459 - Kriegsrat bei Hofer


Anderseits war doch seiner Erinnerung nicht entschwunden, dass Chastelers Korps nach Tirol gesendet worden, um gemeinsam mit dem Volk zu operieren. Und von diesem Volke vernahm er, dass es die Kapitulation von Vomp nicht anerkennen, sondern den Widerstand fortsetzen wolle. 1) Was Eisenstecken mit seinen Offizieren verhandelt, war ihm natürlich nicht verborgen. Nun brachte Speckbacher noch die Kunde von Lefebres Abzug. All das zusammen bewirkte ein Schmelzen des Eises. Buol für seine Person zwar verharrte, in den befestigten Linien am Lueg zu bleiben, aber dem größeren Teil seiner Mannschaft gestattete er, gemeinsam mit den Bauern vorzubrechen. Der 25. Mai wurde dafür angesetzt. Noch der 23. und der ganze folgende Tag diente der Beratung und Vorbereitung.

War endlich militärische Mitwirkung gesichert, so wollte dagegen im bäuerlichen Lager nicht alles klappen. Bei den um Hofer am 24. Versammelten zeigten sich zwei Parteien: die einen wollten voran, die andern noch warten. Und diese letzteren drohten das Mehr zu bilden, als es einigen beherzten Hauptleuten vom Schlage Speckbachers, Eisensteckens und Gasteigers gelang, dem kühneren Entschluss zum Siege zu verhelfen. Erst jetzt konnte Hofer verkünden: „Von Pustertal, Oberinntal und Etschland sind die Abgeordneten bei uns und wir alle sind derselben Meinung." 2) Andere Meinung wurde nun für strafwürdig erklärt: „Obgleich falsche Proklamationen das Volk abwendig machen wollen, so bleibt der gemeine Mann doch fest und vertraut auf die gerechte Sache und auf Gott. Demjenigen soll nichts Gutes bevorstehen, der einen abwendig machen will, er soll sogleich gefangen gesetzt werden." 3) Zettel und Befehle flogen noch in alle Täler, Speckbacher eilte in sein eigenstes Werbegebiet, nach Unterinntal, um die Leute für den kommenden Tag zu bestellen. Einzelne Abteilungen Passeirer dehnten ihre Patrouillengänge bereits von Stafflach bis Matrei aus. 4) In Stafflach traf Sieberer, vom Joch herabsteigend, bereits den Sandwirt, von dem er als sein und Buols Bote sich zum Erzherzog senden ließ, um mit diesem die schmerzlich vermisste Fühlung wieder zu gewinnen.

Was sich am Abend des 24. zum Marsch gegen Innsbruck unter Hofers Kommando bereit machte, waren fast lauter organisierte Kompagnien, die Elite des waffenfähigen Bauernvolkes. Von Landstürmern mit mangelhafter oder primitiver Bewaffnung ist wenig wahrzunehmen. So hatten sich auch jene Tausende von Pustertalern, welche von Bruneck fort dem Sandwirt zur Seite gelaufen waren, meist schon verloren. Von

1) Buol selbst spricht vom „einstimmigen Wunsch des Landvolkes".
2) Hofer an Straub, Brenner 24. Mai.
3) Hofer an die Passeirer, 24. Mai.
4) Johann Hofers „Tagesgeschichten" a. a. O.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 459

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.