Andreas Hofers Viergespann


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Man schrieb den 10. August 1809. Allenthalben bereitete man sich in Tirol nach den ruhmreichen Siegen in der Sachsenklemme darauf vor, die Franzosen aus Innsbruck zu vertreiben. Im Unter- und Oberinntal wird es lebendig: die Passage der Reichsstraße wird für fremdländische Offiziere und deren Angehörige unsicher.

Da fährt auf der von Schwaz nach Hall führenden Straße in ihrem prächtigen, mit vier Schimmeln bespannten Reisewagen die Gemahlin des bayerischen Obersten Grafen Joh. Theodor von Spaur (geb. 1758, gest. 26. März 1824 in Salzburg), Gräfin Christiane Spaur (geb. 2. Juni 1775, gest. 13. Oktober 1853), mit der Gattin des Generalstabsobersten der bayerischen Division „Kronprinz" Anselm v. Epplen-Härtenstein, Frau v. Epplen, geb. v. Tautphoeus, gegen Innsbruck, um dort mit ihrem Gemahl zusammenzutreffen. Längs der Straße lauern die Bauern, die sich mit Gewehren aus dem gestürmten Landgerichtshaus in Schwaz bewaffnet hatten, auf Konterbande, namentlich Fouragewägen.

Als die prächtige gräfliche Kutsche einige 100 Meter vor Volders ankommt, dort, wo der Wildpark des alten Schlosses Aschach bis an die Straße heranreicht und günstige Stellen für den Hinterhalt schafft, springen die Bauern aus ihren Verstecken hervor, zwingen den Wagen zum Halten, nehmen die Insassen fest und führen die Gefangenen auf den Weerberg im gleichnamigen Dorf. Die blütenweißen Rosse samt Kutscher und Wagen werden zunächst in ein Seitental und dann einige Tage später, nach der Befreiung der Landeshauptstadt, nach Innsbruck gebracht.

Am 11. August fing der Meraner Schützenhauptmann Josef von Aukenthaler (geb. 7. Dezember 1769 in Bozen, gest. daselbst 14. Oktober 1831) den nach Innsbruck reitenden Gatten der Gräfin, den Obersten Johann Theodor Spaur, Kommandant des 8. bayr. Inf.-Rgts, samt dessen Neffen, den Unterleutnant Franz Paul Grafen Spaur (geb. 11. Jänner 1790, gest. 6. Juli 1824 in Aschaffenburg), Adjutanten seines Onkels, beide aus der bayerischen Linie der Grafen Spaur, bei Gärberbach ab und nahm ihnen die schönen Säbel und silbernen Sporen weg. Die gefangenen Damen wurden nach Intervention eines französischen Offiziers und eines Franziskanerpaters aus Schwaz vom Weerberg nach Innsbruck eskortiert und erhielten in der Hofburg Zimmerarrest, der bis Ende Oktober 1809 währte.

Die vier feurigen Schimmel aber schenkte man nach der dritten Berg-Isel-Schlacht dem siegreichen Oberkommandanten Andreas Hofer. Dieser erwies sich als Edelmann, denn er machte den gefangenen Damen öfters Besuch, scherzte mit ihnen, sorgte für ihre gute Behandlung und erbat sich jedesmal, wenn er deren Gespann zu Ausfahrten benutzte, die Zustimmung und Erlaubnis der Gräfin.

Hofer war als Pferdehändler auch ein großer Pferde Kenner und hatte kindliche Freude an seinem Viergespann. Sonst für repräsentative Formen, Prunk und Huldigungen wenig empfänglich, war der hübsche Viererzug eigentlich Hofers einziger Luxus, den er sich als Regent von Tirol gönnte. Sogar einen eigenen Stallmeister, den Hochrainer Tonl aus Sterzing, hielt er sich für die Wartung der kostbaren Pferde, die aus dem damals bayerisch-salzburgischen Pinzgau stammten.

Als Hofer Ende August das Verlangen fühlte, heimzureisen, um seine Familie nach längerer Abwesenheit wieder zu besuchen, da erfolgte die Fahrt in der Schimmelequipage. Am 1. September fuhr der Oberkommandant um 4 Uhr nachmittags in der vierspännigen Karosse unter Paradierung der Hauptwache durch die Wiltener Vorstadt auf den Brenner. Den Reisezug eskortierte ein Kavalkade Sandwirts-Dragoner, in ihren bunten Uniformen, voran und hinten ritten je zwei Passeirer. Dem Leibwagen, in dem einige Adjutanten Platz genommen hatten, folgte ein Leiterwagen mit — einem Fass Wein als Wegzehrung.

So ging die Reise im Galopp bis Brixen, wo Hofer am 2. September ankam. Am 8. September, 8 Uhr abends, kehrte Hofer wieder nach Innsbruck zurück, mit demselben Gefolge, diesmal von 20 Reitern kortegiert, unter den Vivatrufen der Innsbrucker, die von der Triumphpforte bis zur Hofburg Spalier standen, um den Sandwirt zu erwarten.

Am 21. Oktober 1809, dem Tag, da Hofer die Hauptstadt Tirols für immer verließ, nahm er seinen Viererzug nach Steinach mit. Von Schönberg aus wollte Hofer am 29. Oktober über Anraten des Landeskommissärs Anton v. Roschmann den Wagen samt den vier Schimmeln persönlich dem bayerischen Kronprinzen Ludwig (I.) in dessen Hauptquartier nach Hall zurückstellen; der Wagen stand auch bereits angespannt vor dem Stolz‘schen Hause, als infolge des unheilvollen Einflusses P. Haspingers der Wagen wieder umgedreht wurde und statt nach Hall gegen Matrei fuhr (1. November 1809). Statt in den Frieden, ging es wieder in den Krieg!

Nach der unglücklichen Berg-Isel-Schlacht am 1. November begab sich Hofer in seiner Kutsche nach Sterzing und sandte, als grundehrlicher Mann, von dort aus die Equipage den Innsbruck okkupierenden Bayern nach Innsbruck zurück. Schmerzlich mag der Sandwirt die Trennung von seinen Lieblingspferden empfunden haben, auf alle äußeren Würden gern verzichtend, sah er doch in der Leibequipage einen kleinen Lohn für erkämpfte Siege. Der Verlust des Leibgespanns war der Auftakt zum Ende seiner Herrschaft.

Über das weitere Schicksal des Viergespanns gibt uns ein Brief Aufschluss, den der anfangs November 1809 aus der tirolischen Kriegsgefangenschaft befreite Oberst Graf Johann Theodor Spaur an den General-Leutnant Fürsten Karl Wrede schrieb (Bayer. Kriegsarchiv, Fasz. 455):

„Hochwohlgeborener Freiherr!
Hochgebietender Herr General-Leutnant!

Mit entzückender Freude sah ich heute die Sterzinger Postillons hereinreiten, welche die Nachricht von der Annäherung Eurer Exzellenz berichten. Ich benütze diese Gelegenheit, mich bei Eurer Exzellenz gehorsamst zu melden, dass ich hier durch das Einrücken der französischen Truppen und durch Hilfe der hiesigen Einwohner, welche mich mit meiner Familie hier versteckten und denen ich im ganzen viel zu verdanken habe, meine Freiheit erhielt; sehnsuchtsvoll erwarte ich den Augenblick, mich persönlich Eurer Exzellenz zeigen zu können. Nun wage ich eine gehorsamste Bitte:

Als meine Frau gefangen wurde, nahm man ihr eine Obligation von 3800 fl. in Bankozettel und einen Wagen nebst den Pferden des Herrn Oberst v. Epplen, vier Schimmel; alles dieses wurde in die Hände des Ober-Kommandanten Hofer übergeben. Dieser ehrliche Mann würde alles dieses schon längst zurückgegeben haben, hätte er nach seinem Willen handeln dürfen; allein er versprach uns vielmal, dass wir unser Eigentum nicht verlieren sollen, ich zweifle daher keineswegs, dass dieser Mann Wort gehalten und alles Obenbenannte etwa in Sterzing an jemand deponierte. Ich bitte daher Eure Exzellenz gehorsamst, sich doch des Herrn Oberst v. Epplen und meiner gütigst anzunehmen, damit wir zu den Unsrigen gelangen könnten, denn leider habe ich für mich selbst schon so viel verloren, dass der Verlust für mich unersetzlich wäre, wenn ich auch auf obige Stücke Verzicht tun müßte.

In der größten Eile verharre ich in aller Ehrfurcht:
Eurer Exzellenz gehorsamster

Oberst Spaur m. p.
Brixen, den 11. November 1809.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 55 - 58.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.