466 - Beiderseits gedrückte Stimmung


welche sie nie sehen, bevor sie nicht verwundet sind, sei keine Ehre zu holen. 1) Die bayrische Beamtenschaft in Innsbruck ahnte nichts Gutes. Die ärarischen Geldvorräte wurden bis auf eine kleine Handkasse schon am 26. über Scharnitz nach München gerettet. Der bisher in Innsbruck festgehaltene Generalkommissär Lodron verließ mit seiner Familie das Land, ihm schlossen sich so viele Beamte an, dass sich der provisorische Leiter des Kommissariates Benz und der Landrichter Beck fast allein sahen. 2) Die obersten bayrischen Chefs versuchten es auch wieder mit gütlicher Zusprache. Benz sandte Priester auf die Berge, um den Leuten vorzustellen, dass sich ihr Schicksal nicht auf tirolischen Schlachtfeldern entscheide; und Deroy gab den während des Gefechtes gefangenen Bauern die Freiheit, damit sie Friedensproklamen unter ihren Landsleuten verteilten. Aber gleich außer dem Weichbilde der Stadt trafen dann bayrische Patrouillen diese Pakete mit den Drucksorten auf der Strasse verstreut, die Bauern hatten sie alsbald weggeworfen. Da sich die Tiroler nach Abbruch des Kampfes von den nächstgelegenen Höhen zurückgezogen hatten, so konnte Deroy seine Vorposten die früheren Stellungen wieder beziehen lassen. In Erwartung eines neuen Angriffes wurden dieselben verstärkt, die ganze Garnison blieb unter Waffen.

Hofer und seine beiden Flügel verließen noch in der Nacht des 25. die heiß erkämpften Positionen. Eine bittere Enttäuschung war es den Bauern, dass am nördlichen Innufer und von Oberinntal her alles ruhig geblieben war. In ihren Lagern, die nach Schönberg und Patsch zurückverlegt waren, herrschte gedrückte Stimmung. Vor allem musste für die Verwundeten gesorgt werden, die Gemeinden des Stubaitales hatten dafür mit Fuhren aufzukommen. Es zeigte sich wenig Gemeinsinn. 3) Bald traten eben Erscheinungen auf, die sich so leicht einstellen, wenn das Volk sich in seiner Erwartung über den Ausgang eines Ereignisses getäuscht sieht. Mancher lief heimwärts über die Berge und regte die Nachbarschaft mit Klagen und Schmähungen auf. Selbst im Burggrafenamt erschienen solche und jammerten, die Männer alle seien auf die Schlachtbank geopfert. Schon machten die Weiber Miene, ihre Gatten und

1) Stettner a. a. O.
2) Benz an den König, 26. Mai. M. St. Sengers Bericht von 30. Juli. J. St. Senger meldet, die Flüchtung des Geldes sei wahrscheinlich auf Befehl Deroys erfolgt. Den Schauspielern in Innsbruck, für die es in diesen Tagen nichts zu verdienen gab, wurde eine Reiseunterstützung gewährt, damit sie die Stadt verlassen konnten.
3) Diese Stimmung beleuchtet Hofers Befehl wegen der Fuhren: „Die Gemeindevorsteher werden es übrigens nicht darauf ankommen lassen, dass die fremden Landstürmer sich an Ort und Stelle verfügen, um die Pferde und Wagen abzuholen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 466

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.