565 - Begegnung mit Rusca


In Schabs erwartete er am 2. August Leiningen und den aus Nordtirol kommenden Taxis. 1) Am folgenden Tag begann der Marsch durch Pustertal. Es war ein schwieriges Gebiet, das hier die Kaiserlichen durchzogen. Allenthalben begegneten sie Vorwürfen und Aufforderungen zu bleiben. Und der gemeine Soldat war geneigt, mit dem Bauer sich zu verbrüdern, nicht wenige verließen Reih und Glied und schlossen sich den Tirolern an. 2) Besonders kraus ging es im untern Pustertal her, wo Kolb sein Wesen trieb. Die von ihm ausgegebene Parole lautete: sich wehren und raufen. Nüchterne Mahner wie der bekannte Steger mussten sich Verräter schimpfen lassen. An dem jüngst angekommenen Luxheim (eigentlich Ulrich) fand Kolb einen artverwandten Genossen. Die Verwirrung stieg, da die Franzosen unter Rusca immer näher rückten. Diesem General hatte Schmidt schon am 1. August das im Waffenstillstand bedungene Sachsenburg übergeben. In Lienz wurden Konferenzen gehalten, wo die abweichendsten Meinungen aufeinander platzten. 3) Dass Hauptmann Banitza eine französische Truppe unter General Castella beim Passe Padola zum Weichen brachte, erhitzte noch mehr die Gemüter. Wer in diesen ersten Augusttagen das tirolische Drautal aus der Vogelschau hätte betrachten können, dem hätte sich ein recht sonderbares Bild dargeboten. In allen Orten erregte Volkshaufen, welche über den bekannt gemachten Stillstand und daneben über Hofers letzte kriegerische Aufrufe lebhaft debattierten und mit ihrer oft recht primitiven Bewaffnung zum Ausrücken sich anschickten, mitten durch sie kleinlaut sich schlängelnd und beschwichtigend Buol mit einigen tausend Mann und einem ansehnlichen Wagenpark, 4) von Kärnten her stündlich näher kommend Ruscas Franzosen. Auch den pustertalischen Hauptleuten gab Buol den Rat, sich ihm anzuschließen. Einzelne unter den Führern befolgten ihn; andere, wie Steger, drohten nur mit dem Abzug, wenn ihnen die Schreier allzusehr zusetzten. Als Buol am 5. nach Lienz kam, war bereits Rusca Herr der Stadt. Des

1) Buol an Schmidt, 2. Aug. J. M. Gegen 500 Kranke blieben in Brixen zurück. Bericht des Hauptmanns Simonis (J. M.), der ein düsteres Bild über das Elend beim maroden Mannschaftsstand entwirft.
2) Rapp (p. 509) ereifert sich zwar gegen „die Übertreibung und Unwahrheit", dass Hormayr 600 Soldaten zurückbleiben lässt, aber Buols Zeugnis ist nicht anzufechten. Er schreibt am 10. Aug. an General Schmidt: „Die Salzburger Jäger und das 9. Bataillon hatten starke Desertion in Tirol, denn meine Soldaten wurden von den Bauern angeworben, weil diese entschlossen waren, das Land zu verteidigen." A. J. Vgl. Hiblers Tagebuch in Tir. Bote 1892 p. 1860.
3) Stegers Relation a. a. O. Nur der auf die Augusttage bezugnehmende Teil ist abgedr. bei Bartholdy, D. Krieg d. Tir. Landl. p. 182 ff.
4) Buol berichtet in seiner Relation a. a. O., dass ihm bei der Beschwichtigung der Bauern besonders Pfarrer Paprion von Sillian beigestanden. Die Bauern erklärten, mit dem Angriff auf die Franzosen warten zu wollen, bis die Österreicher von dannen wären, Buol möge ihnen nur diesen Zeitpunkt anzeigen.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 565

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.