480 - Abzug Deroys


im dichtesten Raufgewühle ihre Kugeln verschoss und einen feindlichen Soldaten — es war bei der Haller Brücke — in den Fluss schleuderte. 1 ) Ein Bauer bei Sterzing hatte drei Söhne ausrücken lassen. Nur zwei kehrten zurück. Als dem Gefallenen die Totenmesse gelesen wurde, sagte der Alte: es war von meinen Buben der stärkste und schönste, aber Gott sei Dank, er starb für Gott und Vaterland. 2)

Nicht nur den Tirolern, sondern auch dem Ländchen vor dem Arlberg ward dieser 29. Mai zum Ehrentag. Die Schwaben machten bei Hohenems den Kehraus mit dem Feinde.

„Vollständig aufgerieben", wie General Buol mit übel angebrachter Grossprecherei geschrieben, 3) war Deroy nicht. Aber an der Möglichkeit des Widerstandes verzweifelte er. Sich im Innsbrucker Kessel einschließen zu lassen und etwa Kinkels Los zu teilen, hatte er keine Lust. Mundvorrat und Schiessbedarf gingen auf die Neige, Zufuhr war nicht zu erwarten. Schnell war der Plan gefasst, der Plan zu heimlichem Abzug. Über die Richtung desselben konnte im bayrischen Stabe kaum ein Zweifel bestehen. So wenig Teimer auch am Schlachttage ausgerichtet hatte, wenigstens ließ er dem Feinde die Strasse nach Zirl versperrt erscheinen. Nur ein Torflügel war noch zum Ausgang offen, das linksseitige Inngestade gegen Hall. Diesen Weg beschloss Deroy einzuschlagen. Kaum eine Stunde, nachdem die letzten Schüsse zwischen den äußersten Plänklerketten der beiden Gegner gewechselt waren, traf der General seine Vorbereitungen. Seine Rüstwagen wurden bespannt, Kanonenräder und Pferdehufe, um Lärm zu vermeiden, umwickelt. Zuerst das Gros des Fußvolkes, dann der Artilleriepark mit dem Train, endlich die Reiterei und die Mannschaft, welche die Hauptwache gehalten, in dieser Reihenfolge passierte die Division noch vor Mitternacht die Brücke bei Mühlau. Nichts wohl widerlegt schlagender die von den Bayern damals verbreiteten Gerüchte über grausame Behandlung der Gefangenen seitens der Tiroler, als die Tatsache, dass Deroy den größten Teil seiner Verwundeten, bauend auf menschliche Pflege derselben, in der Stadt zurückließ. 4) Staunend beobachtete die Bürgerschaft, wie unter ihren Fenstern beim fahlen Schein des Mondes das Militär abzog. „Um l Uhr

1) Auch bei Heilmann p. 178 wird der Überlieferung von diesem „Mannweib" gedacht.
2) Solche, durch mündliche Überlieferungen fortgepflanzte Einzelzüge sind in unzählige Darstellungen, von Bartholdy angefangen, übergegangen.
3) Buols Bericht a. a. O. Viel nüchterner lautet sein Bericht an Chasteler (30. Mai), aus dem Ost. Kriegsarchiv mitgeteilt von Maretich I, 206.
4) Ein Zeugnis des kön. Polizeikommissariats v. 15. Febr. 1811 bestätigt, dass der Innsbrucker Arzt Dr. Nikolaus Schröder vom 29. Mai bis 4. Juni 1809 viele bayrische Verwundete, die in elendem Zustand zurückgelassen wurden, mit aller Hingabe behandelt hat. J. St. — Auch in neueren Werken spukt noch manchmal der ungerechtfertigte Vorwurf, so auch bei Heilmann a. a. O. p. 176 unter Berufung auf eine aufschneiderische Stelle bei Hormayr.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 480

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.