638 - Hofer an den Kaiser


Trutzverse stiegen, wobei der Herr Vater sich in der Rolle des Vorsängers gefiel. Spätestens um 11 Uhr herrschte in der Burg tiefe Ruhe. Der einzige Luxus, den sich Hofer gestattete, war eine Wache. Meist wurde sie von seinen Passeirern beigestellt, aber auch städtische Kontingente kamen dafür in Verwendung. 1) Auch ihnen gegenüber verleugnete der Sandwirt den gemütlichen Bauer nicht. Kam es doch vor, dass er, der erste aus den Federn, ohne Strümpfe und Schuhe in der Wachstube erschien und die verschlafenen Gesellen fragte, wie ihnen die Nacht bekommen.

Seit Mitte August war Hofer der Regent des Landes, von keinem gekrönten Haupte autorisiert, sondern berufen vom Wunsch des Volkes, das in dieser Zeit der Anarchie einen Mann an der Spitze sehen wollte, der mit seinem Namen die bürgerliche Ordnung gewährleistete. Was von einer förmlichen kaiserlichen Bestellung oder von Regententiteln, die er sich beigelegt, geredet wurde, war leeres Gerücht. 2) Der Sandwirt hat sich auch nie um eine Bestätigung beworben, aber immer im Namen des Kaisers gehandelt. In dem ersten Schreiben an Kaiser Franz, das er von der Hofburg aus richtet, erinnert er den Monarchen an dessen feierliches Wort, Tirol nie mehr von Österreich trennen zu lassen, und an die Opfer, die das Land bisher gebracht: „Da wurde uns vom Erzherzog Johann der Waffenstillstand mitgeteilt, wo es hieß, dass der Feind das Land wieder besetzen soll. Zugleich wurde uns nahe gelegt, wir sollen die Gnade des bayrischen Königs anflehen, woraus ersichtlich ist, dass wir wieder von Österreich getrennt werden sollen. Wir haben aber nochmals den Feind hinausgeworfen. Aber es drohen uns große Gefahren. Da ersuchen wir nun E. M. um Hilfe. Sollten jedoch die Umstände unmittelbare Hilfe unmöglich machen, so wollen E. M. dem getreuen Lande wenigstens die gegenwärtige Lage der Dinge mitteilen, um hieraus ersehen zu können, ob weiterer

1) Auch Knoflach ist bei Hofer Wache gestanden; eben bei dieser Gelegenheit konnte er das bäuerliche Leben in der Burg belauschen. „Leibwachen" zu halten scheint auch bei anderen Hauptleuten beliebt gewesen zu sein. Straub stellt 3. Sept. dem Jos. Moser sen. „meiner Leibwach" Zeugnis aus.
2) Die Mém. de Mais schreiben: „Heute (18. Aug.) kam die Nachricht, dass Hofer vom Kaiser selbst zum Oberkommandanten von ganz Tirol mit aller politischer Gewalt bestellt sei." Ein Wiener Brief (Girtler an H. Albrecht 20. September A. F.) erzählt, Hofer unterschreibe sich als „Graf von Tirol, so lang Gott will".



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 638

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.