398 - Gefecht im Strub


Josef Hechenberger. Was an Militär gegenwärtig war, machte die Zahl einer Kompagnie aus. Einige Artilleristen bedienten zwei in der Passenge aufgestellte Geschütze. Auf Oppachers Hilferuf fand sich noch im letzten Augenblick eine Handvoll Landstürmer ein. Ihnen nahte auf der Straße von Reichenhall—Unken der Marschall selbst mit der Division Wrede. Kaum hatten die Tiroler die Feldmesse gehört — es war der Tag Christi Himmelfahrt (11. Mai) — da eilten schon ihre in Lofer aufgestellten Wachtposten herbei mit der Meldung, dass der Gegner den Markt betrete. Es war 6 Uhr morgens. Unter dem weithin vernehmbaren Avances! Avances! durcheilen die bayrischen Truppen mit gefälltem Bajonett den Ort, zwei Regimenter, unterstützt von 20 Kanonen, machen sich sofort an die Erstürmung des Weges durch den Pass. Aber die Besatzungsmannschaft hat in den vorausgegangenen Tagen nicht vergebens gearbeitet. Die Schlucht selbst und die sie einschließenden steilen Abhänge sind mit Verhauen und Brustwehren wohl versehen, hinter denen das entschlossene Häuflein — das Militär mit den zwei Geschützen im Zentrum, die Bauern auf den beiden Flügelseiten — die Eindringlinge empfängt. Die gut gezielten Schüsse aus sicherem Versteck tun ihre Wirkung. Bald bedeckt sich die Straße mit Toten und Verwundeten, Wrede muss seine Leute zurückziehen und mit frischen Kräften einen neuen Vorstoß versuchen. Derselbe Misserfolg! Einen Augenblick schweigt das Feuer der Verteidiger. Der Feind betrachtet es als ein Zeichen der Ermüdung und stürmt desto siegesgewisser in die Enge. Aber mörderisches Kartätschenfeuer zwingt ihn abermals zur Räumung. So folgen nach kurzen Pausen vier Sturmangriffe. Hunderte von Verwundeten mussten schon in langen Wagenzügen auf der Straße gegen Salzburg fortgeschafft werden. Aber auch die kleine Heldenschar lichtete sich. Die Bedienungsmannschaft der Kanonen ward weggeschossen, deren Feuer also eingestellt. Von den Verteidigern waren gegen 100, also der vierte Teil, kampfunfähig gemacht, der Schiessbedarf, obgleich nicht unklug verschwendet, ging zu Ende. Und von keiner Seite, nicht von Wintersteller, nicht von Chasteler, zeigte sich Hilfe. Was konnten die einigen zwanzig Mann erklecken, welche mitten im Gefechte treunachbarlich herbeieilten? 1) Sie konnten weder die im Zentrum gefallenen Soldaten ersetzen, noch den zu Tode erschöpften Landsleuten auf den Passhöhen Erleichterung schaffen. Schon ging die neunte Stunde des ungleichen Kampfes zu Ende. Wrede, 2) dem die Abnahme der gegnerischen Kräfte nicht verborgen bleiben konnte, schickte sich zu einem fünften Sturmlaufe an. Da räumten die Tiroler, in die Berge von

1) Es werden genannt: Empl von Kirchdorf, Seebacher, Gschwentner und Weinseisen von St. Johann. Letzterer war eben von einem Botengange nach Innsbruck zurückgekommen.
2) Der General orientierte sich vom Url-Kopfe aus.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 398

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.