443 - Lefebres Abzug


Pikett. Eine noch stärkere Reiterabteilung stieß am folgenden Tage bis Steinach vor und geriet unter das Feuer kaiserlicher Jäger und Chevauxlegers. Beim Rückzug fanden sie die Strasse mit Bäumen verlegt, und Speckbacher, welcher eben des Weges war, beschoss sie mit ein paar Begleitern aus waldigem Hinterhalt. 1) Diesen Wahrnehmungen legte man im Innsbrucker Hauptquartier kein großes Gewicht bei. Denn anstatt gegen Süden hin aufzubrechen, machte sich Lefebre mit dem größeren Teil seiner Macht bereit, das Land auf demselben Wege zu verlassen, auf dem er gekommen. In Tirol wusste man für diese plötzliche Wendung keine Erklärung. Hormayr spricht später von einem „großen Plan", den der Marschall bei sich entworfen. 2) Er habe, über Salzburg nach Oberkärnten oder nach dem steirischen Bruck vordringend, Jellachich niederwerfen, darauf im Verein mit dem Vizekönig den Erzherzog Johann in die Mitte nehmen und endlich von der Drau her Chasteler im Rücken fassen und fangen wollen. Die Ordre aus dem französischen Hauptquartier in Schönbrunn an Lefebre enthält beiläufig nur die Hälfte dieses Projektes: der Marschall soll möglichst bald nach Salzburg zurückkehren und nur die Division Deroy in Innsbruck zurücklassen, welche die vollständige Unterwerfung des Landes durchzuführen hat. Mit den beiden andern Divisionen (Wrede und Kronprinz) hat Lefebre von Salzburg aus alles anzugreifen und zurückzuwerfen, was in der Gegend von Radstadt ist, von dort dann nach Leoben zu gehen. 3) Die Stärke des Korps Chastelers schätzte man in Wien auf kaum 6000 Mann. In München aber, wo man die Dinge in Tirol mit begreiflichem Interesse verfolgte, wusste man von einem so weitwendigen Plane, wie ihn Hormayr skizzierte, nichts. 4) Dort erfuhr man nur das eine, dass Wrede, welcher sich mit dem Marschall schwer vertrug, durch den Prinzen von Neufchatel (Berthier) dem Imperator die Bitte um Abberufung zur großen Armee hatte vortragen lassen und dass dieses Gesuch bereitwilligst

1) Maretich I, p. 32. Speckbacher notiert a. a. O.: „21. Mai ein kleines Gefecht mit einer bayrischen Patrouille zwischen Steinach und Matrei, als ich zu Taxis und Hofer eilte, um den weiteren Angriff zu befördern."
2) Pelet, Mémoires III, 107 sagt nur, Lefebre sei im Glauben, mit Tirol fertig zu sein, nach Salzburg gezogen, die Österreicher hätten ihm den Plan gegen E. Johann zugetraut.
3) Dabei lässt dieser Befehl dem Marschall für dessen Entschliessungen einen gewissen Spielraum: Vous sentez assez, Monsieur le Duc, qu'á la distance où nous sommes ceci n'est pas un ordre, mais une direction générale soumise à l'application que vous pourrez en faire suivant les circonstances. Schönbrunn, 17. Mai. Saski III, 308. War dies vielleicht die Depesche, welche Bauern bei Volders am 21. Mai auffingen? Der bei Maretich I, 19 kurz angegebene Inhalt deckt sich allerdings nicht genau mit dem Texte bei Saski.
4) Die Bayern hätten, als sich Lefebres Abzug als schwerer Fehler entpuppte, dessen „großen Plan" doch sicherlich verantwortlich gemacht Selbstverständlich ist es, dass das Ereignis von Aspern mit der Abberufung Lefebres nichts zu tun hat.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 443

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.