichen Nachkommen das Eisenbergwerk in Vuldera (Münstertal) mitsamt dem dazu benötigten Wasser und Holz von Zufell bis gegen Zernez. Zur gleichen Zeit stellte der Markgraf Ludwig denen v. Planta einen Verleihbrief über alle Silber- und Goldgruben von Martinsbruck bis Pontalt aus, auch erwarb Konrad v. Planta im Jahre 1332 das Schurfrecht aus Eisengruben in Vuldera.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts behauptete Herzog Sigmund gegen den Bischof von Chur das landesfürstliche Eigentumsrecht der Bergwerke (in Tirol), doch bestätigte der Kaiser Friedrich den Churer Bischöfen den Besitz derselben in ihrem Gebiete (Engadin). Dieses Besitzrecht wurde aber schon 1486 zu Gunsten von Österreich entschieden.

Mit einiger Berechtigung kann man annehmen, daß um die Jahrtausendwende auch im oberen Vinschgau der Bergbaubetrieb eingesetzt hat, der sich am längsten im Trafoi- und Suldentale, nachweisbar von 1352 bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts, erhalten hat. Im Mittelvinschgau ist dies für das Martelltal anzunehmen.

Die Tschenglsberger Grafen hatten u. a. auch die Bergwerksgerechtigkeit in Sulden, die sie mit dem Rumwaldhofe im Jahre 1533 den Grafen Trapp und Sinkmoser abtraten. Als Pächter der Eisengruben dort wird im Jahre 1567 ein Georg Raffl, Wasser- und Hammerschmied, genannt, der die Grafen Trapp bat, das Bergwerk wieder zurückzunehmen, da es sich nicht mehr rentiere.

Mit der Erlaubnis, in ganz Tirol Bergwerke zu errichten, die Peregrin Vittori im Jahre 1461 zugesprochen erhielt, erlangten manche Orte bergmännischen Aufschwung. An der Etsch gelegen werden im 16. Jahrhundert die Bergwerke von Schneeberg, Terlan, Nals, Goldrain, Schlanders, Martell, Eyrs, Prad, Stilfs und Glurns aufgezählt.

Während vorher immer nur von einem Eisenbergwerk in Sulden die Rede war, wird um diese Zeit erstmalig der Abbau von Kupfer und silberhaltigem Bleierz im Tale von Trafoi—Stilfs erwähnt. Auch bestanden in Valmastair (roman. Bezeichnung für Münstertal) Erzgruben, in denen goldhaltiges Gestein geschürft wurde.

Das Bergwerk in Eyrs hatte um die Mitte des 16. Jahrhunderts der Abt von Marienberg, Bernhard, mit Hans Hammerl u. a. inne. Der erstere bewarb sich auch um die Gruben im Tale Scarl, aus denen er Gold zu gewinnen hoffte. Nach großen Geldaufwendungen mußte dieses Unternehmen aufgegeben werden, da angeblich das verhoffte Metall viel zu tief lag. Am Ausgange des 15. Jahrhunderts bestand ein Berggericht in Eyrs, um das ein Jörg Schreiber „um 30 Mark solds“ ansuchte.

Durch Kriege und wegen Geldmangels erfuhr die Bergbautätigkeit im oberen Vinschgau zeitweilige Unterbrechungen. Sie hielt sich ohnedies, wie es scheint, nur mit wechselndem Erfolge aufrecht.

Ein neuerlicher Aufschwung machte sich erst wieder bemerkbar, als am Beginne des 18. Jahrhunderts das staatliche Schmelzwerk in der Prader Schmelz errichtet wurde. Dieser ist auch durch den Zuzug von Bergknappen aus dem Inntale, besonders nach Stilfs, gekennzeichnet.

Wie schon erwähnt, wurde anfänglich die Verhüttung in der Nähe der Erzfundstätten durchgeführt. Das daraus gewonnene Metall (Silber und Blei) mußte bis zum Jahre 1480 nach Meran und später an die neuerrichtete Münzstätte nach Hall abgeliefert werden.

Im Jahre 1554 bestand im Martelltale eine Schmelzhütte. Michael Kürschner zu Schlanders verkaufte seinen Drittelanteil an dieser an Ludwig Schmiedhofer.

In der Umgebung des heutigen Vellensteinhofes in Sulden sollen sich noch die Reste eines Schmelzofens feststellen lassen. Tatsächlich hieß dieser Hof bis zum Jahre 1755 auch Schmiedhof und „Ofenwies“, auf dem auch Georg Raffl 1567 seßhaft war.

In Prad wird ein Schmelzwerk im Jahre 1601 urkundlich erwähnt, das dann im Jahre 1724 entweder umgebaut oder neu hergestellt wurde. Wohl versuchten die Prader dagegen Einwendungen wegen Holzmangels, fehlender Holzlenden, Wassergefehr, ungesunden Rauchs usw. zu erheben, die aber nichts fruchteten. Für das Schmelzwerk in Prad standen die staatlichen Wälder im Tale zur Verfügung, aus denen in den Jahren 1727 bis 1731 bei 2400 Klafter Brennholz entnommen wurden.

Jedenfalls nur mehr mit einer geringen Belegschaft und mit großem Kostenaufwand waren die Eisengruben in Sulden und die Kupfer- und Bleistollen in Stilfs noch um 1790 in Betrieb, bis sie schließlich ganz aufgelassen wurden.

Im Jahre 1805 trug man sich dennoch mit dem Gedanken, den Bergbau nochmals zu beginnen. In einem Imster Waldausweis wurde der jährliche Holzbedarf für die Wiederinstandsetzung der Bergwerke und Schmelzhütten mit 13 600 Klafter und für 20 bis 30 Jahre hinreichend ausgewiesen.

Als die bayr. Regierung im Jahre 1812 das Schmelzwerk in Prad veräußerte, war die Bergbautätigkeit im oberen Vinschgau beendet.

Die Schmelzöfen, die sich, der Überlieferung nach, hinter der sogenannten Schwarzen Wand am Eingang in das Trafoital befunden haben sollen, wurden beim Bau der Stilfserjochstraße abgetragen und überschüttet; die Werkgebäude bilden heute einen Teil des Weilers Schmelz und fanden für Wohnzwecke Verwendung.

Die dort befindliche kleine Kapelle soll von den Bergknappen errichtet worden sein. Der Altar derselben trägt die Inschrift: „Der frey Gewerken und Arztknappen, Bergkgericht Imst, Bruderschaftsaltar. — Elias Pichler, der Zeit Perkrichter alda, Anno 1677“. Der kais. Majest. Werkinspektor und Bergrichter im oberen Inntal und Vinschgau, Franz Michael v. Leitner, stiftete im Jahre 1745 für diese Kapelle einen Kelch mit der Bedingung, daß sie eingeweiht würde.

Heute sind in Sulden, Trafoi, Gomagoi und Stilfs manche noch gangbare Bergwerksstollen bekannt, viele mögen schon verschüttet sein. Die ältesten Kupfergruben werden in der Nähe von Kaschlin vermutet, die schon in vorchristlicher Zeit abgebaut wurden. Die höchstgelegene des Tales, eine Bleigrube, befindet sich zwischen dem Razoi- und Zaitale in einer Höhe von 2450 m.

Nachfolgend führe ich noch eine Reihe von Bergbautätigen an, die sich bisher in handschriftlichen Aufzeichnungen von Stilfs ermitteln ließen:

Abburg Mathias, Huetmann in Prad um 1760.
Adamm Johann, Faber Ferrarii, 1692 Sterbebuch (=Stb.) Stilfs.
Altstätter Georg, Knapp, 1727 Trauungsbuch (= Trb.) Stilfs, später kais. Huetmann.
Altstätter Johann, Metallarius von Hall, 1737 kais. Knappenhuetmann.
Angerer Thomas, Metallari, 1761 Stb.
Ascher Nikolaus, k. k. Berg- und Schmölzverwalter zu Prad, 1789.
Auder Georg, Knapp von Tösens, 1736 Bruderschaftsbuch (=Brschb.).
Creuzler Martin, Knapp, 1753 Stb.
Eyberger Martin. Schmölzverwalter zu Prad, 1740 Verfachbuch (=Vfb.).
Gfall Jörg, Knapp vom Kaunsertal, 1736 Brschb.
Graf Christian, Metallarius, 1753 Stb.
Haas Jakob, Knapp, 1732 Vfb.
Heißeler Christian, Metallarius, 1738 Brschb.
Heißeler Jost, Knapp, 1736 Brschb.
Hochsing Johann, Metallarius, aus der Pfarre Serfaus, 1756 Stb.
Jaufner David, Metallarius, 1765 Stto.
Jeich Christof, Metallarius vom Imsterberg, 1736 Brschb.
Jeich Georg, Knapp, 1767 Brschb.
Jeich Josef, Metallarius, 1738 Brschb.
Jeich Ludwig, Knapp, am 12. 9. 1772 in Spanien im Krankenspital gestorben Vfb.
Karl Michael, Metallarius, 1737 Trb.
Karl Peter, Metallarius, 1765 Stb.
Khnapp Andree, Knapp, 1753 Vfb.
Leitner Franz Michael, kgl. Bergrichter und Waldmeister, auch Werkinspektor im Oberinntal, 1745 Urk. Prad.
Lutz Johann, Metallarius, 1776 Stb. (Knapp).
Lutz Johann, Knapp, 1790.
Marth Andree, Metallarius, 1757 Stb.
Neuhauser Franz, Faber Ferrari, 1742 Taufb.
Neuhauser Johann, Metallarius, 1742 Trb.
Obholzer Barthlmä, kais. Schmelzhuetmann in Prad, 1736 Vfb.
Pechtl Franz, Metallarius, 1738 Brschb. 1771 Stb.
Pfeifer Christian, Wagner, 1757 Stb.
Pfeifer Philipp, Faber Lignari, 1767 Stb. (=Wagner od. Zimmermann).
Platzer Christian, Faber Ferrari, 1750 Stb.
Platzer Josef, Faber Ferrari, 1767 Taufb.
Piger Johann, Metallarius, 1737 Vlb.
Pinggera Michel, Ferinari Fureti, 1767 Stb.
Posch Georg, Metallarius, 1735 Vfb.
Purger Markus, Knapp, 1750 Stb. (gestorben in Alaprösa).
Schöpf Christian, Ferinari Fureti, 1767 Brschb.
Schöpf Urban, Metallarius, 1738 Brschb., 1763 Stb.
Schrantz Christian. Knapp, 1734 Brschb.
Schweizenberger Michael, Berghuetmann, 1760 Vfb., 1782 Bergwerksoffizial in Schwaz.
Sutor Paul Michael, Hauptbuchhalter in Schwaz, 1771 Urk.
Taffaser Fliri, kais. Holz- u. Zimmermeister, 1757 Vfb.
Thoma Christian, Knapp, 1736 Stb.
Thoma Kaspar, Metallarius, 1744 Taufb.
Wassermann Johann, Knapp von Laudiger Gericht, 1736 Brschb.
Zangerle Bernhard, Metallarius, 1732 Vfb., 1767 Stb.

Quellenangabe:
Chronik von Stilfs.
Joh. Georg Mayer, Geschichte des Bistums Chur.
B. Foffa, Das bündnerische Münstertal.
Egger, Geschichte Tirols.
Wolfsstrigl-Wolfskron, Tiroler Erzbergbau.
Ottenthal u. Redlich, Archivberichte aus Tirol.
Josef v. Sperges, Tirolische Bergwerksgeschichte.

Josef Pardeller

Quelle: Josef Pardeller, Einiges vom Bergbau im oberen Vinschgau, in: Der Schlern, Illustrierte Monatsschrift für Heimatkunde und Volkskunde, 23. Jahrgang, 4. Heft, April 1949, S. 162 - 164.
© digitale Version: www.SAGEN.at