275 - Aretin sieht die trostlose Lage


Kapuziner. 1) In Pustertal war schon anfangs März die Sage verbreitet, Büchsenspanner Steger sei angekommen, um alles zum Empfang der Kaiserlichen vorzubereiten. Hofstetten brachte die Neuigkeit, dass im Krimlertal Hunderte von Schneereifen gemacht werden; man schloss daraus auf eine geplante Expedition durch das Tauferertal nach Bruneck, oder über den Duxerferner nach Matrei, oder über Gerlos nach Zillertal. 2) Auch davon hörte Aretin bereits, dass die Bauern auf das Signal mit drei Böllerschüssen warteten, um dann mit dem Losschlagen zu beginnen. Nur einmal, Ende März, sah er sich in der Lage, seinem König eine etwas günstigere Schilderung zu erstatten; er glaubte zu bemerken, dass „die freudige Erwartung des Krieges und der Mut einigermaßen erkalte", weil die Österreicher noch immer nicht Ernst machen. 3) Kamen sie aber, so sah er keine Rettung: „Zur augenblicklichen Eroberung Tirols wäre bei der Stimmung des Volkes eine ganz kleine Truppenzahl genügend, und an eine ernstliche Verteidigung dieses Landes ist für uns, wenn die Truppen nicht viel zahlreicher sein werden, gar nicht zu denken." 4) Erfüllt von schlimmen Ahnungen, in denen sich Aretin durch Flugschriften und Zettel bedenklichsten Inhaltes bestärkt sah, wandte er sich nach München um Verhaltungsbefehle: um eine Instruktion, wie sich die Beamten im Kriegsfall zu verhalten haben, ob man durch eine Proklamation die Einwohner vom Anschluss an den Feind abzuhalten trachten soll und ob das Militärstellungsgeschäft nicht ganz einzustellen wäre. Vor einer geplanten Entwaffnung des Volkes warnte er nachdrücklich: „Der Hang zur Jagd und zum Schießen ist national, der Tiroler liebt seine Büchse fast wie seine Familie, es würde eine allgemeine Erhebung die Folge sein." 5)

In gleicher Lage wie Aretin war der Chef des Innkreises. Obgleich in Bezug auf Kundschaftsdienst noch schlechter versehen 6) als sein Kollege am Eisack, war Lodron dennoch hinreichend informiert über den Geist seiner Untertanen. Der Behörde blieb es nicht verborgen, dass man sich im Vorort Hötting in wenig respektvoller Weise benehme und mit Waffen

1) Bericht Lassbergs a. a. O. Derselbe erzählt, der P. Lektor bei den Kapuzinern sei ein Anhänger der Bayern und müsse deshalb im Kloster vieles leiden.
2) Aretin an den König, 14. März 1809, M. St.
3) Ders. an dens. 29. März 1809.
4) Ders. an dens. 20. März.
5) Ders. an dens. 18. März 1809.
6) Lodron an Montgelas, 20. März 1809 (M. St): Offiziere kann man zu Kundschaftern nicht verwenden, Zivilbeamte sind nicht entbehrlich. Geeignet wären dazu manche Tiroler, namentlich solche, die früher unter Österreich dienten. „Aber mit Schmerz und Indignation muss ich bekennen, dass diese Art Menschen hier alle miteinander Antipoden der Regierung sind, von welchen zu erwarten ist, dass sie ihre sehr beschränkten intellektuellen Fähigkeiten zu Beweisen des Undankes gegen ihren wohltätigen König lieber verwenden werden als für Handlungen, die den Stempel des Patriotismus an sich tragen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 275

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.