Tagebuch aus dem Tiroler Kriege 1809, Zillertal


"Tagebuch aus dem Tiroler Kriege 1809"
von
Cornel Schwarz
weiland f.-b. Adjunkt zu Fügen im Zillertale

Zur Einführung.

Vor mir liegt ein unscheinbares, gedrucktes Heftchen, das ich der gütigen Vermittelung eines Freundes verdanke. Seine Seltenheit — es ist z. B. in keiner öffentlich zugänglichen Büchersammlung in Innsbruck zu finden und darum seinem Inhalte nach kaum bekannt — gab den Anlass, auch diese Aufzeichnungen eines Zeitgenossen in vorliegende Blätter aufzunehmen und dadurch vor Vergessenheit zu bewahren.

Das bescheidene Büchlein führt den Titel: „Die Geschichte meines früh entschlafenen Vaters, Herrn Cornel Schwarz, weil. Pflegers von Saalfelden im salzburgischen Gebirgslande;" *) sein Verfasser ist des Geschilderten „dankschuldiger Sohn", P. Heinrich Schwarz O. S. B., Conventual des Benediktinerstiftes Michaelbeuern. **)

*) Gedruckt Salzburg 1862. Druck der Bndl und Penker'schen Buchdruckerei. Ergänzt wird es durch ein zweites Bändchen — erschienen ebendaselbst 1864 —: „Die Geschichte meiner seligen Mutter der Wohgebornen, Gnädigen Frau Theresia Schwarz, Landrichters-Witwe von Saalfelden" — ebenfalls von P. Heinrich Schwarz herausgegeben.
**) Einschlägige Notizen verdanke ich Seiner Gnaden Abt Wolfgang Stockhammer von Michaelbeuern. — Heinrich Schwarz, 1819 zu Saalfelden geboren, trat in den Benediktinerorden, wurde 1845 Präfekt der Konventschule des obgenannten Stiftes, welche Stelle er über 40 Jahre bekleidete. Ein bekannter und fruchtbarer Jugendschriftsteller im Geiste Christoph von Schmid's starb er 1894.

Cornel Schwarz stammte aus dem Allgäu, wo er zu Wangen 1774 als Sohn eines armen Leinwebers geboren in dürftigsten Verhältnissen aufwuchs. Seine Studien begann er in Ottobeuern und vollendete solche in Salzburg, wo Fürstbischof Graf Colloredo ihn erst als Lehrer im Kapellhause anstellte und dann in die juridische Praxis versetzte. Nachdem er mehrere Posten im Salzburgischen bekleidet, kam er 1805 als Adjunkt nach Fügen im Zillertale, wo er durch seinen Freund Dechant Johann von Waldreich mit Theresia Fellensteiner von Neumarkt getraut wurde. Die Ereignisse des Jahres 1809 zwangen ihn, wie aus seinem „Tagebuche" hervorgeht zur Emigration; er fand erst in Teisendorf und Thalgau eine neue Stellung und ward 1811 zum Landrichter in Saalfelden befördert. Als im gleichen Jahre noch der Markt durch einen verheerenden Brand verwüstet wurde, verunglückte Cornel Schwarz damals durch einen Sturz vom Wagen, blieb aber trotz eines dabei zugezogenen innern Leidens durch volle zwölf Jahre ein „tätiger Helfer" der ihm unterstellten Gemeinden. König Max I. von Baiern und nach dem Anfall Salzburgs an Österreich auch Kaiser Franz I. erwiesen dem eifrigen Beamten ihre Gnade. Er starb am 22. November 1822. *)

*) Nach P. Heinrich Schwarz „Einleitung zum Tagebuche".

Fügen unterstand in jener Zeit noch der salzburgischen Landesadministration und ist es nötig, zur Erklärung einzelner Stellen des „Tagebuches" noch dasjenige vorauszuschicken, was der „dankschuldige Sohn" über die amtliche Stellung seines Vaters erzählt, wobei wohl anzunehmen ist, dass derselbe als Ordensmann sich nur an wahre Tatsachen gehalten. Er schreibt also: „Sie (seine Eltern) hätten dort (Fügen) das angenehmste Leben führen können, wenn es nicht von boshaften Leuten getrübt worden wäre. Das ging aber so. Damals wurden beide Pfleggerichte Zell am Ziller und Fügen gemeinsam von einem Pfleger, Herrn Josef von Pichl (seit 1795) verwaltet: die Oberaufsicht des Pfleggerichtes zu Fügen versah nur der Verweser oder wie man auch zu sagen pflegte der Pflegskommissär Pichler. Dieser hatte einen Sohn, Albert mit Namen, der nichts sehnlicher wünschte, als nach dem Tode seines Vaters die Anstellung desselben zu erhalten. Er sah, daß mein Vater von dem Volke sehr geschätzt und geliebt werde. Sogleich erwachte in dem Herzen des argwöhnischen Mannes der Gedanke, als wenn mein Vater ihm den sehnlich erwarteten väterlichen Dienst abringen und seine Hoffnungen vereiteln wolle. Mein Vater war ihm ein Dorn im Auge. Bald darauf kam jene unruhige Zeit, wo die Tiroler sich von der Herrschaft Bayerns frei machen wollten und allen bayerischen Beamten den Gehorsam aufkündeten. Wie kann man sich darüber wundern, dass jener feindselige Mann nun dachte, jetzt sei es an der Zeit, seine Rache an meinem Vater auszulassen, die Tiroler aufzuhetzen, ihn bei dem Volke als einen gefährlichen Mann zu schildern, der mit den Bayern, den Feinden des Vaterlandes, im Einverständnisse sei und ihren Untergang beabsichtige? Durch solche niedrige Cabale und lügenhafte Ausstreuungen wurde mein Vater den Tirolern so verhasst gemacht, dass er sich flüchten musste. Losgerissen von seiner geliebten Frau und seinen Kindern, die er dem väterlichen Schutze seines treuen Freundes, des sel. Herrn Dechants von Fügen Johann von Waldreich zu Ehrenport, empfahl, geängstigt durch hundert Sorgen und Phantome verlebte er zu Teisendorf traurige Tage. Was er damals in seinem gefühlvollen Herzen gelitten hatte ist von ihm in seinem „Tagebuche" aufgezeichnet worden und dieses will ich nun meinen freundlichen Lesern mitteilen. *) Meine Mutter trug wegen der Veröffentlichung desselben mancherlei Bedenken und meinte, es könnte dieses zu verschiedenen Verdrießlichkeiten Anlass geben. Da aber Irren und Jemanden verkennen etwas Menschliches ist, und die arge Verkennung meines Vaters nur einzelnen Personen nicht aber dem gesamten biedern Volke Tirols angerechnet werden kann, da es immer etwas Ehrenvolles ist, trotz aller Anfeindungen und Verfolgungen treu dem Landesherrn zu bleiben, mag dieser sein, wer er will, und mein Vater seine unverbrüchliche Treue unter Österreichs Szepter ebenso bewahrt hatte wie unter bayerischer Herrschaft, da endlich dieses Tagebuch einen Spiegel seines Lebens wie auch einen nicht uninteressanten Beitrag zur Geschichte jener Zeit bildet, so sehe ich nicht ein, warum ich dasselbe nicht aus der Verborgenheit hervorziehen sollte."

Soweit die Worte des Sohnes zur Verteidigung seines Vaters, der im Gegensatze zu manchen anderen bayerischen Kreaturen gewiss ein ehrlicher und ehrenhafter Beamter gewesen, wie dies auch aus seinem „Tagebuche" hervorgeht.

*) In diesen Blättern ist selbstverständlich nur jener zusammenhängende Teil aufgenommen, der sich direkt auf die Vorgänge im Zillertal bezieht.

Tagebuch aus dem Tiroler Kriege 1809.

I.

Anfang des Krieges.

Am 11. April 1809.

Man konnte zwar ohne vielen prophetischen Geist voraussehen, daß das am Horizont gesammelte drohende Ungewitter des Krieges bald losbrechen werde. Aber wenigstens im ruhigen Zillertale brachte die Nachricht, daß ganz Tirol im Aufstande sei, die Wirkung eines nahen Donnerschlages in jedem Herzen hervor.

Gestern noch hörte man nur, daß die in Tirol befindlichen befindlichen bairischen Truppen sich unruhig hin und her zögen, daß sie Brücken abtragen wollten, wogegen sich das Landvolk sträubte, aber von keiner feindseligen Handlung ward eine Meldung gethan. Heute auf einmal kommen Flüchtlinge hier an und Fluchtführer, im ganzen Innthale ertönte die Sturmglocke, und bereits an mehreren Orten soll bairisches Militär entwaffnet und vom Volke gefangen worden sein.

Die Sage erhebt sich, daß am 8. d. M. die k. österr. Heere unter Voraussendung mehrerer Proklamationen über die Gränze gegangen seien.

Am 12. April.

Unter Tags erhält sich die gestrige Sage. Das Militär, so zu Straß und in den nächsten Ortschaften lag, soll in der Nacht von gestern auf heute über Achental nach Baiern entkommen sein.

Abends um 7 Uhr kamen auf einmahl unter Eskorte von 20 Landstürmern 129 k. b. Gefangene nebst 3 H. Offizieren hier an. Sie wurden im Dorfe Fügen einquartiert, und gingen andern Tags über Zell und Gerlos weiter unter Begleitung hiesiger Schützen.

Am 13. April.

Um Mittagszeit kamen bei 1300 baierische Gefangene hier an, begleitet von tirolischen Schützen und Stürmern. Die dabei befindlichen 39 Offiziere wurden hier gespeist und auf Wägen nach Zell geführt, von wo ihr Weg weiter über die Gerlos gieng.

Unter diesen Gefangenen befanden sich mehrere Stabsoffiziere und namentlich ein Oberstlieutenant von Bernklau. Kaum waren die Gefangenen hinweg, als der freudige Jubel erscholl, daß k. k. Militär über die Gerlos her gekommen, auf Wägen von Zell her, eintreffen werde. Wirklich trafen sie ein gegen 5 Uhr Abends. Ein Oberstlieutenant Baron von Taxis sprengte voran, den Hut in der Hand, salutierte das Volk herablassendst, fiel einem jungen Tiroler Schützen umarmend um den Hals, und unter lauten Rufen: es lebe der Kaiser! flog er im Galoppe davon gegen Schwaz. Ihm folgten gleich auf dem Fusse 2 Compagnien von Devaux, 2 Compagnien Jäger und 1 Compagnie der Neumarkter Landwehre. Ohne Aufenthalt eilten sie vorwärts.

Am 14. April.

In der Früh kamen noch Einige von Landwehr und Militär hier durch, die auf Wägen nach Schwaz transportiert wurden.

Von Innsbruck her erscholl der Ruf, die Baiern seien zwar alle gefangen und bereits theils über Gerlos, theils über Rattenberg theils über Pusterthal abgeführt. Da aber von Italien her Franzosen im Anmarsch seien, so müsse alle wehrbare Mannschaft dahin aufbrechen. Wirklich zogen hier die Landstürmer von Ried und Uderns durch.

Nachmittags kamen die Stürmer von Stum. Mit wildem Getöse umzogen sie die Pflege. Ich in der Kanzlei befindlich, verfügte mich, um ihr Verlangen zu hören, vor die Thüre. Barsch wurde ich angefahren: wo sind ihre Leute, sind sie hergerichtet, sie müssen mit uns! Diesen und dergleichen Aufforderungen begegnete ich mit den gelassensten Vorstellungen; daß nach hiesiger Verfassung kein Landsturm bestehe, daß eine ansehnliche Zahl Rekruten gestellt worden, die Landwehre ausgezogen seie, ihre Ergänzung bevorstehe, die Schützen selbst Transportdienste verrichteten, und auch auszuziehen bereit seien, wenn höhern Orts hiezu Befehl käme.

Diese Äußerung beantwortete der Schmid Grans in der März damit: ja, wenn wir auf der Herrenwort gewartet und gelagert hätten, wären wir alle betrogen gewesen.

Noch beim Abziehen, welches erst dann erfolgte, als man ihnen sagte, diessfalls einen Eilboten nach Zell an dortige k. k. Commission zu schicken und dort anzufragen, schreien sie drohend: wenn es nicht gut geht, und wenn von euch Niemand nachkommt, dann helf euch Gott!

Mehrere hiesiger Unterthanen kamen einzeln und fragten mich ob sie ausziehen müssen. Jedem sagte ich: daß ich es ihnen nicht befehlen, noch nach den frühern Weisungen rathen könne! Endlich kamen Lorenz Fichtl in der Ed und Michl Aigner, Wirthe, und erklärten, doch lieber ausziehen zu wollen, als sich, wie die Stummer gedroht hätten, die Häuser abbrennen zu lassen. Es zog also ein Haufe Stürmer und Schützen regellos und ohne Munition nach Straß; kehrte aber gleich von dort wieder zurück, weil die Franzosen, *) 4000 Mann stark, sich bereits ergeben hatten.

*) Gemeint ist wohl Bisson's Kapitulation in Wilten.

Vom 15. bis 21. April.

Schon lange hatte in den Herzen der Zillerthaler, wie ein geheimer Funke, das Verlangen, sich an Tirol anzuschliessen und von Salzburg zu trennen, geglimmt. Nun fieng dieser Funke an, in helle Flammen auszubrechen. Neidisch hatte der Salzburger die scheinbar bessere Verfassung Tirols angesehen; immer über grösseren Druck geklagt. Nun sollte er, nach so zahlreich gestellten Rekruten. nach so beträchtlich ausgehobener Landwehre, nach so grossen Opfern noch persönlich gleich dem geschonten Tiroler die Waffen in der Hand sich selbst vertheidigen. Schon die geographische Lage, Sitten und Gebräuche machten ihn zum Tiroler, warum sollte er nicht den Zeitpunkt, der ihn hoffen liess, es auch politisch zu werden, benützen?

Ohne geistlicher oder weltlicher Obrigkeit eine Meldung dieses Vorhabens zu machen, fuhr eine Fügner Deputation, bestehend aus den Wirthen Schmuck und Aigner nach Innsbruck, machte dort dem Intendanten Hormayr die Eröffnung, von nun an sich in Defension des Vaterlandes an Tirol anschließen zu wollen, dagegen sie aber hofften, zum Lohn ihrer Verdienste von Salzburg getrennt und mit Tirol consolidirt zu werden. Die Intendantschaft ergriff den Antrag mit Freude, machte ihnen die schönsten Verheissungen und forderte sogleich durch eine gedruckte Proklamation nicht nur die Zillerthaler, welche schon im Jahre 1703 auf den Gebirgen von Rattenberg und bei der Brücke zu Rottholz ihren Heldenmuth bewiesen hatten, sondern auch die übrigen Gebirgsbewohner Salzburgs auf, zu den Waffen zu greifen.

Auf der Stelle kamen 60 Gewehre von Innsbruck anher, eine Compagnie Schützen organisirte sich und alles athmete tirolisch. Bald äußerten sich die Folgen: Alles schmähte über Salzburg, das baierisch gesinnte, wohin nach Äusserung des Wirthes Michl Aigner, man nur immer alles Geld schicken müsse, woher man nie Nutzen ziehen könnte.

Keine Steuer, kein Umgeld wurde mehr bezahlt. Sogar Urbarsgefälle mißrieth der wohlweise selbstcreirte Schutzdeputirte v. Schmuck dem Glaser Deisenser, mit dem wichtigen Beisatze, bis weiters! d. h. bis es ihm belieben würde, den über die Ärarialrevenuen verhängten Beschlag zu relaviren.

Nißl verlangte unter dem verschmitzten Verwände, den alten Herrn Pflegskommissär zu schonen, daß in dem Aignerwirthshause die Ordonanzstube errichtet und auf der Straße dieser Ort mit einem Strohwische bezeichnet werde. Schon ein Schreiber war in der Person des Bäckers Josef Wildauer aufgestellt, um die Geschäfte zu besorgen. Ja sogar die Gemeinde-Kassa sollte dem Herrn Pflegskommissär abgenommen und dem Fr. M. v. Schmuck als künftigen Kassier übergeben werden.

Mit größter Anstrengung brachte ich es kaum dahin, das pfleggerichtliche Ansehen aufrecht zu erhalten. Eigentlich war hieran zum Theil die Familie des Herrn Beamten selbst Schuld. In der unbesiegbaren Meinung, daß ich ihm den Dienst abdringen wolle, hatten sie alle Mittel und Wege versucht, um mein Ansehen und Zutrauen bei dem Volke herabzusetzen. Das Kränkende in jedem Geschäfte, womit man die Gemeinde auf höhere Ordres belästigen müsse, war vorzüglich auf mich geschoben. Rekrutierung, Landwehrserrichtung, Lieferungen — alles wurde so behandelt, daß das Volk gegen mich aufgebracht werden mußte.

Ungeachtet jedes Individuum, das zum Militärstande ausersehen wurde, gemeinschaftlich von mir und dem Beamten bestimmt wurde, oft sogar mit Concurrenz der Ausschüsse, so getraute er sich doch nie, den deshalb hienach vorkommenden Einstreuungen selbst zu begegnen, sondern wies die Leute mir zu; die ich, weil ich vom bestimmten Subjecto nicht abweichen durfte, endlich abweisen mußte, wodurch ich den Namen des Hartherzigen erhielt. Mein Ansehen war also geschwächt und damit auch jenes des Beamten, dessen Unthätigkeit und Altersunfähigkeit Alles erkannte, vernichtet, und laut schalt man die ganze Amtirung ein Weiberregiment.

Am 22. April.

Heute kam von Rattenberg her eine Aufforderung, mit gesammter Kraft auszuziehen. In der Nacht um 10 Uhr ertönte die Sturmglocke und die Allarmschüsse erschütterten uns. Um ½ 4 Uhr frühe den 23. zog die Mannschaft ab gegen Kundl und kam den andern Tag schon wieder nach Hause.

Am 25. April.

Nachdem bereits in Tirol fast alle von baierischer Regierung aufgestellten Beamten hinweg geschleppt, vertrieben oder gefangen waren, bescheidene Bürger, kluge Seelsorger und pflichteifrige Beamte insultirt, geschlagen, mißhandelt, und alle Excesse verübt worden waren und die Anarchie auf das höchste stieg, ergriff der Schwindel auch die Fügner.

Ich hatte manchmal über ihre Unordnungen geschmäht, den Mangel der Polizei gerügt, den niedrigen Geist der Ölträger, die Ausschweifung der Viehhändler, das Eigennützige der Bauern, die Undienstfertigkeit Aller, das Raufen der Bursche, die nächtlichen tückischen Umherschweifungen, um rechtlichen Menschen Tücke anzutun; die Verfälschung der Gewichte, das schlechte Mass, das elende Brod u. s. w. geahndet, und das war also mir verarget worden.

Ich litt keine Ausstände und half keinen Kekruten auf krummen Wegen aus, den das Loos oder die Wahl hiezu gemacht hatte, und war also hart — ich war kein Freund der Landstürmerei, also auch nach ihrer Rede kein Freund des Kaisers. Ein Haufe von Kapfingern unter der Anführung des Georg Perger, *) vulgo Thalhammer, und Thomas Penz **) in der Ede, beide aufgebracht gegen mich, weil ich ihnen die Wahrheit gesagt und mich von ihnen nicht hatte bestechen laßen, kamen heute Frühe in die Pflege, um mich abzusetzen. Ich entgegnete, daß sie hiezu kein Recht hätten und mich wohl klagen, aber nicht vom Dienste absetzen könnten. Ihre Vorwürfe waren: Härte von meiner Seite —und Verhinderung des Ausziehens der Schützen.

*) Georg Perger wollte mit einem Sacke Äpfel seinen Sohn von der Landwehre befreien, und ich jagte ihn zur Thüre hinaus!
**) Thomas Penz wollte das Gut Unterthalegg zur Aste umwandeln und äußerte sich, um das Geld könne er Alles erhalten. Ich widersetzte mich diesem verfassungswidrigen Vorhaben und machte ihn mir zum Feinde.

Beide Vorwürfe hatten etwas Wahres und etwas Falsches. Wenn man Standhaftigkeit und Beharrlichkeit auf seinen Grundsätzen Härte nennt — so war ich hart. Franz Gleissenberger war durch das Loos Reservernann geworden — und sein Bruder Martin durch gleiches — aber vorgeschriebenes Loos — bald hernach Landwehrsmann. Der Vater hatte keinen Sohn mehr. Konnte ich aber den Reservemann desshalb los machen oder das Loos zur Landwehr ungiltig machen? Die Gesetze waren hier hart, nicht ich.

Franz Gleissenberger hatte sich einen Zahn herausnehmen laßen, um dadurch befreit zu werden. Aber ich duldete es eben deßwegen nicht. Martin Gleissenberger wurde für unfähig zum Besitz erklärt. Aber der herbeigekommene Wundarzt sagte, daß manche guthausende Bauern weniger äußerlich Witz verrathen als er. Franz Gleissenberger blieb also Reserve, ungeachtet mir für seine Befreiung der Ausschuß Andrä Leythaler selbst 25 fl. anboth. Das Loos hatte viele Verehelichte zur Landwehre getroffen. Es war hart; aber ich konnte gegen das Gesetz sie nicht entlaßen.

Die Musterungskommission entließ selbe. Mich freute dieses, aber sie kamen nun aufgezogen, daß man sie widerrechtlich hiezu hergenommen habe.

So mußte ich hart scheinen. Gott ist mein Zeuge, daß ich es nie war! Hätte ich jeder Einrede Gehör gegeben, so wäre kein Mann zur, Reserve, keiner zur Landwehre gestellt worden. Dieses, sagte ich den Bauern; aber sie blieben am Ende bei dem Satze: daß sie mich nicht möchten!

Sie entfernten sich endlich, um im Gasthause sich voll zulaufen, dort die empfindlichsten Schmähreden gegen mich auszustoßen.

Da wurde Gesundheit getrunken auf Herrn Albert Pichler, meinen Nachfolger, des Pflegskommissärs Sohn; da wurde gerufen, mein Weib auf einen Wagen zu werfen und als eine Fremde hinauszuführen aus dem Dorfe.

Wenn zu gleicher Zeit der biedere Pfleger Inama *) zu Rottholz keine Minute sicher war, von den Bauern erschossen zu werden, viele Salzburger Beamte alle Sottisen erfuhren, ausgeplündert und transportiert wurden, sogar Seelsorger dieses erfuhren, so war Dieses ein schlechter Trost für mich.

*) Vgl. über diesen Bayernfreund Hirn „Tirols Erhebung" und „Anno Neun II/III: Siard Haser."

Oft dachte ich mir, ob nicht dieser Aufstand gegen mich ganz andere geheime Leiter gehabt haben mag?

Abends vor dessen Ausbruch waren bei Herrn von Schmuck noch spät versammelt: Hr. Pflegskommissär, dessen Sohn Albert, oberwähnter Penz, und selbst ein Anführer der Injurianten, H. von Schmuck. — Bekannt ist lang der Wunsch der Pichler'schen, daß so wie er an seines Vaters Stelle trat, auch ihn einer seiner Söhne ablösen möchte. Deßwegen war ich ihnen von jeher im Wege, und je länger je mehr verhaßt. In Tirol war es dem Pöbel gelungen, mehrere Beamte zu verjagen und dafür andere provisorisch aufzustellen. Vielleicht gieng es hier auch: Hr. Pflegskommissär mit der halben Gemeinde verwandt und verschwägert und von jeher gleichgiltig gegen alle schon gewohnten Schwächen, Fehler und Exzesse des Pöbels, hatte großen Anhang.

Im Augenblick, als schon alle Landwehr ausrückte, erschien bei Albert Pichler ein Landwehr-Offizier auf Visite auf einige Tage. Am 3. Tag brach der Aufstand aus.

In der Frühe entdeckte mir es Albert Pichler mit der heuchlerischen Miene der Freundschaft und mit dem tückischen Käthe, mich mit meiner schwangern Frau schleunigst zu entfernen. Hier scheiterte ihr Plan. „Gott behüte mich vor meiner Flucht, die dem Guten gewiß nicht eigen ist! Mein Weib kennt mich und wird nicht erschrecken. Hier am Schreibpulte, wo ich seit 4 Jahren das Amt für ihren Vater und mich versah, wo ich alles arbeitete, soll mich der Haufen finden." Das gab ich dem Versucher zur Antwort und er entfernte sich. — Niederträchtig, wenn so ein Plan bestand! Der Welt Dank für viele große Dienste.

Einige Ermunterung hatte es für mich, daß von Fügen Niemand, außer Hrn. v. Schmuck bei dem Complotte stand, daß Manche mit Gewalt dazu gerissen worden waren, wie z. B. der Ausschuß Andrä Jöchl zu Hart. Desto kränkender war es, auch Menschen darunter zu sehen, denen ich Gutes gethan hatte.

Am 27. April.

Ich verfügte mich heute nach Zell, um meiner gekränkten Ehre Genugthuung zu verschaffen und einen provisorischen Zustand herzustellen, in dem ich wenigstens bei so dringenden Umständen in den Amtsgeschäften die nöthige Authorität hätte. Hr. v. Trauner und Hr. v. Pichl bedauerten mich und erkannten die Billigkeit dieser Bitte.

Rath von Trauner hieß mich in Zell verweilen, reiste nach Fügen, berief das Complott, hörte ihre Klagen, zeigte ihnen ihre Vergehen, verwies ihnen ihre Dreistigkeit und Undank gegen mich, und drang auf den Grund der Beschwerden. Jeder zog sich nun zurück; keiner wollte mehr sprechen und jeder war gezwungen mitgegangen. Nun mußte auf der Stelle eine Deputation nach Zell, mir dort der angethanenen Unbild halber förmliche Abbitte thun, und mich bitten, wieder zurück zu meinem Amte zu gehen. Dieses geschah und das Ende machte eine Rede, worin ihnen aufgetragen wurde mir mit jener Achtung zu begegnen, die mein Amt und Charakter fordern. Nun kehrte ich nach Fügen zurück.

Am 28. April.

Heute kam von der Schutzdeputation zu Rattenberg eine Aufforderung des Hrn. Oberstlieutenants Reisenfels, daß alle wehrbare Mannschaft schleunigst nach Achenthal aufbreche. Da jedoch wieder bessere Nachrichten einliefen, so kam unsere Mannschaft durch Sturmläuten und Pöllerschüsse versammelt, nur bis Straß und von dort zurück.

Am 29. April.

Ein Bothe von Salzburg bringt die Nachricht, daß die Österreicher retiriren, zu Salzburg der Feind erwartet werde. Abends um 5 Uhr zieht die Mattseer Landwehr-Compagnie hier durch, um wo möglich noch Salzburg zu erreichen.

Am 1. Mai.

Erschollen Trauerposten. Die k. k. Armee unter Karl geschlagen, zog sich zurück. Tirol werde bedroht. Abends abermal Aufforderungen zum Ausrücken.

Am 2. Mai.

Vor Tagesanbruch Sturmgeläute und Pöllerdonner. Die Feuerschützen sammeln sich, die Volksmasse ebenfalls zum Sturm. Die Schützen geben sich eine Organisation. Unter meiner Leitung der Landsturm ebenfalls: 1 Commandant, 8 Corporale und 150 Mann. Der Marsch geht bis Kundl, von dort werden sie entlaßen und kehren zurück nach Hause.

Am 3. Mai.

Salzburg ist in Feindes Händen, und noch lauter trennt sich der Fügner von seinem Mutterstaat. Alles, was von Salzburg ist, erregt Verdacht, Salzburgische Beamte sind verdächtig. „Die ganze Stadt ist baierisch gesinnt." So lauten hier die Reden des Volkes.

Bald wird General Bart *) nach Salzburg ziehen, um dort die Bösgesinnten zu finden und zu strafen. Noch mehr: ein Schreier, der Schlosser Anton Mesner erklärt laut: die verdammten Nester Kufstein und Salzburg müssen als baierisch gesinnt abgebrannt werden!! Sogar der rechtschaffene Dr. Rähliug will von dem Gemeinde-Schreier nicht angenommen werden, weil er von Salzburg komme.

*) Andreas Hofer.

Am 4 Mai.

Immer mehr Exzesse in Tirol! Alles beherrscht der Bauer und ihn die unordentlichste Willkühr.

Am 5. Mai.

Schon wieder Sturmgetöse!! Unsere Schützen und Stürmer ziehen abermals nach Kundl und werden dorr wiederum entlaßen. Die Arbeit geht verloren und außer den Wirthen an der Straße, hat Niemand einen Nutzen.

Vom 6. bis 10. Mai.

Allmählig kehren unsere Landwehrer und Reservisten alle zurück. *) Erstere verbreiten Lügen, um ihr Entweichen zu beschönigen, wie letztere; man erkennt hieraus den Patriotismus für Österreich. Die Reserven wollen theils rancionirte, theils versprengte sein. Die Landwehre soll der Hunger im Pinzgau zerstäubt haben.

*) Nach „Hirn: Tirols Erhebung" (S. 388) blieben 200 Zillertaler Landstürmer, die nach Ebbs beordert waren, schon in Strass stehen, weil sie für einen im Kriege so wichtigen Platz nichts verstünden.

Am 11. Mai.

Nachdem hohe Intendantschaft zu Innsbruck bereits dem Hrn. Pfleger von Pichl zu Zell das Commissarium einer General-Defensionsorganisation im Salzburger Gebirgslande übertragen hatte, rief sie nun auch die Zillerthaler heute auf, ein Paar Schützen-Kompagnien zu errichten und nach Pinzgau zu ziehen, um dort Patriotismus und Muth zur Vertheidigung des Vaterlandes zu erwirken. — Vermuthlich wäre auch dieser Antrag ausgeführt worden, wenn nicht schon am

12. Mai

Sturmglocke und Pöllerschüsse verkündeten eine Gefahr.

II.

Erster Einfall der Baiern.

Der Feind soll am gestrigen Tage während des Gottesdienstes den Pass Strub forciert und bis Waidring vorgedrungen sein. Zahlreich eilten unsere Schützen und Stürmer hin gegen Rattenberg und Wörgl, wurden dort seitwärts gegen Oberau postiert, nahmen aber am Gefechte keinen Theil, sondern sahen sich genöthiget, nachdem selbes unglücklich ausgefallen war, über die Gebirge zu retiriren.

Am 13. Mai.

Die k. k. Truppen retiriren allerorten. Die Baiern rücken gegen Rattenberg vor. Mit Sehnsucht werden unsere Schützen erwartet. Alles flüchtet seine Habseligkeiten. Die Straße ist voll der Flüchtigen, die ihre Zuflucht im ruhigen Zillerthale suchen und hoffen.

Am 14. Mai.

Frühe Morgens kamen unsere Schützen an.
Bald folgten ihnen viele hundert Tiroler Schützen, kärntnerische Landwehre, k. k. Jäger, Infanterie von Lusignan (Nr. 16, jetzt Wernhardt) und Devaux (Nr. 25), Wocher alle versprengt über die Gebirge retirirend. Unter Jäger-Hauptmann Müller und Hauptmann Gallenfels von Lusignan wurden hier verpflegt und mit Wein erquickt 364 Mann nebst 7 Offizieren. Ferner unter Hrn. Hauptmann von März von Lusignan 7 Offiziere 205 Mann, endlich 30 von den Hallerschützen.

Abends hört man, dass die baierischen Truppen ihr erstes Picket an der Zillerbrücke aufgestellt haben.
Schreckliche Sagen verbreiten sich. Die Baiern, heißt es, morden, sengen und brennen und rauben alles. *)

*) Am 27. Juni d. J. wurde den Verteidigern der Zillerbrücke ein Gedenkstein errichtet mit der Inschrift: „Für Gott, Kaiser und Vaterland! 14. Mai anno 1809.

Wand'rer! dieses Zeichen soll dir melden,
Dass am Fuße dieser Felsenwand
Ihren Tod gefunden viele Helden
In, dem Kampfe um das Vaterland."

Die Landesverteidiger aus Alpbach, Reith, Brixlegg, Bruck und dem übrigen äußeren Zellertal unter den Hauptleuten Raimund Groß von Graßeck von Brixlegg und Josef Praxmarer von Reith haben sich damals besonders hervorgetan. Sie mussten der Übermacht weichen, einzelne Landstürmer wurden gefangen und gehängt. So nennt u. A. die Todtenmatrik von Stumm (Mitteilung von Pfarrer J. Brötz) die Todesopfer:
Ignaz Braunegger, lediger Inwohner vom Groß-Stummerberg, 45 Jahre alt; (bei der Zillerbrücke: Straß) an einem Baum aufgehängt angetroffen am 16. Mai 1809.
Augustin Brugger, vulgo „Schmied-Stiel", verehelicht im Dorf, 46 Jahre alt, wurde aufgehängt gefunden (16. Mai 1809).
Franz Laimprecht, vulgo „Pauler Franz", 40 Jahre alt, verehelicht auf der Merz, wurde an einer „Hollerstaude" aufgehängt angetroffen (16. Mai 1809).
Franz Stolz, ledigen Standes, Messner-Sohn von Stumm, 60 Jahre alt, („ganz daub") liegt begraben zu Straß oder Schlitters, an welchem Ort er von den Flammen „verzährt" worden sein soll (16. Mai 1809).
Alle diese nebst noch anderen liegen auf den Strasser Feldern begraben.

Hierher gehört eine Stelle aus „Voltelini: Forschungen", wo es S. 116 heißt: „Aber freilich gerade an der Zillerbrücke waren die Bayern wieder auf das Maßloseste gereizt worden, da auf verräterische Weise von den Tirolern, die ihn zu einer Unterredung wegen Kapitulation aufgefordert hatten (?), auf General Wrede geschossen wurde." Eine derartige Handlung der Tiroler dürfte kaum irgendwo durch Tatsachen nachweisbar sein und der genannte Autor stützt sich auch nur darauf: „Die Sache ist von bayerischer Seite öfter erzählt worden." Der Augenzeuge Siard Haser weiß hievon nichts und der als Zeuge angeführte bayer. Obltt. v. Völderndorff ist eine ebenso gewagte Stütze wie der (Voltelini S. 340) angezogene Bericht des französischen Gesandten Graf Otto: „Cette guerre est très meurtrière et conduite de la part des rebelles avac une mauvaise foi sans exemple. Avant la prise de Schwaz ils avaient proposé une capitulation, mais le général de Wrede s'étant approché pour négocier, il a été accueilli pars une grêle de balles." — Denn dass dieser Krieg ein schlechter Handel war und Wrede beim Vordringen nach Schwaz sich dem Hagel der Tirolerstutzenkugeln ausgesetzt sah, ist noch keine Ursache, den Tirolern Unehrenhaftes anzuhängen. — Nachfolgende Ordre wurde darauf durch das Zillertal verbreitet:

An den Ortsvorstand von Zell!
Der großmüthige König von Baiern hatte durch sein gutes Herz den kaiserl. französischen und königl. bairischen Generals befohlen, sie sollen die Unterthanen von Tyrol verschonen, um sie durch Gutthätigkeit an ihre Pflicht zu erinnern: weil aber all ihre Mühe verloren ist, so hat der große Kaiser von Frankrerch, der Beschützer der Religion, heute den 15. May ordinirt, daß alle Tyroller, die mit Waffen versehen, gefangen und aufgehängt werden und wie in dem Bann (d. h. auf dem Marschwege) oder in einem Dorf, Kreise oder Landgericht, ein Soldat aufgehängt oder todtgeschlagen gefunden wird, so soll das ganze Thal oder Bann und das ganze Gericht in 24 Stunden verbrannt, die Vornehmsten davon, wenn sie auch ohne Waffen getroffen werden, an den nächsten Baum aufgehängt werden.
Gegeben an der Zillerbrücke den 15. May 1809.
Der Reichsfeldmarschall Herzog von Danzig Oberbefehlshaber der bairischen Armee.
(Mitgeteilt durch Herrn L. O. Ing. K. Baldi.) Auch in „Heer von Innerösterreich" S. 293.

Am 15. Mai.

Noch im Durchzug Retirirender. Von den Tauernschützen werden verpflegt 45 Mann, von den Schwazer Schützen 24 Mann. Von Hohenlohe-Bartenstein (Nr. 26, jetzt Grossh. Michael) 21 Mann.

Der fürchterlichste meiner erlebten Tage!

Um 12 Uhr Mittags liefen auf einmal Rasende durch die Gassen. „Die Baiern", schrien sie, „haben schriftlich um freien Durchzug angehalten. Sie haben mit aufgehobenen Händen an der Zillerbrücke gebethen um Gnade. Sie seien in voller Retirade. Die Kaiserlichen ihnen auf dem Bücken. Sie eilten durch das Achental davon."

Solche Lügen sprengte man aus, eilte in den Kirchturm, stürmte, ließ Polier krachen und zerstreut lief jeder mit Waffen, die ihm der Zufall reichte, hinaus gegen das Inntal. Weiber gossen Kugeln, trugen Pulver und Blei zu. Mann hörte Kanonenschüsse. Unsere Mannschaft postierte sich auf der Brettfalle. Allein bald kam die Nachricht, daß die Baiern den Ziller passiert hätten und mit großer Macht gegen Schwaz stürmten. Unsere Schützen flohen, und zogen sich über die Gebirge. Mit bangster Erwartung sah man mit jeder Minute dem Feinde entgegen. Auf einmahl sah man Rauchwolken aufsteigen und die Schreckenspost kam, dass Schlitters in Brand stehe. Man habe, als die Baiern schon im Anzuge gegen das Dorf waren, noch Sturm geläutet, aus den Häusern auf sie geschossen u. s. w. Und doch lief im selben Augenblicke noch ein Rasender (Koller, Rieder-Schmied in der Finsing) durch das Dorf Fügen: „Läutet Sturm, läutet Sturm; nur 40 Mann noch bedarfs, so sind die Baiern gefangen!"

Mit Mühe konnte der rasende Pöbel von diesem tollkühnen Schritte abgehalten werden. Endlich sammelte sich H. Dechant, H. Baron v. Schneeburg, Joachim v. Schmuck, derWirth Seb. Zemmer und ich zur Beratschlagung für das Beste des Dorfes und der Gemeinde. Man hörte, dass neben dem Dorfe Schlitters ein Picket stehe. Dahin wollte man Wein schicken und um Gnade bitten. Man ging in Pleno bis Gagering, von dort aber wieder zurück, weil man es nicht gut fand, ganz ins Lager zu gehen. Der Wein wurde geschickt und gut aufgenommen. Sebastian Zemmer erhielt einen Zettel, lautend:

„Diesen Bauern nichts zu thun, weil sie uns Lebensmittel gebracht haben."
Am 14. Mai.
Faber, Lieutenant des k. b. L. Inf. Regm.

Um 10 Uhr Abends kam die erste Inf. Patrouille, verlangte nach dem Pfarrhof, requirierte dort vom Gerichte 40 fl. an Geld, Wein und Schinken, ließ sich bewirthen, verlangte die Ablieferung der Gewehre und erhielt deren 12, zog sodann wieder ab. Sie war ebenfalls vom 14. Lin. Inf. Reg. Nach dieser kam keine Truppe mehr. — Desto schreckender war der von dem Brande zu Schlitters, Margarethen, Maurach, Schwaz und Fump erröthende Himmel anzusehen, desto fürchterlicher die Nachricht, dass nun zu Schlitters und am Ziller 11 erhängte Bauern zu sehen wären u. s. w.


Am 16. Mai.


Frühe um 6 Uhr kam eine Reiterpatrouille, die im Pfleghaus 3 Sackuhren requirierte und erhielt; H. Dechant aber die vorhandene Baarschaft bei 100 fl. ganz hinwegnahm. Nach ihr kamen mehrere Infanterie-Patrouillen, die Wein, Fleisch, Brot etc. verlangten, einzelne Plünderungen an Geld, Wäsche etc. sich erlaubten und wieder abzogen.

Gegen 9 Uhr kam ein Lieutenant des Chevauxlegersregiments Bubenhofen (er solle Bäuerlein heißen) mit einigen 30 Mann Reiter. Im sausenden Galoppe ritten sie bis zur Pflege. Dort stand ich allein, bittend um Schonung und Barmherzigkeit für den Ort und die Gemeinde. „Wer sind Sie?" fragte der Offizier. „Der Oberschreiber des Pflegamtes", war meine Antwort. — „Es geschieht ihnen nichts." Bei diesen Worten stieg er ab, ergriff eine Pistole, hieß 3 Reiter das Nämliche tun, verlangte in die Pflege eingelassen zu werden, stellte einen Reiter an die Türe, einen auf die Stiege und den 3. nahm er mit sich in des H. Pflegskommissärs Zimmer. Stürmend verlangte er auf der Stelle 500 fl. und setzte dem alten erschrockenen Pflegskommissär die Pistole auf die Brust. Wir versprachen Alles zu tun, um ihm zu willfahren, stellten aber die Unmöglichkeit vor. Er verlangte die Öffnung der Kassen. Man konnte ihm nicht widerstehen. Die darin befindliche Baarschaft von beilich 250 fl. nahm er zu Handen, ohne zu zählen, befahl aber zu sorgen, dass binnen 5 Minuten der Rest herbeigeschafft würde, drohend alles Übel. Ich lief, vorgebend von Haus zu Haus, eigentlich aber nur in das Schloss und erhielt auf Mehrmale aus der Verwesamts-Kassa Anlehen von 196 fl. 30 kr., womit er sich endlich begnügte, nur noch für einen Korporal sollten 3 Louisdor herbeigeschafft werden, die H. Joachim von Schmuck darlieh.

Während dieser Zeit musste Wein für die Mannschaft hergeschafft werden, wurde ein Kasten des H. Pflegskommissärs durchsucht und einige darin befindliche Thaler geraubt, das vorhandene Kupfergeld, so der Gemeinde gehörte, mutwillig zum Fenster hinausgeworfen und auf der Gasse von niedrigem Pöbel des dasigen und der nahen tirolischen Dörfer vergriffen. H. Pflegskommissär hatte sich geflüchtet, der Gerichtsdiener auch, und ich war allein beim Amte. Zum Schlusse begab sich der Lieutenant noch in das Schloss, nahm dort H. Baron Schneeburg und H. Werfer die Uhren, erpresste 200 fl. und begaben sich zurück, indessen gemeine Reiter im Kramladen des Silvester Mayer einbrechen, Verschiedenes raubten, Packe Tüchel wegnahmen, auf den Pferden sitzend auseinander rissen und theilten, zum Theil auch wieder frechen umherstehenden Dirnen schenkten. Viele Häuser erlitten mehr oder weniger an Plünderung.

Um 1/211 Uhr ritten sie gegen Kapfing, wo es ebenfalls an ähnlichen Auftritten nicht fehlte.

Kaum waren diese hinweg geritten, so traf ein Bataillon vom Inf. Reg. Preißing hier ein unter Kommando des H. Major Flad, nebst einer Escadron des ersten k. b. Dragoner-Regimentes. Sie bezogen Plätze im Dorfe und hinter selbem neben dem Bachrain Man mußte sie mit Wein, Brod und Speise verpflegen. Die Offiziers bewirthete H. Baron v. Schneeburg. Gleich beim Eintritte mussten sich H. Dechant, ich und die Bessern des Dorfes in der Kanzlei versammeln. H. Major Flad publizierte eine Proklamation (siehe Fußnote oben) an die Tiroler, verlangte schleunigste Ablieferung aller Gewehre, unter der Drohung, wo ein Gewehr gefunden würde, da solle das Haus verbrannt und der Eigentümer aufgehängt werden. Diese Proklamationen mussten schleunigst nach Ried, Uderns, Stumm, Zell u.s.w. geschickt werden.

Mehrere Stunden war ich allein, musste die Einquartierung, die Vorspannen, die Fourage, die Gewehreinsammlung, die Schreibung und Aussendung der Proklamationen, die Requisitionen, die Lieferungen an Brod und Wein, die hier und da nötige Vermittelung bei Klagen, mit einem Wort alles allein besorgen, da Beamter und Amtmann sich geflüchtet hatten.

H. Major Flad erstattete von hier Bericht über das Benehmen des Volkes allda, und erhielt die Ordre vom H. Marschall, Herzoge von Danzig, H. Dechant und Pflegskommissär als Geiseln in das Lager mitzunehmen, nebst noch zwei Männern der Gemeinde, wozu Josef Baumann am Baumanngute und Sebastian Zemmer, Gastgeber, ausersehen worden waren. Abends um 6 Uhr zogen sie ab, den H. Dechant, Pflegskommissär und zwei bekannte Männer in der Mitte. Vom Bataillon blieb noch eine halbe Stunde der Adjutant von Pflumer mit 50 Mann Schützen zurück. Dieser forderte für gute Zucht und Ordnung ein Douceur von 30 Laubthaler, welches die Verwesamtskassa vorschoß. Um 8 Uhr beilich kam eine Patrouille vom Lager an der Zillerbrücke, allwo sich das Güntherische Jägerbataillon postiert hatte. Man musste Wein, Brandwein und Brod verabfolgen. Die bisher eingelieferten 37 Gewehre übernahm der Lieutenant Hahn und bescheinte sie.

In der Nacht kam mehrmahl eine Patrouille, requirierte in Helfenstein 2 zweispännige Wagen, verjagte schon in der Ed die Fuhrleute, plünderte im Edwirthshause und beim Aigner allda und fuhr im Galoppe davon. Ausser diesen 4 Pferden gingen dieser Tage in der Vorspann verloren: von Fr. M. v. Schmuck 2 Pferde auf Verlangen des H. Majors Flad gestellt; von Sebastian Nissl ein Schimmel, von Adam Eder zu Straß eines.

Nachts um 11 Uhr kam Herr Pflegskommissär und die zwei Männer vom Lager zurück. H. Dechant musste bleiben. Der H. Marschall hatte sie seiner Gnade versichert, wenn die Waffen schleunigst ausgeliefert würden; einstweilen aber müsse H. Dechant für die Ruhe Zillertals mit seiner Person haften.

Am 17. Mai.

Auch heute fielen Requisitionen für das Güntherische Bataillon an der Zillerbrücke uns beschwerlich. Mehrmals einige Yhrn Wein — fünf — dann Brod, Fleisch, Butter, Eier wurden geliefert. — Über alle Erwartung schnell wurden die Gewehre eingeliefert. Josef Baumann und Andre Laythaler gingen heute mit 141 Stück Gewehre ab, um selbe zu übergeben, zugleich aber auch bei dem Herzoge eine Bittschrift wegen Entlassung des H. Dechants einzureichen.

Am 18. Mai.

Der Ausschuss Laythaler und Josef Baumann kamen heute zurück. Sie hatten die Gewehre nach Rattenberg bringen müssen an H. General Sibein und keine Bescheinigung beigebracht.

Wegen Entlassung des H. Dechants erließ der Marschall an das Gericht Fügen folgendes Schreiben:

An den Pfleger zu Fügen im Bivouak zu Schwaz
am 18. Mai 1809.
„Ich habe Ihr Schreiben erhalten, und freue mich, dass Ihre Gemeinde durch Ablegung der Waffen den ersten Beweis gegeben, daß sie zu ihrer Pflicht zurückkehren wolle. Im vollen Vertrauen auf die Redlichkeit der Gemeinde würde ich ihr ihren Seelsorger, den Dechant, zurückschicken, wenn er mir nicht noch in diesem Augenblick 24 — 30 Stund nothwendig wäre. Sollte der Dechant der Gemeinde unentbehrlich sein, so muß mir der Pfleger von Fügen einen oder zwei der angesehensten Männer schicken. Der Überbringer dieß hat den H. Dechant selbst gesprochen."

Le Mal duc de Danzig
Com. en chef 1'armèe bavaroise.

Heute requirirte H. Oberstlieutenant Günther durch einen abgesendeten Offizier 40 St. Leinwand. Nach allen Vorstellungen, die fruchtlos waren, liess ich 30 — 40 Restchen Tuch zu 6 bis 8 Ellen sammeln, meistens Rupfen und Mittlinges. Der Offizier, der einstweilen in Stumm gleiche Forderungen gemacht hatte, besah selbe, fand sie bis auf 3 oder 4 zu grob und ließ sie liegen. Diese Requisition wurde hernach an Rotholz gestellt und erfüllt.

Am 19. Mai.

Die zwei Männer, welche zu diesem ehrwürdigen Geschäfte ausersehen waren, waren Martin Fiechtl in der Huben und Michl Hauser zu Holdernach. Sie reisen heute ab in das Lager zu Schwaz, mit einer Bittschrift versehen. Sie trafen H. Dechant alldort an, allein ein edler Streit entstand, indem selber sich durchaus nicht von Bauern auslösen laßen wollte, sondern darauf beharrte, daß sie entweder alle 3 entlaßen oder er allein behalten würde. Zum Glück hatte das Volk sich vom Vomperhach zurückgezogen und bis Innsbruck die Waffen niedergelegt. Unter dem Schein der Großmuth entließ der Marschall sowohl H. Dechant als die Bauern. Nicht genug! auch die Bitte einer Sauvegarde für Fügen wurde bewilliget. Diese hatte den Auftrag, alle Excesse in Fügen zu verwehren, und bestand aus zwei Reitern vom 1. k. b. Dragoner-Regimente.

An die Gemeinde Fügen brachte der Herr Dechant folgende Note mit:

„Ich bin mit der Ruhe und dem Gehorsam zufrieden, mit der ihr als ruhige Bürger zurückgekehrt seid.
Ich bin durch die Versicherung eures rechtschaffenen Dechants sicher, daß ihr für alle Zukunft ebenso ruhig und friedlich bleiben werdet.
Um euch einen Beweis dieses meines Vertrauens zu geben, schicke ich euch euren würdigen Dechant und die zwei Bürger zurück, die als Geiseln für ihn bleiben sollten.
Dagegen erwarte ich, daß ihr alle eure Waffen, wessen Art sie immer sein mögen, in kürzester Zeit an den in Rattenberg kommandirenden General ausliefern werdet, und euch des in euch gesetzten Vertrauens würdig zu machen suchen werdet. *)

Gegeben im Lager von Schwaz, am 19. Mai 1809.
Der Reichsmarschall Herzog von Danzig
Kommandierender der k. b. Armee.

*) Hirn (S. 414) schreibt hierzu: „Die Zillertaler durch das brennende Schlitters erschreckt, lieferten an Lefebvre sogleich Waffenvorräte aus und erwirkten damit die Zusage voller Schonung für das Tal. Dasselbe wurde auch, kleine Patrouillen ausgenommen, von einer Invasion verschont. Nach Zell kamen nur vier bayrische Dragoner, die, dort reichlich verpflegt, keine Spur eines feindseligen Aktes fanden. Gleichwohl legte einer der Reiter, als sie sich wieder zum Abzug anschickten, im Stalle des Bräuers Hochbichler Feuer. Nur durch die Wachsamkeit eines Knechtes wurde großes Unheil verhütet. (Aufzeichnungen des Jos. v. Pichl: Münchener Kreisarchiv.)

Übrigens wurde Fügen gestern und heute vom Lager an der Zillerbrücke aus hart geplagt. Täglich mehrere Yhrn Wein mussten geopfert werden. Heute müßen drei Wagen voll Heu dahin geführt werden.

Am 20. Mai.

Den Offizieren des Güntherschen Jägerbataillons an der Zillerbrücke, namentlich H. Baron Sternbach, hatte ich öfter das zu Beschwerliche der alleinigen Verpflegung dieses Bataillons vorgestellt.

Heute schrieb endlich Oberstlieutenant Günther, es möchte sich Jemand zu ihm ins Lager begeben, um über diese Gegenstände Verabredung zu treffen. Ich verfügte mich in Begleitung des H. Joachim v. Schmuck dahin. Das Bedürfnis wurde für alle Tage bestimmt und ein Turnus unter Zell, Fügen, Stumm und Rottholz eingeleitet, demgemäß Fügen wöchentlich ein Tag getroffen hätte. Bei meiner Nachhausekunft beliebte H. Pflegskommissär dieses für gefehlt zu achten, befahl, daß man nichts liefern solle, weil der General en chef ihm gesagt hätte, er dürfe keiner Requisition statt thun. Da Zell den Turnus morgen beginnen sollte, erlaubte er nicht einmal, dahin zu schreiben, und obschon ich ihm sagte, daß ich Verdriesslichkeiten befürchte, erlaubte er doch nicht dem Bataill. Günther die Anzeige zu machen, daß nichts erfolgen werde.

Am 21. Mai.

Endlich erwirkte ich, daß ich an H. General Sibein schreiben dürfte. Dieser erklärte, daß die Subministrirung der nöthigen Lebensmittel keine Requisition seie, mithin der Güntherischen Forderung statt gethan werden solle. Zell, das den Turnus heute hätte beginnen und bis 6 Uhr Abends die Lebensmittel in das Lager hätte bringen sollen, erfuhr es also erst Abends um 9 Uhr.

So wie ich befürchtete, geschah es. Schon um 8 Uhr Abends kam unter H. Lieutenant Virrarj ein Requisitions- oder resp. Executions-Kommando, welches außer den Lebensmitteln noch 4 Wägen requirirte. Von denen von Salzburg erhaltenen Befehlen publicirte ich nur jene
1) über die ausgeschriebene Steuer,
2) über Aufstellung der General-Landesadministration,
3) über Militärverpflegung; was dem Soldaten an Speis und Trank gebühre.

Am 22. Mai.

Man hatte heute, um mit der Executionsmannschaft gut abzukommen, wieder grosse Opfer bringen mäßen. Von Schmuck verlor 5 Yhrn Wein, wofür Zell 3 ersetzte.

Nachmittag kam eine Einladung des H. Generals Sibein, um morgen bis 10 Uhr an der Zillerbrücke zu sein, wo er selbst eintreffen werde und die Pfleger von Rottholz, Stumm, Zell und Fügen erwarte. Ich beeilte mich, diese Einladung gehörigen Orts bekannt zu machen.

Am 23. Mai.

Herr Verwalter von Stumm, Mitterschober in Zell und ich trafen an der Zillerbrücke ein, fanden aber das Lager aufgehoben und erhielten von Rattenberg einen Bothen, General Sibein sei über Rottholz aufwärts nach Hall gezogen.

Kaum waren wir zu Hause, so erscholl der Ruf, daß über Jenbach hin die Baiern im Abziehen begriffen seien. Wirklich erhielt H. Dechant ein Schreiben, woraus sich ergab, daß in Innsbruck nur die Division Deroy stehen bleibe, Lefebre aber mit der Division Wreden in Eilmärschen nach Salzburg ziehe.

Herr Dechant hatte als Geisel im bairischen Lager dem ihm beigegebenen Sauvegarde-Begleiter Herrn Doktor Köhler bei seinem Ehrenwort ein Douceur von 20 Dukaten versprechen müssen. Nur diesem war seine und der zweien Bauern Entlassung zuzumessen. Nun schrieb Dr. Köhler von Rattenberg her an Herrn Dechant; Herr Dechant verstand den Wink, liess die Ausschüsse berufen, und sandte mit derer Übereinstimmung ihm 110 fl. 30 kr. in Gold ein Douceur, wodurch sich Fügen in der Folge wahrscheinlich mehrere Tausend ersparte.

Am 24. Mai.

Heute erschien eine Aufforderung des Sandwirthes, *) die Tiroler Tapferkeit nicht einigen Tausend Baiern preiszugeben, die Waffen zu ergreifen und sich auf den 25., den Tag des Angriffs, am Ziller zu postiren. Die Aufforderung blieb ohne Antwort.

*) Das Original derselben im Besitze des Gastwirtes Franz Huber in der Ed-Fügen lautet:

An die Gemeinden und Vorsteher des Thales Zillerthall!
Stafflach den 24ten May 1809 Abends ½ 8 Uhr.

Da morgen der Angriff auf die Feinde geschehen solle, müßen morgen alle brave und gutdenkende Zillerthaller unter Gewehr tretten, und frühe gegen die Zillerbrücke vorrücken, um aldorten den Feind soviel möglich abbrach zu thun. Auch sollen im Angerberg und wo immer möglich im Gerichte Kufstein die weege veramelt und besetzt werden.

Andere Hofer ober comendant v. Passeyer.

Am 20. Mai.

Man hörte heute, daß gestern vom Brenner her auf die Baiern ein Angriff geschehen sei. Wegen eingefallenem Regenwetter konnten die Tiroler Schützen nicht recht agiren und zogen sich also in die alte Position zurück.

Am 27. Mai.

Abermal eine Aufforderung des Sandwirthes, die mit der Vorstellung hiesiger Wehrlosigkeit beantwortet wurde.

Am 28. Mai.

Heute reisten die Ausschüsse nach Salzburg ab, um dort ihre und der Gemeinden Unterwerfung zu bezeugen. Die Kriegssteuer,

so von Salzburg ausgeschrieben worden war, sollte heute verlesen werden. Bei der mir bekannten Volksstimmung und dem kritischen Aussehen in Tirol brachte ich H. Pflegskommissär mit Hilfe beigezogener Männer auf andere Gedanken und es unterblieb.

(Welch' schreckliche Lügen die Tochter des Pflegskommissärs, Theres, verbreite, erfuhr ich heute: Hrn. Dechant hatte sie beigebracht, ich habe bei baierischen Offizieren um ihres Vaters Dienst gebeten; und zu Zell äusserte sie, ich sei eine Mitursache gewesen, warum die Baiern ihren Vater so übel tractirten! — schreckliche Lügen!!)

Am 30. Mai.

Die Tiroler, vereint mit k. k. Militär, siegten gestern. Die Baiern ziehen sich zurück. Sie sollen beinahe 2000 Mann verloren haben. Die Retirade geschieht jenseits des Inns. Alle Brücken sind abgetragen. Mithin hoffen wir keinen Besuch zu erfahren.


III.

Retirade der Division Deroy.

Am 31. Mai.

Sturm läuten sollte man. Mehrere Ordonanzen von Strass her forderten es. Major Teimer befahl, daß alle Mannschaft aufbreche, um den Baiern die Retirade, auf welcher sie bis Jenbach gekommen wären, abzuschneiden. *)

*) Nach Hirn (S. 483 [Anm. W.M.: S. 485]) berichtete Pfleger von Pichl; „30. Mai und die folgenden Tage kamen von tirolischen Hauptleuten viele Aufrufe zum Ausrücken, aber man achtete wenig darauf. Auf einen strengen Befehl Roschmanns beschloss man mitzutun, aber so wenig als möglich zu leisten."

Die Klügeren widersetzten sich dem Sturmgeläute. — Aber der Bote, ein Betrunkener im Hemdärmel zu Pferde, soll gesagt haben, so brachte es Mamsell Theres in die Conferenz, jenen solle man niederschießen, der gegen das Sturmläuten stimme. So mußte man der Raserei weichen. Die Sturmglocke ertönte wieder und die Haufen zogen hinab gegen Rattenberg und Kundl. Es war indessen zu spät. Major Loy im Wildschönauthal hatte, statt am Angetberg Verhaue zu machen und Position zu fassen, den Pfleger in Hopfgarten ausrauben und arretiren lassen müssen. Er selbst trank weidlich in Rattenberg, und der Baier zog über Kufstein nach Hause, ruhig und ungestört. Kein Wagen ging ihm verloren.

Am 4. Juni.

Überlaut erklärt sich der Fügner, kein Salzburger mehr zu sein. Erbittert über seine Mutterstadt scheut sich Mancher nicht zu sagen: Kufstein und Salzburg müßen noch abgebrannt werden. Franz Nißl, Bildhauer, solle vom Passeyer-Wirth zum einem Kommandanten creirt worden sein. Wo und über wem? ist bisher so unbekannt, als sein Creditiv unsichtbar.

Am 10. Juni.

Kömmt vom Major Teimer an Nißl ein Befehl, daß dem Josef Speckbacher von Rinn vom Unterinntal mit 1000 Mann zu einer wichtigen Expedition (wahrscheinlich die Überrumpelnng Reichenhalls) solle beigestanden werden. Da dieser Befehl für Zillerthal nicht zu lauten schien, wurde er gar nicht beachtet.

Am 11. Juni.

Heute wurde eine Art Schützenorganisirung vorgenommen und während selber kam H. Pfleger von Zell, dem ich vor 2 Tagen meine Anliegen geklagt hatte, suchte, nachdem er vom H. Dechant von der wahren Lage der Dinge unterrichtet war, H. Pflegskommissär sein Vorurtheil zu benehmen, daß ich auf seinen Dienst laure, und stellte mich den Gemeinde-Männern als eigentlichen Amtirer vor, ohne den sie nichts unternehmen, dem sie Achtung und Gehorsam schuldig wären. Die Schützen wählten zum Hauptmann den Wirth Sebastian Zemmer. Das kränkte den v. ;Schmuck, und so wie er vorhin der Mittelpunkt des Complottes gegen mich schien, so hörte Dieses nun auf, da er sich selbst ohne Anhang und den neuen Hauptmann ganz auf meiner Seite sah.

Von dieser Zeit an hörte man von siegreichen Schlachten der Österreicher. Die Schlacht von Aspern war gerühmt. Bald war Napoleon Bonaparte blessirt, bald auf dem Bückzuge, bald kündigte der Erzherzog Johann seine Ankunft in Tirol an u. s. w.

Vom 19. Juni bis 14. Juli

stand eine kleine Schützen-Compagnie der Fügner bei Kufstein und, erhielt durch braves und ordentliches Betragen alles Lob.

Intendant Roschmann, nach genommener Rücksprache mit dem General-Major Buol, hatte auch den zu Hause befindlichen Militaristen und Reserven erlaubt, sich zu den Schützen schreiben zu laßen, wodurch diese sich schon ganz tirolisirt glaubten, ungeachtet Dieses nur eine zeitliche Maßregel war, und ausdrücklich ein Verzeichniß der Schützendienst Verrichtenden verlangt wurde, um sie nicht Gefahr laufen zu laßen, seiner Zeit für Deserteurs gehalten zu werden.

Über das gute Verhalten der Schützen erhielt Sebastian Zemmer folgendes Zeugniß:

„Nachdem die Dienstzeit der Kompagnie des H. Hauptmann Zemmer aus dem k. k. Pfleg- und Landgerichte Fügen im Thannloch am Thierberg verflossen ist, dieselbe aber sich während ihres Hierseins durch ausgezeichnetste Pünktlichkeit, Ordnung und Thätigkeit im Dienste sowohl, als durch mühvolle und schöne Befestigung ihres ihr angewiesenen Postens ganz ausnehmend von allen mir untergebenen Kompagnien hervorgethan hat, so sehe ich mich mit innigstem Vergnügen veranlaßt und verpflichtet, derselben mit dem H. Hauptmann Zemmer insbesondere meine volkommenste Zufriedenheit und Dankbarkeit zu bezeugen und dem Vaterland sowohl zu einer so braven Mannschaft Glück zu wünschen, als diese herrliche Kompagnie ganz besonders allen löbl. Behörden zu empfehlen.

Thierberg, am 3. Juli 1809.
(L. S.) Jakob Sieberer,
k. k. Schützen-Major und Oberkommandant.


Am 12. Juli.

Es erhebt sich die Sage, die franz. Armee nach einer in Mähren vom 7.— 10. d. M. erlittenen Niederlage sei auf der Retirade, Franzosen und Baiern seien gegen uns im Anzuge, selbst die Gerlos bedroht. General Ruska mit 2500 Mann habe sich von Klagenfurt nach Salzburg und von dort gegen Pinzgau gewendet. — Heute kamen k. k. Jäger unter dem Lieutenant Munzel, 42 Mann, und gingen in die Gerlos, wo auch eine Compagnie Zeller zu stehen kommen.

Am 13. Juli.

Heute gehen nochmals 17 k. Jäger nach Gerlos und so viele zurück. Die Sage verbreitet sich, daß in Salzburg 10.000 Mann Baiern angekommen seien, die sich gegen Tirol wenden.

Am 19. Juli.

Dem Wunsche der Gemeinde nach wurden heute 2 kleine Comp. Schützen organisirt, jede zu 7 Corporalschaften. Von jedem Gute wurde die Quote bestimmt, ob 1 — 1/2 oder 1/4 Mann u. s. w. zu gehen habe. Die Corporate sind in der Mitte der sie umgebenden Corporalschaften, deren 14 sind. Manchen Klagen wurde abgeholfen und die Billigkeit allerorten zum Maßstabe genommen.

Am 22. Juli.

Zog die erste Fügner-Compagnie auf Befehl des Int. Roschmann wieder nach Kufstein ab.

Am 23. Juli.

Unter beständigem Hin- und Herziehen der achttäglich wechselnden Zeller-Compagnien erscheinen heute mehrmal 18 Jäger, nach Gerlos gehend.

IV.


Zweiter Einfall der Baiern.

Am 27. Juli.

Auf anher erlassenen Befehl des M. Teimers, daß alle waffenfähige Mannschaft des Gerichtes Fügen und überhaupt Zillerthals schleunigst nach der Gerlos aufbrechen solle, zog heute Abends die zweite Fügner-Compagnie dahin. Übrigens will man heute sagen, daß die Baiern bereits den Paß Strub forcirt haben und schon in Waidring sein sollen. Diese Nachricht bestätigen eine Menge Flüchtlinge, die mit ihren Fuhren aus Unterinnthal hieher ihre Einrichtungsstücke in Sicherheit bringen. Übrigens sollen sie diesesmal nicht so wild als das erste Mal sein.

Bei Rattenberg sollen zwei Kanonen aufgepflanzt sein und an der Zillerbrücke stark verschanzt werden. In Innsbruck seie, sagt man, viel k. k. Militär, allein es sei in Bereitschaft, nach dem Brenner zu gehen, weil eine Nachricht angekommen, daß wirklicher Waffenstillstand sei, dem zufolge die Österreicher das Tirol räumen müßen. Ungeachtet diesem Waffenstillstand die Intendantschaft offiziell widerspricht, so scheint doch das Militär ihn glauben zu wollen.

Hier bereitet sich alles zur Flucht. Major Teimer rieth den Rattenbergern, ihre besten Habschaften wegzubringen, indem der Fall möglich wäre, das ihre Stadt abgebrannt würde. Überhaupt ahnet Niemand viel Gutes. Ohne militärische Hilfe bei dem ohnehin erkalteten Eifer der Unterinnthaler können die Baiern jeden Tag, an dem sie wollen, in Innsbruck sein.

Am 28. Juli.

Haufen Flüchtlinge kommen an. Die Baiern sind bereits in Wörgl. Das wenige Militär zieht ab. Unsere Schützen sind in Rattenberg.

Gottlob! daß doch dermal kein Sturmgeläute und Pöllerschießen der Leute Angst und Bangigkeit vermehrt.

Man besorgt Vieles von den Baiern, die jetzt als Rächer kommen. Matthäus Nißl kommt Abends hier an. Er gibt die Stärke der Baiern folgendermaßen an:

Von Strub her 15.000, von Kufstein 7000, von Pinzgau 7000. Andere setzen die ganze Stärke auf 6000 — 4000 — gar 2500 an. Mehrere Tausend sollen ohne Waffen sein. 0 der Lügen!! — Der beste Vater im Himmel, der uns schon zweimal rettete, wird uns auch dieses Mal bewahren. Drum muthig — klug — thätig. Dann läßt sich Vieles abwenden. Weib und Kind auf die Seite, wie der Feind, wenn er eine Schlacht wagt, sich leicht macht; und dann harre ich abermal auf meinem Posten. Jedoch um Zeugen meines Handelns zu haben, müßen die Ausschüsse stets gegenwärtig sein. Böse Menschen haben böse Zungen. Sagten nicht meine Feinde bei der ersten Invasion der Baiern: Ich habe sie hergelockt, sei zu willfährig gewesen in Leistung der Requisitionen, indeß ich mir bewußt bin, daß, nach dem Herr Dechant, der zur Erhaltung des Ortes kein Opfer scheute, ich der Einzige war, dem Fügen seine Existenz danken sollte! Was litten wir? — Wir kosteten das Bittere des Krieges — kosteten es nur — und unendlicher Dank, dir Gott im Himmel — mehr nicht.

Am 29. Juli.

Früh um ½ 5 Uhr kommen von Strass her ein k. k. Jägerlieutenant mit 40 Mann, die hier frühstückten und mit Gewalt alle Brücken und Stege des Zillers abbrechen wollten, ungeachtet der Ziller an vielen Orten durchwatet werden konnte. Mit genauer Noth rettete man noch den Harter Steg und die Brücke zu Hasibach. Die Zillerbrücke bei Straß war abgetragen. Um 10 Uhr früh zogen sie wieder ab gegen Zell, unter dem Vorgeben, nach der Gerlos gehen zu müßen. An der Zillerbrücke standen noch 38 M. Jäger. Gegen Mittag hörte man, daß dort geschossen werde.

Meine Familie, in der Mitte meine der Entbindung nahe Therese, floh auf den anstoßenden Fügenberg.

Bald kamen von der Zillerbrücke her die letzten k. k. Jäger und brachten die Nachricht, daß die Baiern die Zillerbrücke übersetzt und den Marsch gegen Schwaz genommen haben. Sie geben ihre Stärke auf 500 Mann Cavallerie an nebst einigen Jägern. Von den k. k. Jägern wurden 7 Mann gefangen. In banger Erwartung, wobei man den einzigen Trost hatte, daß man hoffen konnte, der gänzliche Mangel an Widerstand werde die Wuth des Feindes vermindern, brachten wir die Stunden bis Nachmittags 3 Uhr zu.

Um diese Zeit beilich traf das erste k. b. Streifkommando hier ein. Es waren 26 Mann vom Chevauxlegers-Regimente Bubenhofen unter dem H Oberlieutenant Dichtl.

Herr Dechant, die Vornehmern des Ortes und ich begegneten ihnen vor der Pflege, baten um Schonung und erhielten in den artigsten Ausdrücken die besten Verheißungen. Die Mannschaft hielt vor dem Pfleghaus, wurde mit Brot und Bier, dann Wein, Brandwein, auch Eier bedient, indessen Herr Oberlieutenant Dichtl sich im Pfarrhof über Verschiedenes Aufklärung erbat, besonders über die Passage von Gerlos, über das Vorrücken des Generallieutenants Deroy etz. Am Ende übergab H. Oberlieutenant dem Herrn Dechant eine schriftliche Einladung des Herzogs von Danzig, Marschalls Lefebre, gemäß welcher er Morgens um 4 Uhr ihn in Rattenberg zu besuchen hätte. Die ganze Truppe betrug sich am besten, und zog gegen 7 ½ Uhr ab.

Die Nacht hindurch verging zwar ohne militärischen Besuch, aber doch ruhelos in verschiedenen Geschäften. Um 9 Uhr wurde Johann Hundsbichler als Courier nach Zell geschickt; um 1 Uhr kam er wieder an und um 2 Uhr früh reiste Herr Dechant ab.

Am 30. Juli.

Schon um 7 Uhr kam unser allgeliebter würdigster Dechant. Er war vom Herzoge von Danzig Lefebre gut aufgenommen und nach einigen Verweisen in Betreff des Wiederergreifens der Waffen, mit einer Sicherheitscharte für sich und die Gemeinde versehen, entlaßen worden. Diese Charte lautete:

Armée francaise et alliée 7. Corps.
Routes les Colonnes ou Detachements dependants de 1' armée sous mes ordres respecteront et feront respecter la personne de M. le Doyen de Fugen M. de Waldreich et ses habitans.

J'autorise les generaux ou Commandans de troupes à faire fusilier sur le champe quiconque dependant de 1' armèe qui oservit commetre des Dègote ou exces dans 1' eglise ou dans les habitations de Fugen.

Au Camp de Strass le 30. Juillet 1809.

Le Marchal d' empire en chef,
Com. d' armèe en Tirol,
Le Marchal Duc de Danzig
Lefebvre.

(„Ich befehle, daß jede Colonne oder Abtheilung der unter meinem Commando stehenden Armee dem Herrn Dechant von Fügen v. Waldreich sowohl selbst persönlich als den Bewohnern von Fügen mit Achtung begegne und Achtung verschaffe.

Ich bevollmächtige die Generäle und Commandanten der Truppen jedes Armee-Individuum auf der Stelle fusilliren zu lassen, welches sowohl in der Kirche als den Wohnungen von Fügen Verwüstungen oder Excesse sich zu erlauben getraute.

Auf dem Felde zu Strass, den 30. Juli 1809.
Reichs-Marschall, Befehlshaber en chef
der Armee in Tirol,
Herzog von Danzig
Lefebvre.)"

Dieser Schutzbrief wurde in größter Schnelle verbreitet und an 15 Orten angeschlagen.

Der Tag verfloss zwar in besorglicher Erwartung, doch fürchtete man weniger einen Druck von Straß als von der Gerlos her. Nachmittag kehrten unsere Schützen von Gerlos zurück. Sie sagten uns, die k. k. Jäger seien unsichtbar geworden, die Baiern seien aber nicht stärker als etwa 200 Mann stark bei Wald. Ebenso brachte ein Abgeordneter von Zell um 3 Uhr die Nachricht, daß noch kein Baier in Gerlos sei.

Anders lauteten die Nachrichten um 6 Uhr. Von Zell kam ein Eilbote mit der Nachricht, daß der Vortrab der dritten Division unter dem Generallieutenant Deroy schon in Zell seie. Er bestehe aus beilich 450 Mann unter dem H. Oberstlieutenant Buttler. In Zell werde er etwas anhalten, dann nach Fügen rücken, und dort bivouaquiren, ihm gleich nachfolgen das Hauptcorps pr. 6000 Mann.

Da es in Fügen äußerst schwierig, ja unmöglich gewesen wäre, so viele Mannschaft zu verpflegen, noch mehr, da ohne den größern Schaden nicht einmal ein tauglicher Lagerplatz angewiesen werden konnte, so ging ich mit 2 Männern begleitet den Truppen bis Ried entgegen um Vorstellungen zu machen, damit die Verpflegung vertheilt, der Lagerplatz aber auf der Wiese zu Uderns, oder in der Aue zu Straß gewählt würde. Oberstlieutenant von Buttler war eben so freundlich, als gestern Herr v. Dichtl, und versicherte, er käme heute nur nach Uderns, wo er bivouaquire; von Fügen brauche er gar nichts, und auch das andern Tags kommende Hauptcorps werde blos defiliren. Unter Freundschafts Versicherung entließ er endlich uns, und ich kehrte nach Hause, wo der größte Theil der Nacht in verschiedenen Geschäften vergieng, z. B. 2 k. k. Jäger, bewaffnet und betrunken, waren nur mit Mühe weiter zu bringen, den Zeller Fuhren mußte ich zu Uderns die Ablösung erwirken u. s. w.

Am 31. Juli.

Von Uderns her kam um ½ 7 Uhr der Vortrab: 500 Mann Infanterie, 30 Mann Cavallerie, nebst 1 Kanone und 30 Jägern. Sie defilirten mit klingendem Spiele, ohne daß ein Mann hielt. Ihm folgte eine Viertel Stunde später das Corps oder die Division selbst nach. Es bestand aus zwei Kanonen, zwei Escadronen Reiter, den Regimentern Preißing, Junker und einem Teile des 14. Linien-Infanterie-Regimentes. Die Truppen hatten die schönste Haltung. Ihre Zahl war zwischen 4 und 5000. Dreifache treffliche türkische Musik begleitete selbe. In der Mitte ritten der Generallieutenant Deroy und der Generalmajor Vincenti. Die Ortsvorstehung empfing sie am Eingang des Dorfes, bittend um Gnade und Schonung. General Deroy stieg vom Pferde, sprach mit H. Dechant sehr gütig und liess sogleich einen Offizier mit 20 Mann als Sauvegarde austreten, die sich vor die Thüre der besten Häuser postirten.

Die Colonne zog ganz ohne Halt durch. Was einzelne Soldaten forderten, bezahlten sie größtenteils. Herr Dechant, bei dem der Oberstlieutenant v. Schmöger einkehrte, der die Sauvegarde mit Wein bediente, der den Offizieren vom Regimente Junker, welche vor dem Orte rasteten, den Wein schickte, hatte den meisten und auch fast einzigen Schaden. Am Ende requirirte ein Leutenant vom Regimente Junker noch Brot für seine Mannschaft, begnügte sich mit 3 ½ fl. weissen und 20 Laib schwarzem Brote.

Der Rest des Tages verging ruhig. Man hörte, daß Rattenberg 15,000 Mann unter dem R. M. Lefebvre passirt haben, daß von Achental 1500 Mann einmarschirt seien u. s. w.

Gesammtes Militär behauptete einen Waffenstillstand, dem zufolge ihnen Tirol übergeben wäre, was die Tiroler noch immer widersprechen. Übrigens zogen heute die ersten Baiern ohne Schuß in Innsbruck ein.

Die Flüchtlinge kamen zurück, der Bauersmann kehrte zur Arbeit, und man hoffte ein erträgliches Schicksal, da man noch vor zwei Tagen sich Tirol zur wüsten Einöde umgeschaffen vorstellte.

Am 1. August.

Ein Bataillon des 14. Linien-Infanterie-Regimentes unter Commando des Herrn Majors Fortemps kam heute gegen 8 Uhr von Zell hieher. Außer dem Dorfe lagerte es sich, wurde mit Brot und Bier bedient. Herrn Major, Capitän Grins und eine Orts-Sauvegarde bediente Herr Dechant. Da des Bieres zu wenig war, man solches von Ed oder Hart hoffend, versprach, ohne daß es erfolgte, wurde das Militär ungestüm, und Herr Dechant rettete den Ort vor Schaden durch ein Opfer von einem 3yhrigen Faße Wein.

Fast zu gleicher Zeit wurde Herr Dechant durch ein Schreiben des Platz-Commandanten Grafen von Taufkirchen zu Rattenberg aufgefordert, die Desarmirung selbst oder durch einen Substituirten zu besorgen, und spätestens bis morgen Abends um 7 Uhr zu vollenden. Zu diesem Ende wurden die Ausschüsse, Hauptleute und andere Männer berufen, ihnen die Eröffnung, die Waffen abzugeben gemacht, und zur Ablieferung ein eintägiger Termin gegeben.

Am 2. August.

Die gestern durch 6 Quartiermacher angesagten 2 Compagnien des 14. Linien-Infanterie-Regimentes kamen heute nach 8 Uhr an. Sie bezogen mehrmals ein Bivouaque-Feld, wo sie gespeist wurden. Die Herren Offiziere, worunter H. Hauptmann v. Ribaupierre war, bewirthete Herr Dechant. Außerdem wurde Brot requirirt und einiges geleistet. Vor dem Abzuge erhielt durch 5 Chevauxlegers H. Hauptmann v. Ribaupierre eine Ordre des Generallieutenants Deroy, der zufolge er von den Orten Zell, Fügen und Uderns 30 St. Schlachtvieh requiriren sollte.

Zell repartirte diese folgendermaßen:

Zell selbst stelle 9, Ried und Uderns 9, Stum 6, Fügen 6 = 30 Stück.

(Am Abend kamen meine Gemahlin und meine lieben Kinder wieder hier an.)

Am 3. August.

Gerüchte werden verbreitet, die Baiern reteriren nach Hall, die Kaiserlichen seien im Anzuge gegen Strub — und schon im Pinzgau etc. — Abends brachte H. Spiß von Zell die Nachricht, H. Sieberer, Tiroler Schützen-Major habe ihm geschrieben, daß Tirol von den Österreichern geräumt werden müße, der Waffenstillstand seine Richtigkeit habe und die Baiern bereits den Brenner besetzt haben; also Ruhe für hier!

Am 4. August.

Heute 5 Uhr früh gingen von hier 6, von Zell 10 Stück Schlachtvieh nach Innsbruck ab.

Um 7 Uhr erschien ein Schreiben des H. Platz-Commandanten zu Rattenberg, worin auf gestern gemachte Vorstellung der Termin zur Ablieferung der Gewehre um 3 Tage verlängert wird.

Nachts um 9 Uhr erhalte ich von Zell die sichere Nachricht, daß der Sandwirth Andrä Hofer durch einen eigenen Boten an die Gemeinden Fügen und Rottholz schriftliche Aufforderungen zur Wiederergreifung der Waffen erlassen habe. Die hieher gemeinte Aufforderung konnte ich nicht erfragen. Aber Andere behaupten fortan, daß alles k. Militär am Brenner abziehe.

Am 5. Angust.

Heute erschien von Salzburg eine Proclamation, die alle Gebirgsbewohner anweiset, zur Ruhe sich zu begeben, und hier und aller Orten veröffentlicht wurde.

Am 6. August.

Heute wurden die gestern erlaßenen Proclame verrufen.

Ein neues, über Entwaffnung der Tiroler und Einberufung der ersten Insurgenten-Anführer wurde, sowie die Ankündigung einer Salzb. Desarmirungs-Kommission bekannt gemacht. — Abends um 7 Uhr wurden 43 Gewehre an das Platzcommando in Rattenberg ausgeliefert.

Am 7. und 8. August.

Die Desarmirungs-Commission mit 60 Mann Militär wird auf den 9. M. Mittag in Fügen angesagt. Da sich Fügen auswies, seine Gewehre bereits abgeliefert zu haben, und in einem Originalschreiben des. M. H. v. Danzig die Zufriedenheit desselben mit Ablegung der Waffen der Fügener zu erkennen gegeben wurde, welches Schreiben bereits hoher Commission entgegen geschickt wurde, so kommt von Hopfgarten her die. Zusicherung, daß die nach Zell kommenden 30 Mann Militär dort bleiben und sodann wieder über Gerlos zurückgehen werden.

Gottlob, wieder einmal den Fügenern genützt, obwohl sie meine Feinde sind!

Am 9. August.

Die Desarmirungs-Commission war hier. Ich legte ihr die Verzeichnisse der schon geleisteten Gewehrabgaben vor. Sie war zufrieden. Den Gemeinde-Männern rieth sie Ruhe. Ihr Auftrag war, daß sich der Hauptmann Zemmer in Salzburg stelle; ich empfahl ihn nach Kräften. Abends kam von Salzburg eine Forderung von 4 Wartwägen. Nach einem k. b. Tagsbefehl darf sich kein Mensch ohne Paß außer seinem Dorfbezirke betreten laßen unter Todesstrafe. *) — Zu Innsbruck wurden gestern Wehrbürger erschossen. Sie sollen bairisches Militär entwaffnet und mißhandelt haben.

*) Bis zum Oktober dieses Jahres wurden aus Zell und Fügen 22 Mann als Gefangene nach Salzburg transportiert. Schallhammer: Urkunden S. 565.

Am 10. August.

Die Commission gieng heute hier durch zurück. Abends wurden 12 Eimer Bier von Zell nach Rattenberg geführt.

Am 11. August.

Von Rattenberg eine Hufeisenrequisition. Heute gehen die k. b. Depots zurück nach Rattenberg, dafür viele Munitionswägen hinauf. Hier deutet alles dieses auf eine Retirade. Gestern seien 48 Wägen Blessirte in Innsbruck angekommen, heute ein blessirter General Straß passirt. Auf der Alpe Sindan sollen gestern 10 Reiter gewesen sein.

Am 12. August.

Heute erhalte ich vom Pfleger Seethaler die Nachricht, daß bei Telfs eine für die Baiern nachtheilige Affaire vorgefallen seie, welche zur Folge hatte, daß sich ein Theil der Armee nach Innsbruck zurückzog, und die Sage geht, ein weiterer Rückzug werde statthaben; auch bei Klausen sollen die Baiern gelitten haben. Aus dem Innthal hört man, daß in Wiesing, Münster, Schwaz etc. alles zu den Waffen greife; gestern Abends schon erhoben sich die Burschen von Schlitters. Herr Curat alldort, welcher ihnen dieses zu thun abrieth, wurde mit Tod bedroht und flüchtete sich heute. Die Sauvegarde von Jenbach wurde aufgehoben und in Schwaz einige Mann Jäger erschossen. Man hörte gestern von Innsbruck her stark kanoniren. Schon zeigten sich Schützen am Brettfall, alles deutet auf nahen Aufstand. Das Volk zu Fügen verrieth Neigung, sich anzuschließen, Josef Rainer, Metzger, ein Tonangeber, äußerte sich hierüber bestimmt. Aufgefordert durch Bartische Proclamationen; der Waffenstillstand wurde mehrmal für eine Lüge erklart, der Verlust der Baiern bei Telfs auf 18,000 Mann angegeben; Kaiserliche von Pinzgau her annoncirt u. s. w.

Gegen Mittag erblickte man schon Bewaffnete in Fügen, namentlich der sogenannte Hafner von Schlitters. Die Fügner hatten noch mehr zur Insurrection gestimmt, die Vorspanns-Forderung nach Salzburg, die Betreibung der Steuerausstände pr. 4918 fl. binnen 14 Tagen. Zwar bewaffnete sich alldort noch Niemand; aber es war eine Stille, wie vor einem nahen Donnerwetter. — Gegen 4 Uhr erhielt ich von meinem Freunde Forstmayer aus Zell eine Copie einer tirolischen Proclamation, worin die Zillerthaler zur Wiederergreifung der Waffen aufgefordert werden, ihnen besonders aber befohlen, wird, mich als Feind des Vaterlandes handfest zu machen, dem General Bart auszuliefern, welcher mich richten würde. Ich nahm mein Weib und ging' zum einzigen Freunde Herrn Dechant. Dieser erschrack. Nun, sagte er mir, hören sie die beispiellose Tücke! Erst heute war der sogenannte Commandant und Bartische Geschäftsführer Nißl bei mir und sagte: die Bauern wären nun so gut für mich gestimmt, daß sie darum anhalten wollten, daß ich des alten H. Pflegekommissärs Dienst erhielte — und nun diese Nachricht, die mehrmals keine andere Quelle haben kann, als die Bösgesinnten in Fügen, die Stürmer, Leute ohne Vermögen und Charakter, die Freunde der Unordnung, unter denen Nißl oben anstehend.

Was war zu machen?

Bewaffneter Feind vor meiner, hinter mir, und ich in Mitte vieler gegen mich Übelgesinnter und Aufgereizter. Bei Volkstumulten hat allzeit die Hefe die erste Stimme und Oberhand. Und in die Hände eines Insurgenten-Hauptmanns, eines rohen Viehhändlers zu fallen!

Wäre noch eine k. k. Intendantschaft in Tirol gewesen, ich hätte mich nicht geflüchtet. Aber so empfahl ich Weib und Kinder Gott und Herrn Dechant und floh nach Rattenberg, von wo aus ich das Pfleggericht Zell bat, meinen Posten einstweilen zu besetzen, Hrn. Pflegskommissär meine Entfernung anzeigte, und Hrn. Dechant und meinem Weibe schrieb. Gott bewahre und rette uns alle! Mein ruhiges Gewissen und das Buch Thomas von Kempen begleiten mich, sonst habe ich nichts bei mir. *)

*) Daß Schwarz gut daran getan, beweist ein „Laufzettel" vom 12. Aug der (nach Hirn S. 598 [Anm.W.M. S. 600]) von Straß nach Kaltenbach die Leute folgendermaßen informierte; „Liebe Freunde! Ich teile euch mit, daß der Feind bis Innsbruck verdrängt wurde. Bald wird er in voller Retirade sein. Schon viele Wagen von Verwundeten sind vorbeigezogen, den ganzen Tag hörte man kanonieren. Ihr sollt das überall bekannt machen. Versammelt euch alle, Schützen und-Sturmleute, damit wir den prahlenden Räubern den Rückweg abschneiden. Wir sehen, daß Gott dem Tapfern hilft, der nur für die Religion kämpft. Laßt euch durch keine Lüge täuschen. Bei der Gnadenmutter auf der Brettfall kommen wir zusammen. Besonders bringt den bösen Oberschreiber von Fügen in Verwahrung, aber tut ihm nichts. Wir liefern ihn dem Hofer aus, der wird schon verfahren mit ihm, wie er es verdient. Wer nicht mit uns hält, wird als Landesverräter behandelt." — Wer weiß, wie es Schwarz dabei gegangen wäre, angesichts der Aufregung im Volke!

Am 13. August.

Heute fuhr ich pr. Post bis Kufstein. Auf Verlangen des Hrn. Majors Grafen Taufkirchen zu Rattenberg erstattete ich ihm von hier aus Rapport. Die Straße war offen und ganz ruhig.

Am 14. August. Kufstein.

Auch an Se. Exzellenz den R. Marschall machte ich Anzeige meiner Vertreibung.

Heute erfährt man hier, daß zu Achenrain sich Schützen sammelten, einen Verhau anlegten und von dort aus Rattenberg beunruhigten. Der Oberst Graf Arko wurde durchgeführt. Die Insurgenten erschossen ihn bei Schwaz.

Gott im Himmel, wie geht es etwa den Meinigen! So bang war mir nie.

Da ich kein Schiff abwarten konnte, fuhr ich abends auf einem gemeinen Fuhrwagen nach Fleinsbach.

Auch in Kundl soll es unruhig und deswegen selben das Abbrennen gedroht worden sein. Marschall Lefebvre will sich bei Innsbruck halten und sandte einen Courier an Napoleon, den 2000 Mann über Rattenberg und Wörgl begleiteten."

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Am 15. August erreichte der flüchtige Beamte Rosenheim und sah dort noch den Abgang eines großen Provianttransportes zur Armee nach Tirol, sowie andersteils „viele Wägen Blessierter und viel Verschläge Tiroler Gewehre nach München."

Am selben Tage war inzwischen des Landes dritte und glänzendste Befreiung vom Joche der Fremdherrschaft bereits zur Tatsache geworden.

Soweit die Erlebnisse eines Mannes, der gewiss nur das Beste gewollt und angestrebt hatte; und damit schließen seine Aufzeichnungen über die Vorfälle im Zillertal im Jahre 1809.



Quelle: Cornel Schwarz, Tagebuch aus dem Tiroler Kriege 1809, in: "Aus vergilbten Blättern", Zeitgenössische Beiträge zur Geschichte von anno Neun. Akten zu Tirols Jahrhundertfeier. Nach Originalaufschreibungen herausgegeben von Heinrich von Wörndle. Innsbruck 1909. S. 33 - 71.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.