609 - Der 12. August ein Rasttag


jetzt in der Stunde des eigenen Unglücks schien der Franzose eher geneigt, die Verdienste seiner deutschen Kameraden anzuerkennen. Von Arco, der als Befehlshaber der Nachhut die allergrößten Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, rühmte er nun die außerordentliche Tapferkeit und pries ihn sowie den Obersten Wittgenstein als Mann seines besonderen Vertrauens. 1)

Der 12. August war für die ermüdeten Truppen, soweit sie nicht Vorpostendienste versehen mussten, endlich wieder ein Tag der Ruhe. Aber die einlaufenden Nachrichten liessen in der Generalität kein Gefühl der Sicherheit mehr aufkommen. Man erfuhr von jenem Überfall der Reisenden in Unterinntal, von der Flucht des sonst beliebten Schwazer Richters Bohonowsky, von der Plünderung eines Magazins in Schwaz, wo die abgelieferten Waffen waren aufgestapelt worden. Recht fatal war die Aufhaltung des Miesbacher Getreidetransportes. Denn in Innsbruck drohte bereits Hungersnot. Die Marktleute blieben gänzlich aus, die auf das Gäu entsendeten Fleischhauer kehrten ohne Ware zurück. Eine Kommission ging von Haus zu Haus, um die noch vorhandenen Mundvorräte zu konsignieren. Die Not allein schon hätte zu baldigem Abzug gezwungen. Die Frage war nur, auf welcher Strasse. Die über Seefeld war zwar kürzer, aber steil, und von der Martinswand an hatte man es mit den Oberländern zu tun. Schon am 12. sprach Drouet von der „Retirade über Rattenberg". 2) Nur um die Stadtbevölkerung im Zaume zu halten, gaben die Bayern als ihre Absicht aus: nichts von einem Abzug, sondern verzweifelte Gegenwehr. Einschüchternd sollte auch eine Strafexekution wirken. Die Höttinger hatten bei Firlers Angriff mitgetan. Der Dorfvorsteher Eder, die längst kompromittierten Huter und Natterer wurden vorgerufen, und als sie sich nicht einfanden, mit der Niederbrennung des ganzen Ortes gedroht. Die Einwohner zitterten vor einem zweiten Schwaz; auf ihre flehenden Bitten begnügte sich Major Theobald mit der Demolierung von Natterers Hause.

Hall wurde von Rouyer mit dessen Sachsen unter Aufsicht gehalten. Diese hatten die Ellbögenerstrasse mit geringeren Schwierigkeiten

1) Bald nach Lefebres Abzug erzählte man sich (so auch Hepperger a. a. O.), Major Theobald, der Stadtkommandant, habe sich gegen Lefebre allzu freie Meinungsäußerung erlaubt, sei dann in den Hofgarten geführt und dort zusammengehauen worden. Diese Sage widerlegt schon die Tatsache, dass Theobald am 18. August auf der Strasse nach Salzburg die Vorhut führte. (Völderndorff II, 325.) Nicht anders wird es sich verhalten mit der von Anton Plattner erwähnten „Enthauptung eines sächsischen Obersten im Pavillon des Hofgartens", obgleich der Schützenzeitung 1855, p. 39, die Aussage eines Augenzeugen vorlag, „der heute noch lebt". Auch Eberhöfer (Schatz p. 112) gedenkt dieser dunkeln Sache.
2) Weinbach a. a. O. über ein Gespräch mit Drouet. Weinbach wäre für die andere Richtung gewesen: „Über Seefeld wäre der Weg näher und die Macht der Aufständischen wahrscheinlich schwächer."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 609

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.