838 - Der Verräter



Unter den trübsten Gedanken vergingen dem Weltabgeschiedenen die Tage.1) Gegen die Jahreswende erhielt das Versteck vermehrte Einquartierung. Plötzlich erschien, nicht aufgehalten vom tiefen Schnee, Hofers Frau mit dem Sohne Johann. Sie hatte sich drinnen am Schneeberg nicht mehr sicher gefühlt vor den Nachforschungen der Franzosen. Man blieb nun beisammen und richtete sichs her, so gut es ging. Je bevölkerter die Hütte wurde, desto problematischer wurde die Sicherheit, die sie gewähren sollte. Die ihm befreundeten Besucher freilich, das wusste Hofer, würden ihn nicht verraten. Um die Verfolger irre zu leiten, ließ er aussprengen, er sei nach Wien entkommen. Der Richter des Tales, welcher seine Wochenrapporte nach Meran erstatten musste, konnte nichts anderes melden, als dass, während die andern Briganten durchwegs in ihre Heimstätten zurückgekehrt seien, man von Hofer und seiner Familie nichts erfragen könne. 2)

Wenige Tage nach der Ankunft von Mutter und Sohn gab es auf der Alm wieder eine Überraschung — keine willkommene. Angelockt durch Fußspuren und den aufsteigenden Rauch war Franz Raffl zur Hütte vorgedrungen, ein Mensch des schlechtesten Leumundes. Höchlich erschraken die Insassen, mit einem Geldgeschenk hoffte der Sandwirt vom Unheimlichen Stillschweigen zu erkaufen. Raffl sagte es zu, aber Böses brütend stieg er abwärts. Der auf Hofer gesetzte Preis wollte ihm nicht aus dem Kopf. Es war bereits am 5. Januar, als er den von den Franzosen zum Ortsaufseher in St. Martin bestellten Peter Ilmer aufsuchte, um ihn einzuweihen. Die schwarze Tat allein zu tragen, schien selbst einem Raffl zu schwer. Er vertraute also dem Ilmer an: er wisse den Hofer, der sich schon längere Zeit droben auf den Bergen aufhalte; auf ihn seien 1500 Gulden gesetzt, sie beide könnten das Geld gut brauchen. Der Angesprochene war sehr betroffen, er konnte nicht glauben, dass der Sandwirt, von dessen Flucht er immer reden hörte, noch im Tale zu finden sein sollte. Aber Raffl tat sehr zuversichtlich: er könne ihn gerade hernehmen; daher sollten sie beide zur Nachtzeit nach Meran gehen, beim General die Anzeige machen, mit dem verdienten Lohn dann heimlich ins Tal zurück, und kein Mensch hat etwas bemerkt. Ilmer erschauderte: »Einen Menschen verraten wie den Hofer, das ist viel zu

1) Joh. Hofer notiert: „Seine Beschäftigung war Beten und nicht sein sondern das Schicksal von ganz Tirol bedauern."
2) So im Bericht vom 19. Dez.   Richter Hellriegel in Bozen meldet 26. Dez. -„Der Sandwirt war nie in Sarntal zu spüren, er soll bei einer Kastanienfuhr in einem leeren Fass nach Österreich geschmuggelt worden sein." J. St. Ein interzipierter Brief (ohne Unterschrift, wahrscheinlich geschrieben von Oberrauch) an Hofer  vom 17. Januar begrüßt ihn mit den Worten: „Mit unendlicher Freude habe ich erfahren dass du glücklich aus der Hand der Feinde entkommen bist und dich in der Mitte mächtiger Freunde befindest." M. St.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 838

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.