655 - Sittenpolizei


sicher noch besser an. Was er darüber herausgab, entsprach seiner Überzeugung und einem Herzensbedürfnis, wenngleich die Feder etwa eine geistliche Hand führte. Die Güte Gottes, so verkündet er schon in seinen ersten Regententagen, hat sich an unsern Ereignissen besonders gezeigt, Gott muss dafür gepriesen werden. „Ich habe dem Herrn gelobt, die christliche Religion nach Kräften zu befördern und dieses Versprechen will ich halten. Mit aller schuldigen Ehrfurcht ersuche ich Sie (die Priester), die Gebete und Danksagungen zu verstärken und sich zu verwenden, dass in unserem Vaterlande die Hindernisse des Guten geschwächt, die Gefahren für die christliche Religion entfernt und die Anhänglichkeit an Religion und Tugend befördert werde.“ Damit in engem Zusammenhang stand ihm die Wahrung einfacher, ehrwürdiger Sitte. Geistliche und weltliche Obrigkeit wird aufgerufen zu wachsamer Sittenpolizei. Nun gibt es nicht mehr, wie unter dem Intendanten, Festredouten; in Städten, Dörfern und Häusern soll, außer bei Hochzeiten, dem Tanz entsagt werden. Während des feierlichen Sonntagsgottesdienstes und nach der Polizeistunde haben die Wirte ihre Schenken geschlossen zu halten. Gegen Nachtschwärmer soll fleißig patrouilliert und mit Leibesstrafen eingeschritten werden. Väter unehelicher Kinder sind der Obrigkeit bekannt zu geben, damit sie zur Erfüllung der Alimentationspflicht verhalten werden können. Zum größten Teil Vorschriften und Maßregeln, welche Dorfvorstehern, die auf Ordnung hielten, geläufig waren. Viel mehr besprochen, wohl auch bespöttelt wurde ein anderes Gebot des Sandwirts. Man weiß, wie leicht Landleute Anstoß nehmen an städtischen Kleidertrachten, die ihnen die gute Sitte zu verletzen scheinen. Hofer hat einer bei ihm vorsprechenden Dame die Türe gewiesen, weil ihr Kleid zu wenig geschlossen war. Der Gedanke jedoch, in dieser Beziehung diktierend aufzutreten, ist nicht dem Sandwirt gekommen, sondern dem alten Herrn v. Stadler, welcher sich an dekolletierten Frauen ärgerte. Er betrat eines Tages die Kanzlei in der Hofburg und hinterlegte einen sehr fehlerhaft geschriebenen 1) Entwurf zu einem Erlass, der einen züchtigen und frommen Lebenswandel anbefahl und gerichtet war gegen „die Frauenzimmer von allerhand Gattungen, die ihre Brust und Armfleisch zu wenig und mit durchsichtigen Hadern bedecken", welche sich hoffentlich bessern, „widrigenfalls sie es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn sie auf eine unbeliebige Art mit Unrat bedeckt werden". Bei seinen Beziehungen zu Hofer war es Stadler nicht schwer, dessen Unterschrift zu erlangen. Darin war die Aufforderung oder doch die Erlaubnis zu einer

1) Damit sollte wohl der Anschein erweckt werden, dass das Mandat unmittelbar von Hofer selbst herrühre. Adjutant Purtscher hat den Entwurf umgeschrieben und ihn in den Model eines zur Publikation dienenden Schriftstückes gegossen. Dar. erzählt Purtscher in seinen Schriften. A. W.

Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 655

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.