Jakob Margreiter


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Bei Kundl, einem Dorf des Unterinntales, öffnet sich, oberhalb von Wörgl, das romantische Wildschönautal, das sich südlich bis in die almreichen Vorberge der Zillertaler Berge hineinzieht. Was Tal besteht aus den Fraktionen Auffach, Thierbach, Niederau und Oberau. Die Wildschönau, obwohl von der Hauptverkehrsstraße weit abgelegen, spielte 1899 und 1813 eine wichtige Rolle.

Der Name Wildschönau (früher Wiltsconenowe oder Wiltschonaw) kommt meines Erachtens von „Wildschonung", was ich damit begründe, dass über den Wildschutzdienst in dieser Gegend im Saalbuche des Amtes Rattenberg (siehe Otto Stolz, Polit. Gesch. S. 795) besondere Vorschriften bestanden. Der Hauptort ist Oberau; dort war Jakob Margreiter, genannt Loy, am Egg (Oberau) in der Wildschönau, am 22. Juli 1762 geboren. Zum ersten Male rückte er, der im Zivilberuf Bäcker und Müller war, im Jahre 1799 aus, diente dann drei Jahre bei der Miliz und wurde bei Ausbruch des Aufstandes am 9. April 1809 von den Wildschönauern zu ihrem Hauptmann und Major gewählt. Margreiter war ein überaus energischer, kluger und vorsichtiger Führer.

Schon am 12. April 1809 läuteten in der Wildschönau die Sturmglocken. Major Margreiter forderte seine Landsleute zur Erhebung der Waffen. Ein Namensvetter, aber Gegner, der bayerische Leutnant Markreuther (ein gebürtiger Tiroler) war, als er, vom französischen General Bisson geschickt, am 13. April in die Stadt Innsbruck zur Rekognoszierung reiten wollte, durch einen hinter der Triumphpforte postierten Silzer Schützen schwer verwundet und zu Boden gestreckt worden. Am 12. April empfing Margreiter in Straß die heranrückenden Österreicher unter Oberstleutnant Baron Paul Taxis mit Musik, Böllerknall und Festgeläute. Als Baron Taxis sah, dass Margreiter nur ein schlechtes, aus Seidenbändchen zusammengefügtes Portepee am Säbel trug, hängte er sein eigenes daran und nahm das andere als ewiges Andenken an einen braven Tiroler Schützenoffizier mit. Anfang Mai 1809 wurde Margreiter in seiner Würde als Major von dem Unterintendanten von Roschmann bestätigt. Margreiter hatte dies wegen seiner Zwistigkeiten mit dem Major Jakob Siberer verlangt. Die in Innsbruck weilenden Führer Hofer und Speckbacher verlangten von den Unterinntalern stets die Verfolgung der abziehenden Feinde. So auch am 30. Mai 1809. Margreiter hat es aber mit Recht, um Verluste zu vermeiden, unterlassen, den feindlichen General Deroy die Passage am Angerberg und die Straßenenge von Mariastein zu verlegen und zog es vor, in Rattenberg zu bleiben, den Feind zu beobachten und ihm einige Kugeln als Abschiedsgrüße über den hochgeschwollenen Inn hinüberzuschicken. Die Kriegshistoriker machen ihm daher wegen dieser Nachlässigkeit heftige Vorwürfe.

Am 12. August besetzte Margreiter mit seinen schlagfertigen Wildschönauern den Stadtberg oberhalb Rattenberg und rückte dann unter Speckbachers Kommando am 16. August den aus Innsbruck abziehenden geschlagenen Feinden nach. Margreiter gehörte der Tiroler Kriegspartei an, die den Friedensnachrichten aus Wien keinen Glauben schenken wollte. Am 15. September wurde Margreiter zum Platzkommandanten in Pinzgau bestellt, zog am 25. September mit seinen Kämpfern nach Berchtesgaden, musste sich aber nach der Niederlage bei Oberalm (3. Oktober) über das „Steinerne Meer" nach Saalfelden retten. Am 22. Oktober schickte der bayerische General Erasmus Graf Deroy drei Bataillone des 9. Regimentes auf verschiedenen Wegen in die Wildschönau, um die „noch nie bezwungenen Bewohner" dieses Tales zu unterwerfen. Es kam jedoch nicht zum Kampf, da die wehrhafte Mannschaft von Wildschönau unter Margreiters Führung bei Rattenberg stand, wo Margreiter auch am 24. Oktober einen Transport Gewehre erbeutete. Noch anfangs November bemühte sich der kampfeslustige Margreiter, seine Wildschönauer unter Waffen zu halten, bis es schließlich am 27. November dem General Deroy gelang, das Tal zu entwaffnen. Am 1. Dezember kommandierte Margreiter zum letzten mal seine Unterinntaler, dann irrte er flüchtend im Gebirge herum, bis ihn am Weihnachtsabend 1809 das bayerische Bataillon Butler am Wattenberg unter dem Dach eines Hauses in einer großen Hühnersteige ergriff und ins Gefängnis nach München schleppte. Zunächst zum Tode verurteilt, wurde er später zur Festungshaft in der Festung Rothenburg in Mittelfranken begnadigt.

Von Wien aus erhielt Margreiters Frau eine Pension von 150 fl., ebenso viel erhielt auch sein engerer Landsmann Balthasar Bletzacher, Hauserbauer aus Mosen, der schon 1810 und dann neuerlich im April 1813 verhaftet wurde. Als Margreiter nach drei Jahren die Freiheit wieder erlangte und heimkehrte, fand er sein schönes Landgut verödet und seine Familie verarmt. Sein Sohn Georg Margreiter (gest. 1874 in Niederau) kämpfte im Jahre 1809 als Oberleutnant mit.

Die Unruhe des Hochtales Wildschönau hatte sich auch nach dem Friedensschluss nicht gelegt. Den Militäraushebungen der bayerischen Regierung setzte man lebhaften Widerstand entgegen, der sich im Jänner 1813 zu einem förmlichen Komplott gegen die Bayern verdichtete. Der bayerische Gesandte in Wien, Graf Alois Rechberg, bezeichnete die Wildschönau als den „Herd der Bewegung". Mitte März 1813 wurde Margreiter neuerdings ausgehoben, entwischte zunächst, wurde aber bald wieder aufgegriffen. In den Geheimakten der Polizeihofstelle in Wien findet sich eine Meldung aus Tirol (Akt 210/1813, Pag. 673), der zufolge der Loy-Bauer (Margreiter), der 1809 Staatsgefangener in München war, am 26. März 1813 vor ein Spezial-Kriegsgericht gestellt und auf Befehl des bayerischen Generalkommissariates erschossen worden sei. Dieses Gerücht entsprach wohl nicht der Wahrheit, aber es dauerte doch wieder lange, bis man dem Loy die Freiheit wiedergab. Er bewirtschaftete dann seine Bauerschaft und starb zu Oberau am 11. Juli 1842. Die Grabstätte ist nicht mehr genau feststellbar, sie dürfte sich in der Nähe des Missionskreuzes am Friedhof in Oberau befinden; an der Kirche errichtete man im Jahr 1902 über Anregung des Prof. Dr. L. M. Prem dem Loy ein Denkmal.

Das Loy-Gut, rechts oberhalb von Oberau, steht jetzt im Besitz des Bruders des ehemaligen Ackerbauministers Andreas Thaler. Dieser ist als Sohn des Georg Thaler, Loy-Bauer, und der Anna Thaler (geb. Schoner, geb 1850, gest. 10. Dezember 1927) am 10. September 1883 in Oberau geboren.

Aus der Kriegszeit haben sich als Erinnerung an das Jahr 1809 noch die „Witschnauer Sturm-Löda" erhalten, die durch ihr Auftreten bei Tiroler Festlichkeiten immer großes Aufsehen erregt und zu deren Mitgliedern früher auch der Minister Thaler zählte.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 327 - 330.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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